Sechsz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 3. Mon. Princip etc.
In jener Begriffsbestimmung sind zwei Seiten zu unter- scheiden, die beide vorhanden sein müssen, wenn noch von Monarchie die Rede sein soll.
I. Die persönliche Erhebung des Statshaupts, als in- dividuellen Repräsentanten und Organ der obrigkeitlichen Gewalt.
II. Die inhaltliche Concentration der obersten Stats- hoheit und der vollkommenen Statsgewalt in ihm. Die beiden Pole der fürstlichen Thätigkeit sind die Initiative und die Sanction.
I. Mit dem ersten Princip ist wohl verträglich:
1) Die Beschränkung des Monarchen durch die Re- präsentation der übrigen Bestandtheile des Volks in der Gesetzgebung, und
2) die Gebundenheit des Monarchen an die Mit- wirkung der Minister in der regelmäszigen Ausübung der Regierungsrechte und Pflichten. Denn wenn auch die andern Glieder des Volkskörpers noch so hoch stehen, so überragt er sie doch noch als der Höhere; und wenn die Verfassung auch dafür sorgt, dasz sein individueller Wille wahrer Stats- wille und nicht selbstsüchtiger Eigenwille sei, so wird dadurch nur seine Aufgabe erleichtert und seine Statsautorität vor Miszgriffen und Fall bewahrt.
Aber es verträgt sich damit nicht:
1) die Vorstellung, dasz der Monarch ein bloszes Idol, eine blosze Form, nicht ein lebendiges Wesen sei;
2) die Einrichtung, dasz der Monarch der Volksreprä- sentation oder den Ministern untergeordnet sei und von ihnen gezwungen werden dürfe, einen Willen zu äuszern, den er nicht hat, und zu handeln, wie er nicht will.
Da die oberste Gewalt seiner Person zusteht, so gebührt ihm auch die Freiheit und das Recht der Persönlichkeit. 1
1Guizot Mem. II, 237. "Dieu seul est souverain et personne ici- bas n'est Dieu, pas plus les peuples que les rois. Et la volonte des peuples
Sechsz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 3. Mon. Princip etc.
In jener Begriffsbestimmung sind zwei Seiten zu unter- scheiden, die beide vorhanden sein müssen, wenn noch von Monarchie die Rede sein soll.
I. Die persönliche Erhebung des Statshaupts, als in- dividuellen Repräsentanten und Organ der obrigkeitlichen Gewalt.
II. Die inhaltliche Concentration der obersten Stats- hoheit und der vollkommenen Statsgewalt in ihm. Die beiden Pole der fürstlichen Thätigkeit sind die Initiative und die Sanction.
I. Mit dem ersten Princip ist wohl verträglich:
1) Die Beschränkung des Monarchen durch die Re- präsentation der übrigen Bestandtheile des Volks in der Gesetzgebung, und
2) die Gebundenheit des Monarchen an die Mit- wirkung der Minister in der regelmäszigen Ausübung der Regierungsrechte und Pflichten. Denn wenn auch die andern Glieder des Volkskörpers noch so hoch stehen, so überragt er sie doch noch als der Höhere; und wenn die Verfassung auch dafür sorgt, dasz sein individueller Wille wahrer Stats- wille und nicht selbstsüchtiger Eigenwille sei, so wird dadurch nur seine Aufgabe erleichtert und seine Statsautorität vor Miszgriffen und Fall bewahrt.
Aber es verträgt sich damit nicht:
1) die Vorstellung, dasz der Monarch ein bloszes Idol, eine blosze Form, nicht ein lebendiges Wesen sei;
2) die Einrichtung, dasz der Monarch der Volksreprä- sentation oder den Ministern untergeordnet sei und von ihnen gezwungen werden dürfe, einen Willen zu äuszern, den er nicht hat, und zu handeln, wie er nicht will.
Da die oberste Gewalt seiner Person zusteht, so gebührt ihm auch die Freiheit und das Recht der Persönlichkeit. 1
1Guizot Mém. II, 237. „Dieu seul est souverain et personne ici- bas n'est Dieu, pas plus les peuples que les rois. Et la volonté des peuples
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Sechsz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 3. Mon. Princip
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In jener Begriffsbestimmung sind zwei Seiten zu unter-
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Monarchie die Rede sein soll.
I. Die persönliche Erhebung des Statshaupts, als in-
dividuellen Repräsentanten und Organ der obrigkeitlichen
Gewalt.
II. Die inhaltliche Concentration der obersten Stats-
hoheit und der vollkommenen Statsgewalt in ihm. Die beiden
Pole der fürstlichen Thätigkeit sind die Initiative und die
Sanction.
I. Mit dem ersten Princip ist wohl verträglich:
1) Die Beschränkung des Monarchen durch die Re-
präsentation der übrigen Bestandtheile des Volks in der
Gesetzgebung, und
2) die Gebundenheit des Monarchen an die Mit-
wirkung der Minister in der regelmäszigen Ausübung der
Regierungsrechte und Pflichten. Denn wenn auch die andern
Glieder des Volkskörpers noch so hoch stehen, so überragt
er sie doch noch als der Höhere; und wenn die Verfassung
auch dafür sorgt, dasz sein individueller Wille wahrer Stats-
wille und nicht selbstsüchtiger Eigenwille sei, so wird dadurch
nur seine Aufgabe erleichtert und seine Statsautorität vor
Miszgriffen und Fall bewahrt.
Aber es verträgt sich damit nicht:
1) die Vorstellung, dasz der Monarch ein bloszes Idol,
eine blosze Form, nicht ein lebendiges Wesen sei;
2) die Einrichtung, dasz der Monarch der Volksreprä-
sentation oder den Ministern untergeordnet sei und von
ihnen gezwungen werden dürfe, einen Willen zu äuszern,
den er nicht hat, und zu handeln, wie er nicht will.
Da die oberste Gewalt seiner Person zusteht, so gebührt
ihm auch die Freiheit und das Recht der Persönlichkeit. 1
1 Guizot
Mém. II, 237. „Dieu seul est souverain et personne ici-
bas n'est Dieu, pas plus les peuples que les rois. Et la volonté des
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/511>, abgerufen am 24.11.2024.
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