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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Erstes Buch. Der Statsbegriff.
Gemeindeprincip und auch nur bei einer Nation gelten, in der
sich Alle leicht und rasch zusammen schlieszen, nicht aber als
Statsprincip; denn der Stat musz den unvermeidlichen Wider-
spruch Einzelner überwältigen.

5. Der Stat ist keineswegs ein lebloses Instrument, nicht
eine todte Maschine, sondern ein lebendiges und daher
organisches Wesen. Nicht immer wurde diese organische
Natur des States begriffen. Die politischen Völker hatten
freilich eine Vorstellung derselben und erkannten in der Sprache
dieselbe willig an. Aber der Wissenschaft blieb die Einsicht
in den statlichen Organismus lange verborgen und heute noch
haben manche Statsgelehrte kein Verständnisz dafür. Es ist
das Verdienst hauptsächlich der deutschen historischen Rechts-
schule, die organische Natur des Volkes und States erkannt
zu haben. Dadurch wurde sowohl die mathematisch-
mechanische
Auffassung des States welche nur mit Zahlen
operirte, und die atomistische Behandlungsweise wider-
legt, welche über den Einzelnen das Ganze vergasz. Wie
das Oelgemälde etwas anderes ist als eine Anhäufung von
farbigen Oeltropfen, und eine Statue etwas anderes als eine
Verbindung von Körnchen Marmor, und wie der Mensch nicht
eine blosze Menge von Blutkügelchen und Zellengefässen ist, so
ist auch das Volk nicht eine blosze Summe von Bürgern und der
Stat nicht eine blosze Anhäufung von äuszeren Einrichtungen.

Allerdings ist der Stat kein Naturgeschöpf, und da-
her nicht ein natürlicher Organismus. Er ist ein mittel-
bares Werk der Menschen
. Die Anlage zur Statenbildung
freilich ist schon in der Menschennatur zu finden. Insofern
hat der Stat selber eine natürliche Grundlage. Aber die
Natur hat es der menschlichen Arbeit und der menschlichen
Einrichtung überlassen, jene Statsanlage zu verwirklichen.
Insofern ist der Stat ein Product der menschlichen Thätigkeit
und seine organische Erscheinung eine Nachbildung des natür-
lichen Organismus.


Erstes Buch. Der Statsbegriff.
Gemeindeprincip und auch nur bei einer Nation gelten, in der
sich Alle leicht und rasch zusammen schlieszen, nicht aber als
Statsprincip; denn der Stat musz den unvermeidlichen Wider-
spruch Einzelner überwältigen.

5. Der Stat ist keineswegs ein lebloses Instrument, nicht
eine todte Maschine, sondern ein lebendiges und daher
organisches Wesen. Nicht immer wurde diese organische
Natur des States begriffen. Die politischen Völker hatten
freilich eine Vorstellung derselben und erkannten in der Sprache
dieselbe willig an. Aber der Wissenschaft blieb die Einsicht
in den statlichen Organismus lange verborgen und heute noch
haben manche Statsgelehrte kein Verständnisz dafür. Es ist
das Verdienst hauptsächlich der deutschen historischen Rechts-
schule, die organische Natur des Volkes und States erkannt
zu haben. Dadurch wurde sowohl die mathematisch-
mechanische
Auffassung des States welche nur mit Zahlen
operirte, und die atomistische Behandlungsweise wider-
legt, welche über den Einzelnen das Ganze vergasz. Wie
das Oelgemälde etwas anderes ist als eine Anhäufung von
farbigen Oeltropfen, und eine Statue etwas anderes als eine
Verbindung von Körnchen Marmor, und wie der Mensch nicht
eine blosze Menge von Blutkügelchen und Zellengefässen ist, so
ist auch das Volk nicht eine blosze Summe von Bürgern und der
Stat nicht eine blosze Anhäufung von äuszeren Einrichtungen.

Allerdings ist der Stat kein Naturgeschöpf, und da-
her nicht ein natürlicher Organismus. Er ist ein mittel-
bares Werk der Menschen
. Die Anlage zur Statenbildung
freilich ist schon in der Menschennatur zu finden. Insofern
hat der Stat selber eine natürliche Grundlage. Aber die
Natur hat es der menschlichen Arbeit und der menschlichen
Einrichtung überlassen, jene Statsanlage zu verwirklichen.
Insofern ist der Stat ein Product der menschlichen Thätigkeit
und seine organische Erscheinung eine Nachbildung des natür-
lichen Organismus.


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[18/0036] Erstes Buch. Der Statsbegriff. Gemeindeprincip und auch nur bei einer Nation gelten, in der sich Alle leicht und rasch zusammen schlieszen, nicht aber als Statsprincip; denn der Stat musz den unvermeidlichen Wider- spruch Einzelner überwältigen. 5. Der Stat ist keineswegs ein lebloses Instrument, nicht eine todte Maschine, sondern ein lebendiges und daher organisches Wesen. Nicht immer wurde diese organische Natur des States begriffen. Die politischen Völker hatten freilich eine Vorstellung derselben und erkannten in der Sprache dieselbe willig an. Aber der Wissenschaft blieb die Einsicht in den statlichen Organismus lange verborgen und heute noch haben manche Statsgelehrte kein Verständnisz dafür. Es ist das Verdienst hauptsächlich der deutschen historischen Rechts- schule, die organische Natur des Volkes und States erkannt zu haben. Dadurch wurde sowohl die mathematisch- mechanische Auffassung des States welche nur mit Zahlen operirte, und die atomistische Behandlungsweise wider- legt, welche über den Einzelnen das Ganze vergasz. Wie das Oelgemälde etwas anderes ist als eine Anhäufung von farbigen Oeltropfen, und eine Statue etwas anderes als eine Verbindung von Körnchen Marmor, und wie der Mensch nicht eine blosze Menge von Blutkügelchen und Zellengefässen ist, so ist auch das Volk nicht eine blosze Summe von Bürgern und der Stat nicht eine blosze Anhäufung von äuszeren Einrichtungen. Allerdings ist der Stat kein Naturgeschöpf, und da- her nicht ein natürlicher Organismus. Er ist ein mittel- bares Werk der Menschen. Die Anlage zur Statenbildung freilich ist schon in der Menschennatur zu finden. Insofern hat der Stat selber eine natürliche Grundlage. Aber die Natur hat es der menschlichen Arbeit und der menschlichen Einrichtung überlassen, jene Statsanlage zu verwirklichen. Insofern ist der Stat ein Product der menschlichen Thätigkeit und seine organische Erscheinung eine Nachbildung des natür- lichen Organismus.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/36>, abgerufen am 21.11.2024.