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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Dreiundzwanzigstes Cap. IV. Demokrat. Statsformen. Betrachtungen etc.
rikanischen Republiken beruhen geschichtlich auf einer freien
Gemeindeverfassung; und wenn das in Frankreich anders ist,
so ist das zugleich ein Zeichen, dasz der französische Stat
wenig Anlage zur Republik hat.

Abgesehen also von der immerhin beschränkten unmittel-
baren Ausübung der Volksherrschaft ist in der repräsentati-
ven Demokratie die Regel die, dasz das Volk nur durch
seine Beamten regieren und durch seine Stellver-
treter die Gesetze geben
und die Controle über die Ver-
waltung des States besorgen läszt. Insofern nähert sich
diese moderne Statsform schon bedeutend den Staten an, in
welchen der Gegensatz des Regenten und der Regierten aus-
gebildet erscheint.



Dreiundzwanzigstes Capitel.
Betrachtungen über die Repräsentativdemokratie.

Montesquieu hat bekanntlich die Tugend für das Prin-
cip der Demokratie erklärt. Die Tugend aber setzt als poli-
tisches Princip moralische Würdigung der Herrschenden
und nicht die Gleichheit Aller voraus, und jene finden wir
keineswegs in der reinen Demokratie anerkannt. Nur das ist
wahr: ein gewisses Masz von Tugend der Volksmasse ist ein
unentbehrliches practisches Erfordernisz einer guten Demo-
kratie, dessen Mangel sofort den Verfall dieser Statsform nach
sich zieht. Eher läszt sich behaupten, dasz die Tugend in
der Repräsentativdemokratie zum politischen Princip
erhoben worden sei, denn in der That in dem Princip der
auserwählten Repräsentation liegt nicht allein eine Ermäszi-
gung
, sondern zugleich eine Veredlung der Demokratie,
durch welche diese die Vorzüge auch der aristokratischen
Form sich anzueignen sucht.

Das Princip desselben ist: Die Besten des Volkes

Dreiundzwanzigstes Cap. IV. Demokrat. Statsformen. Betrachtungen etc.
rikanischen Republiken beruhen geschichtlich auf einer freien
Gemeindeverfassung; und wenn das in Frankreich anders ist,
so ist das zugleich ein Zeichen, dasz der französische Stat
wenig Anlage zur Republik hat.

Abgesehen also von der immerhin beschränkten unmittel-
baren Ausübung der Volksherrschaft ist in der repräsentati-
ven Demokratie die Regel die, dasz das Volk nur durch
seine Beamten regieren und durch seine Stellver-
treter die Gesetze geben
und die Controle über die Ver-
waltung des States besorgen läszt. Insofern nähert sich
diese moderne Statsform schon bedeutend den Staten an, in
welchen der Gegensatz des Regenten und der Regierten aus-
gebildet erscheint.



Dreiundzwanzigstes Capitel.
Betrachtungen über die Repräsentativdemokratie.

Montesquieu hat bekanntlich die Tugend für das Prin-
cip der Demokratie erklärt. Die Tugend aber setzt als poli-
tisches Princip moralische Würdigung der Herrschenden
und nicht die Gleichheit Aller voraus, und jene finden wir
keineswegs in der reinen Demokratie anerkannt. Nur das ist
wahr: ein gewisses Masz von Tugend der Volksmasse ist ein
unentbehrliches practisches Erfordernisz einer guten Demo-
kratie, dessen Mangel sofort den Verfall dieser Statsform nach
sich zieht. Eher läszt sich behaupten, dasz die Tugend in
der Repräsentativdemokratie zum politischen Princip
erhoben worden sei, denn in der That in dem Princip der
auserwählten Repräsentation liegt nicht allein eine Ermäszi-
gung
, sondern zugleich eine Veredlung der Demokratie,
durch welche diese die Vorzüge auch der aristokratischen
Form sich anzueignen sucht.

Das Princip desselben ist: Die Besten des Volkes

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[549/0567] Dreiundzwanzigstes Cap. IV. Demokrat. Statsformen. Betrachtungen etc. rikanischen Republiken beruhen geschichtlich auf einer freien Gemeindeverfassung; und wenn das in Frankreich anders ist, so ist das zugleich ein Zeichen, dasz der französische Stat wenig Anlage zur Republik hat. Abgesehen also von der immerhin beschränkten unmittel- baren Ausübung der Volksherrschaft ist in der repräsentati- ven Demokratie die Regel die, dasz das Volk nur durch seine Beamten regieren und durch seine Stellver- treter die Gesetze geben und die Controle über die Ver- waltung des States besorgen läszt. Insofern nähert sich diese moderne Statsform schon bedeutend den Staten an, in welchen der Gegensatz des Regenten und der Regierten aus- gebildet erscheint. Dreiundzwanzigstes Capitel. Betrachtungen über die Repräsentativdemokratie. Montesquieu hat bekanntlich die Tugend für das Prin- cip der Demokratie erklärt. Die Tugend aber setzt als poli- tisches Princip moralische Würdigung der Herrschenden und nicht die Gleichheit Aller voraus, und jene finden wir keineswegs in der reinen Demokratie anerkannt. Nur das ist wahr: ein gewisses Masz von Tugend der Volksmasse ist ein unentbehrliches practisches Erfordernisz einer guten Demo- kratie, dessen Mangel sofort den Verfall dieser Statsform nach sich zieht. Eher läszt sich behaupten, dasz die Tugend in der Repräsentativdemokratie zum politischen Princip erhoben worden sei, denn in der That in dem Princip der auserwählten Repräsentation liegt nicht allein eine Ermäszi- gung, sondern zugleich eine Veredlung der Demokratie, durch welche diese die Vorzüge auch der aristokratischen Form sich anzueignen sucht. Das Princip desselben ist: Die Besten des Volkes

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/567>, abgerufen am 22.11.2024.