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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Sechstes Buch. Die Statsformen.
decretirte die Steuern, und bestimmte die Ausgaben und Ver-
wendungen. Er verfügte über die Aushebung der Truppen
und vertheilte die Heere unter die Magistrate. Er ertheilte
den Proconsuln und Proprätoren die zur Regierung der Pro-
vinzen erforderlichen Vollmachten und Instructionen, und
controlirte die gesammte Verwaltung derselben. In schweren
Krisen des States ertheilte er den Consuln jene unbegrenzte
Machtfülle, welche nöthig schien, die Republik vor Schaden
zu bewahren.

4. Die Magistrate. Man kann darüber Zweifel haben,
ob die römischen Magistraturen eher eine königliche oder eine
aristokratische Institution gewesen seien. Dasz aber ihr Cha-
rakter kein demokratischer gewesen, das ist augenfällig genug.
Schon die vornehme Form der äuszern Erscheinung dieser
Magistrate, ihre mit Purpur geschmückte Toga, der curulische
Stuhl auf erhöhtem Boden, die Umgebung derselben mit
einem freiwilligen Stab angesehener Gehülfen und Freunde,
der Vortritt der Lictoren, die Verbindung mit den Göttern,
die bei ihrer Ernennung in Form der Auspicien sich äuszern
muszte und die nun auch durch die von den Magistraten vor-
genommenen Auspicien unterhalten wurde, läszt in dieser
Beziehung keinen Zweifel zurück. Die ausgedehnte und inner-
lich absolute Machtfülle, welche in dem imperium als Kern
desselben lag, war wesentlich königlich, 3 und die republi-
kanische Seite derselben war nur in der kurzen Dauer, für
welche diese Macht einzelnen Römern verliehen ward, und in
der Vertheilung derselben unter zwei oder mehrere Magistrate
von gleichem Rang zu erkennen. Ein dem römischen Stats-
recht eigenthümlicher und sehr beachtenswerther offenbar
aristokratischer Grundsatz ist es, dasz jeder Magistrat berech-
tigt ist, jede Amtshandlung eines ihm gleich oder niedriger

3 Cicero de Legibus III. 3: "Regio imperio duo sunto." Liv. IV. 3.
Polyb. VI, 11. §. 7: "ton upaton exousian, teleios monarkhikon ephainet'
einai kai basilikon."

Sechstes Buch. Die Statsformen.
decretirte die Steuern, und bestimmte die Ausgaben und Ver-
wendungen. Er verfügte über die Aushebung der Truppen
und vertheilte die Heere unter die Magistrate. Er ertheilte
den Proconsuln und Proprätoren die zur Regierung der Pro-
vinzen erforderlichen Vollmachten und Instructionen, und
controlirte die gesammte Verwaltung derselben. In schweren
Krisen des States ertheilte er den Consuln jene unbegrenzte
Machtfülle, welche nöthig schien, die Republik vor Schaden
zu bewahren.

4. Die Magistrate. Man kann darüber Zweifel haben,
ob die römischen Magistraturen eher eine königliche oder eine
aristokratische Institution gewesen seien. Dasz aber ihr Cha-
rakter kein demokratischer gewesen, das ist augenfällig genug.
Schon die vornehme Form der äuszern Erscheinung dieser
Magistrate, ihre mit Purpur geschmückte Toga, der curulische
Stuhl auf erhöhtem Boden, die Umgebung derselben mit
einem freiwilligen Stab angesehener Gehülfen und Freunde,
der Vortritt der Lictoren, die Verbindung mit den Göttern,
die bei ihrer Ernennung in Form der Auspicien sich äuszern
muszte und die nun auch durch die von den Magistraten vor-
genommenen Auspicien unterhalten wurde, läszt in dieser
Beziehung keinen Zweifel zurück. Die ausgedehnte und inner-
lich absolute Machtfülle, welche in dem imperium als Kern
desselben lag, war wesentlich königlich, 3 und die republi-
kanische Seite derselben war nur in der kurzen Dauer, für
welche diese Macht einzelnen Römern verliehen ward, und in
der Vertheilung derselben unter zwei oder mehrere Magistrate
von gleichem Rang zu erkennen. Ein dem römischen Stats-
recht eigenthümlicher und sehr beachtenswerther offenbar
aristokratischer Grundsatz ist es, dasz jeder Magistrat berech-
tigt ist, jede Amtshandlung eines ihm gleich oder niedriger

3 Cicero de Legibus III. 3: „Regio imperio duo sunto.“ Liv. IV. 3.
Polyb. VI, 11. §. 7: „τῶν ὑπάτων ἐξουσίαν, τελείως μοναϱχιϰὸν ἐφαίνετ᾽
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[514/0532] Sechstes Buch. Die Statsformen. decretirte die Steuern, und bestimmte die Ausgaben und Ver- wendungen. Er verfügte über die Aushebung der Truppen und vertheilte die Heere unter die Magistrate. Er ertheilte den Proconsuln und Proprätoren die zur Regierung der Pro- vinzen erforderlichen Vollmachten und Instructionen, und controlirte die gesammte Verwaltung derselben. In schweren Krisen des States ertheilte er den Consuln jene unbegrenzte Machtfülle, welche nöthig schien, die Republik vor Schaden zu bewahren. 4. Die Magistrate. Man kann darüber Zweifel haben, ob die römischen Magistraturen eher eine königliche oder eine aristokratische Institution gewesen seien. Dasz aber ihr Cha- rakter kein demokratischer gewesen, das ist augenfällig genug. Schon die vornehme Form der äuszern Erscheinung dieser Magistrate, ihre mit Purpur geschmückte Toga, der curulische Stuhl auf erhöhtem Boden, die Umgebung derselben mit einem freiwilligen Stab angesehener Gehülfen und Freunde, der Vortritt der Lictoren, die Verbindung mit den Göttern, die bei ihrer Ernennung in Form der Auspicien sich äuszern muszte und die nun auch durch die von den Magistraten vor- genommenen Auspicien unterhalten wurde, läszt in dieser Beziehung keinen Zweifel zurück. Die ausgedehnte und inner- lich absolute Machtfülle, welche in dem imperium als Kern desselben lag, war wesentlich königlich, 3 und die republi- kanische Seite derselben war nur in der kurzen Dauer, für welche diese Macht einzelnen Römern verliehen ward, und in der Vertheilung derselben unter zwei oder mehrere Magistrate von gleichem Rang zu erkennen. Ein dem römischen Stats- recht eigenthümlicher und sehr beachtenswerther offenbar aristokratischer Grundsatz ist es, dasz jeder Magistrat berech- tigt ist, jede Amtshandlung eines ihm gleich oder niedriger 3 Cicero de Legibus III. 3: „Regio imperio duo sunto.“ Liv. IV. 3. Polyb. VI, 11. §. 7: „τῶν ὑπάτων ἐξουσίαν, τελείως μοναϱχιϰὸν ἐφαίνετ᾽ εἶναι ϰαὶ βασιλιϰὸν.“

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/532>, abgerufen am 24.11.2024.