Eroberung römischer Provinzen und die Aufhebung der alten König- und Herzogthümer hatten die Domänen der Könige sehr bereichert. Ueberall im Reiche gab es ansehnliche kö- nigliche Villen, von deren Pfalzen hinwieder viele zinsbare Güter abhingen. Die Grund- und Kopfsteuern der Provincialen wurden beibehalten, die römischen Zölle theilweise sogar aus- gedehnt, den besiegten Stämmen Tribute auferlegt und reich- lichere Friedensgelder und Buszen erhoben. 8
3. Ein von dem Könige abhängiges Beamtensystem diente nun dazu, die königliche Macht nach allen Richtungen und auf allen Stufen der Statsordnung auf Volk und Land einwirken zu lassen. Die obersten Reichsämter wurden nach dem Vorbilde des byzantinischen Kaiserhofes an dem Hofe des Königs concentrirt. Dahin gehören der Pfalzgraf (comes palatii), welcher an des Königs Statt das oberste Richteramt verwaltet, der Caplan (apocrisiarius, referendarius), welcher an der Spitze der Hofgeistlichkeit steht und in kirchlichen Dingen referirt, und der Kanzler (cancellarius), welcher der königlichen Kanzlei vorsteht und daher auch die diplomati- sche Correspondenz leitet. Dahin auch die eigentlichen Hof- ämter des Kämmerers, der den königlichen Schmuck, den Hofstat der Königin, und die Ehrengaben des Hofes besorgt, des Seneschals, welcher die Aufsicht hat über alle Mini- sterialen, das Gesinde und die ganze Oekonomie des Hofes, des Kellners (buticularius), welcher die Naturalgefälle be- zieht, und auch für die königliche Tafel den Wein besorgt, und des Marschals (marescalcus, eigentlich "Roszknecht"), welcher die königlichen Stallungen unter sich hat, des Haus- meisters (mansionarius), welcher dafür sorgt, dasz der König, wo er seinen wechselnden Hof aufschlagen will, eine würdige Aufnahme und Wohnung finde, der vier obersten Jäger-
8 Vgl. Zöpfl a. a. O. §. 40. Waitz, Deutsche Verf.-Geschichte II. 498 ff.
Sechstes Buch. Die Statsformen.
Eroberung römischer Provinzen und die Aufhebung der alten König- und Herzogthümer hatten die Domänen der Könige sehr bereichert. Ueberall im Reiche gab es ansehnliche kö- nigliche Villen, von deren Pfalzen hinwieder viele zinsbare Güter abhingen. Die Grund- und Kopfsteuern der Provincialen wurden beibehalten, die römischen Zölle theilweise sogar aus- gedehnt, den besiegten Stämmen Tribute auferlegt und reich- lichere Friedensgelder und Buszen erhoben. 8
3. Ein von dem Könige abhängiges Beamtensystem diente nun dazu, die königliche Macht nach allen Richtungen und auf allen Stufen der Statsordnung auf Volk und Land einwirken zu lassen. Die obersten Reichsämter wurden nach dem Vorbilde des byzantinischen Kaiserhofes an dem Hofe des Königs concentrirt. Dahin gehören der Pfalzgraf (comes palatii), welcher an des Königs Statt das oberste Richteramt verwaltet, der Caplan (apocrisiarius, referendarius), welcher an der Spitze der Hofgeistlichkeit steht und in kirchlichen Dingen referirt, und der Kanzler (cancellarius), welcher der königlichen Kanzlei vorsteht und daher auch die diplomati- sche Correspondenz leitet. Dahin auch die eigentlichen Hof- ämter des Kämmerers, der den königlichen Schmuck, den Hofstat der Königin, und die Ehrengaben des Hofes besorgt, des Seneschals, welcher die Aufsicht hat über alle Mini- sterialen, das Gesinde und die ganze Oekonomie des Hofes, des Kellners (buticularius), welcher die Naturalgefälle be- zieht, und auch für die königliche Tafel den Wein besorgt, und des Marschals (marescalcus, eigentlich „Roszknecht“), welcher die königlichen Stallungen unter sich hat, des Haus- meisters (mansionarius), welcher dafür sorgt, dasz der König, wo er seinen wechselnden Hof aufschlagen will, eine würdige Aufnahme und Wohnung finde, der vier obersten Jäger-
8 Vgl. Zöpfl a. a. O. §. 40. Waitz, Deutsche Verf.-Geschichte II. 498 ff.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0444"n="426"/><fwplace="top"type="header">Sechstes Buch. Die Statsformen.</fw><lb/>
Eroberung römischer Provinzen und die Aufhebung der alten<lb/>
König- und Herzogthümer hatten die Domänen der Könige<lb/>
sehr bereichert. Ueberall im Reiche gab es ansehnliche kö-<lb/>
nigliche Villen, von deren Pfalzen hinwieder viele zinsbare<lb/>
