Dreizehntes Cap. II. Monarch. Statsformen. F. Neuere absol. Monarchie.
mählich reifte diese Statsform auch auf dem Continent dem sicheren Untergange zu. Ihr Princip wurde von der freieren Philosophie des achtzehnten Jahrhunderts verworfen. Diese Philosophie bestieg mit Friedrich II. den Thron eines auf- strebenden States und verkündete nun laut vom Throne den entgegengesetzten Satz: der König ist nicht der Eigenthümer des Landes, noch der Herr des Volkes, nicht der Stat, son- dern der "oberste Diener des Stats." Das Princip der absoluten Monarchie war schon vor der französischen Revo- lution überwunden. Dem Sturme der Revolution vermochte sie nicht mehr zu widerstehen. Trotz mancherlei Schwankungen erlag sie schlieszlich in allen Staten des civilisirten Europas dem freieren Volksbewusztsein.
Nur in dem europäischen Orient, in Ruszland 8 hat die absolute Monarchie gegenwärtig noch Bestand. Da sagt die religiöse Begründung der nationalen Denkweise eher zu als im Occident, und für das unermessliche Reich, dessen Cultur noch zurück und unter Nationen, deren Bildung noch auf einer tiefen Stufe ist, bedarf es einer gewaltigeren Central- macht. Die gröszten Reformen, wie voraus die heutige Be- freiung des Bauernstandes von der Leibeigenschaft, sind da noch kaum anders als durch den allein entscheidenden Willen des Kaisers durchzuführen. Die Aristokratie würde dieselben schwerlich fördern, ein gebildetes und freies Bürgerthum existirt nicht als eine sociale oder politische Macht. Der unteren Masse aber fehlt es zwar nicht an der Fähigkeit, in der Gemeinde und in Einungen der Berufsgenossen sich selber zu helfen, wohl aber an der Fähigkeit, an der Bestimmung
8 Die in Ruszland geltenden Grundgesetze nennen den "Kaiser aller Reuszen" einen "selbstherrlichen und absoluten Souverän," und stützen seine absolute Macht ausdrücklich auf göttliches Gebot: "Gott selber befiehlt, sich seiner höchsten Autorität zu unterwerfen, nicht allein aus Furcht vor Strafe, sondern aus religiöser Pflicht." Die Gesetzgebung gebührt ausschlieszlich dem Kaiser, der übrigens regelmäszig den Stats- rath vernimmt. Foelix, Revue Etrangere III. S. 700.
Dreizehntes Cap. II. Monarch. Statsformen. F. Neuere absol. Monarchie.
mählich reifte diese Statsform auch auf dem Continent dem sicheren Untergange zu. Ihr Princip wurde von der freieren Philosophie des achtzehnten Jahrhunderts verworfen. Diese Philosophie bestieg mit Friedrich II. den Thron eines auf- strebenden States und verkündete nun laut vom Throne den entgegengesetzten Satz: der König ist nicht der Eigenthümer des Landes, noch der Herr des Volkes, nicht der Stat, son- dern der „oberste Diener des Stats.“ Das Princip der absoluten Monarchie war schon vor der französischen Revo- lution überwunden. Dem Sturme der Revolution vermochte sie nicht mehr zu widerstehen. Trotz mancherlei Schwankungen erlag sie schlieszlich in allen Staten des civilisirten Europas dem freieren Volksbewusztsein.
Nur in dem europäischen Orient, in Ruszland 8 hat die absolute Monarchie gegenwärtig noch Bestand. Da sagt die religiöse Begründung der nationalen Denkweise eher zu als im Occident, und für das unermessliche Reich, dessen Cultur noch zurück und unter Nationen, deren Bildung noch auf einer tiefen Stufe ist, bedarf es einer gewaltigeren Central- macht. Die gröszten Reformen, wie voraus die heutige Be- freiung des Bauernstandes von der Leibeigenschaft, sind da noch kaum anders als durch den allein entscheidenden Willen des Kaisers durchzuführen. Die Aristokratie würde dieselben schwerlich fördern, ein gebildetes und freies Bürgerthum existirt nicht als eine sociale oder politische Macht. Der unteren Masse aber fehlt es zwar nicht an der Fähigkeit, in der Gemeinde und in Einungen der Berufsgenossen sich selber zu helfen, wohl aber an der Fähigkeit, an der Bestimmung
8 Die in Ruszland geltenden Grundgesetze nennen den „Kaiser aller Reuszen“ einen „selbstherrlichen und absoluten Souverän,“ und stützen seine absolute Macht ausdrücklich auf göttliches Gebot: „Gott selber befiehlt, sich seiner höchsten Autorität zu unterwerfen, nicht allein aus Furcht vor Strafe, sondern aus religiöser Pflicht.“ Die Gesetzgebung gebührt ausschlieszlich dem Kaiser, der übrigens regelmäszig den Stats- rath vernimmt. Foelix, Revue Étrangère III. S. 700.
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Dreizehntes Cap. II. Monarch. Statsformen. F. Neuere absol. Monarchie.
mählich reifte diese Statsform auch auf dem Continent dem
sicheren Untergange zu. Ihr Princip wurde von der freieren
Philosophie des achtzehnten Jahrhunderts verworfen. Diese
Philosophie bestieg mit Friedrich II. den Thron eines auf-
strebenden States und verkündete nun laut vom Throne den
entgegengesetzten Satz: der König ist nicht der Eigenthümer
des Landes, noch der Herr des Volkes, nicht der Stat, son-
dern der „oberste Diener des Stats.“ Das Princip der
absoluten Monarchie war schon vor der französischen Revo-
lution überwunden. Dem Sturme der Revolution vermochte
sie nicht mehr zu widerstehen. Trotz mancherlei Schwankungen
erlag sie schlieszlich in allen Staten des civilisirten Europas
dem freieren Volksbewusztsein.
Nur in dem europäischen Orient, in Ruszland 8 hat die
absolute Monarchie gegenwärtig noch Bestand. Da sagt die
religiöse Begründung der nationalen Denkweise eher zu als
im Occident, und für das unermessliche Reich, dessen Cultur
noch zurück und unter Nationen, deren Bildung noch auf
einer tiefen Stufe ist, bedarf es einer gewaltigeren Central-
macht. Die gröszten Reformen, wie voraus die heutige Be-
freiung des Bauernstandes von der Leibeigenschaft, sind da
noch kaum anders als durch den allein entscheidenden Willen
des Kaisers durchzuführen. Die Aristokratie würde dieselben
schwerlich fördern, ein gebildetes und freies Bürgerthum
existirt nicht als eine sociale oder politische Macht. Der
unteren Masse aber fehlt es zwar nicht an der Fähigkeit, in
der Gemeinde und in Einungen der Berufsgenossen sich selber
zu helfen, wohl aber an der Fähigkeit, an der Bestimmung
8 Die in Ruszland geltenden Grundgesetze nennen den „Kaiser aller
Reuszen“ einen „selbstherrlichen und absoluten
Souverän,“ und stützen
seine absolute Macht ausdrücklich auf göttliches Gebot: „Gott selber
befiehlt, sich seiner höchsten Autorität zu unterwerfen, nicht allein aus
Furcht vor Strafe, sondern aus religiöser Pflicht.“ Die Gesetzgebung
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/465>, abgerufen am 16.06.2024.
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