Güter abhingen. Die Grund- und Kopfsteuern der Provincialen<lb/>
wurden beibehalten, die römischen Zölle theilweise sogar aus-<lb/>
gedehnt, den besiegten Stämmen Tribute auferlegt und reich-<lb/>
lichere Friedensgelder und Buszen erhoben. <noteplace="foot"n="8">Vgl. <hirendition="#g">Zöpfl</hi> a. a. O. §. 40. <hirendition="#g">Waitz</hi>, Deutsche Verf.-Geschichte II.<lb/>
498 ff.</note></p><lb/><p>3. Ein von dem Könige abhängiges <hirendition="#g">Beamtensystem</hi><lb/>
diente nun dazu, die königliche Macht nach allen Richtungen<lb/>
und auf allen Stufen der Statsordnung auf Volk und Land<lb/>
einwirken zu lassen. Die obersten Reichsämter wurden nach<lb/>
dem Vorbilde des byzantinischen Kaiserhofes an dem Hofe<lb/>
des Königs concentrirt. Dahin gehören der <hirendition="#g">Pfalzgraf</hi> (comes<lb/>
palatii), welcher an des Königs Statt das oberste Richteramt<lb/>
verwaltet, der <hirendition="#g">Caplan</hi> (apocrisiarius, referendarius), welcher<lb/>
an der Spitze der Hofgeistlichkeit steht und in kirchlichen<lb/>
Dingen referirt, und der <hirendition="#g">Kanzler</hi> (cancellarius), welcher der<lb/>
königlichen Kanzlei vorsteht und daher auch die diplomati-<lb/>
sche Correspondenz leitet. Dahin auch die eigentlichen Hof-<lb/>
ämter des <hirendition="#g">Kämmerers</hi>, der den königlichen Schmuck, den<lb/>
Hofstat der Königin, und die Ehrengaben des Hofes besorgt,<lb/>
des <hirendition="#g">Seneschals</hi>, welcher die Aufsicht hat über alle Mini-<lb/>
sterialen, das Gesinde und die ganze Oekonomie des Hofes,<lb/>
des <hirendition="#g">Kellners</hi> (buticularius), welcher die Naturalgefälle be-<lb/>
zieht, und auch für die königliche Tafel den Wein besorgt,<lb/>
und des <hirendition="#g">Marschals</hi> (marescalcus, eigentlich „Roszknecht“),<lb/>
welcher die königlichen Stallungen unter sich hat, des <hirendition="#g">Haus-<lb/>
meisters</hi> (mansionarius), welcher dafür sorgt, dasz der König,<lb/>
wo er seinen wechselnden Hof aufschlagen will, eine würdige<lb/>
Aufnahme und Wohnung finde, der vier obersten <hirendition="#g">Jäger</hi>-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[426/0444]
Sechstes Buch. Die Statsformen.
Eroberung römischer Provinzen und die Aufhebung der alten
König- und Herzogthümer hatten die Domänen der Könige
sehr bereichert. Ueberall im Reiche gab es ansehnliche kö-
nigliche Villen, von deren Pfalzen hinwieder viele zinsbare
Güter abhingen. Die Grund- und Kopfsteuern der Provincialen
wurden beibehalten, die römischen Zölle theilweise sogar aus-
gedehnt, den besiegten Stämmen Tribute auferlegt und reich-
lichere Friedensgelder und Buszen erhoben. 8
3. Ein von dem Könige abhängiges Beamtensystem
diente nun dazu, die königliche Macht nach allen Richtungen
und auf allen Stufen der Statsordnung auf Volk und Land
einwirken zu lassen. Die obersten Reichsämter wurden nach
dem Vorbilde des byzantinischen Kaiserhofes an dem Hofe
des Königs concentrirt. Dahin gehören der Pfalzgraf (comes
palatii), welcher an des Königs Statt das oberste Richteramt
verwaltet, der Caplan (apocrisiarius, referendarius), welcher
an der Spitze der Hofgeistlichkeit steht und in kirchlichen
Dingen referirt, und der Kanzler (cancellarius), welcher der
königlichen Kanzlei vorsteht und daher auch die diplomati-
sche Correspondenz leitet. Dahin auch die eigentlichen Hof-
ämter des Kämmerers, der den königlichen Schmuck, den
Hofstat der Königin, und die Ehrengaben des Hofes besorgt,
des Seneschals, welcher die Aufsicht hat über alle Mini-
sterialen, das Gesinde und die ganze Oekonomie des Hofes,
des Kellners (buticularius), welcher die Naturalgefälle be-
zieht, und auch für die königliche Tafel den Wein besorgt,
und des Marschals (marescalcus, eigentlich „Roszknecht“),
welcher die königlichen Stallungen unter sich hat, des Haus-
meisters (mansionarius), welcher dafür sorgt, dasz der König,
wo er seinen wechselnden Hof aufschlagen will, eine würdige
Aufnahme und Wohnung finde, der vier obersten Jäger-
8 Vgl. Zöpfl a. a. O. §. 40. Waitz, Deutsche Verf.-Geschichte II.
498 ff.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/444>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.