Zu Gunsten fremder Souveräne oder überhaupt zu Gunsten der Personen, welche einen Stat in fremdem Lande repräsentiren, wird, um ihre Unabhängigkeit von einer andern Statsgewalt zu sichern, in mancher Beziehung fingirt, sie seien außerhalb des fremden Landes (extra territorium), gleich wie wenn sie überallhin ihre Heimat mitzunehmen vermöchten.
Die Fiction der Exterritorialität ist nicht der Grund der Exemtion von frem- der Statsgewalt, welche jene Personen in fremdem Lande genießen, sondern nur eine bildliche Darstellung dieses Ausnahmerechts. Der wirkliche Grund liegt in der völkerrechtlichen Achtung vor der Unabhängigkeit der repräsentirten Staten in ihrem Verkehr mit einander. Vgl. § 129. Die Fiction wirkt deßhalb nur relativ, sie wirkt nicht über die wirklichen Gründe der Exemtion hinaus.
136.
Die exterritoriale Person wird der Statshoheit des einheimischen States in der Regel nicht unterworfen, obwohl sie thatsächlich in dessen Gebiet sich aufhält.
Der einheimische Stat bleibt jedoch berechtigt zu fordern, daß die exterritoriale Person hinwieder seine Unabhängigkeit, Sicherheit und Ehre nicht verletze und die zur Erhaltung derselben nöthigen Maßregeln zu ergreifen.
Die Exemtion von der einheimischen Statsgewalt ist nur ein negatives Recht, sie hindert die Ausübung derselben gegen die exterritoriale Person. Aber sie ist nicht eine positive Befugniß des Exterritorialen, nun seinerseits den Stat anzu- greifen, der ihm jene Rücksicht und Gunst erweist. Der Stat ehrt in dem fremden Souverän einen Genossen seiner eigenen Souveränetät, aber er braucht nicht einen offenbaren Feind in seinem Lande zu dulden. Es ist wiederholt und mit Recht ge- schehen, daß Gesante gefangen gesetzt wurden, weil sie an einer Verschwörung wider die Regierung Theil nahmen, in deren Land sie waren, z. B. der Schwedische Gesante in England 1716 (Wheatonhist. I. 308). Vgl. unten Absch. II.
137.
Die exterritoriale Person ist der Policeigewalt des einheimischen Sta- tes nicht unterworfen. Die Policei darf keinen unmittelbaren oder mittel- baren Zwang gegen sie üben. Aber die Policei ist nicht gehindert, die- jenigen Maßregeln zu ergreifen, welche nöthig sind, um Rechts- oder
Drittes Buch.
3. Vom Recht der Exterritorialität.
135.
Zu Gunſten fremder Souveräne oder überhaupt zu Gunſten der Perſonen, welche einen Stat in fremdem Lande repräſentiren, wird, um ihre Unabhängigkeit von einer andern Statsgewalt zu ſichern, in mancher Beziehung fingirt, ſie ſeien außerhalb des fremden Landes (extra territorium), gleich wie wenn ſie überallhin ihre Heimat mitzunehmen vermöchten.
Die Fiction der Exterritorialität iſt nicht der Grund der Exemtion von frem- der Statsgewalt, welche jene Perſonen in fremdem Lande genießen, ſondern nur eine bildliche Darſtellung dieſes Ausnahmerechts. Der wirkliche Grund liegt in der völkerrechtlichen Achtung vor der Unabhängigkeit der repräſentirten Staten in ihrem Verkehr mit einander. Vgl. § 129. Die Fiction wirkt deßhalb nur relativ, ſie wirkt nicht über die wirklichen Gründe der Exemtion hinaus.
136.
Die exterritoriale Perſon wird der Statshoheit des einheimiſchen States in der Regel nicht unterworfen, obwohl ſie thatſächlich in deſſen Gebiet ſich aufhält.
Der einheimiſche Stat bleibt jedoch berechtigt zu fordern, daß die exterritoriale Perſon hinwieder ſeine Unabhängigkeit, Sicherheit und Ehre nicht verletze und die zur Erhaltung derſelben nöthigen Maßregeln zu ergreifen.
Die Exemtion von der einheimiſchen Statsgewalt iſt nur ein negatives Recht, ſie hindert die Ausübung derſelben gegen die exterritoriale Perſon. Aber ſie iſt nicht eine poſitive Befugniß des Exterritorialen, nun ſeinerſeits den Stat anzu- greifen, der ihm jene Rückſicht und Gunſt erweist. Der Stat ehrt in dem fremden Souverän einen Genoſſen ſeiner eigenen Souveränetät, aber er braucht nicht einen offenbaren Feind in ſeinem Lande zu dulden. Es iſt wiederholt und mit Recht ge- ſchehen, daß Geſante gefangen geſetzt wurden, weil ſie an einer Verſchwörung wider die Regierung Theil nahmen, in deren Land ſie waren, z. B. der Schwediſche Geſante in England 1716 (Wheatonhist. I. 308). Vgl. unten Abſch. II.
137.
Die exterritoriale Perſon iſt der Policeigewalt des einheimiſchen Sta- tes nicht unterworfen. Die Policei darf keinen unmittelbaren oder mittel- baren Zwang gegen ſie üben. Aber die Policei iſt nicht gehindert, die- jenigen Maßregeln zu ergreifen, welche nöthig ſind, um Rechts- oder
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Drittes Buch.
3. Vom Recht der Exterritorialität.
135.
Zu Gunſten fremder Souveräne oder überhaupt zu Gunſten der
Perſonen, welche einen Stat in fremdem Lande repräſentiren, wird, um
ihre Unabhängigkeit von einer andern Statsgewalt zu ſichern, in mancher
Beziehung fingirt, ſie ſeien außerhalb des fremden Landes (extra territorium),
gleich wie wenn ſie überallhin ihre Heimat mitzunehmen vermöchten.
Die Fiction der Exterritorialität iſt nicht der Grund der Exemtion von frem-
der Statsgewalt, welche jene Perſonen in fremdem Lande genießen, ſondern nur
eine bildliche Darſtellung dieſes Ausnahmerechts. Der wirkliche Grund liegt
in der völkerrechtlichen Achtung vor der Unabhängigkeit der repräſentirten Staten in
ihrem Verkehr mit einander. Vgl. § 129. Die Fiction wirkt deßhalb nur relativ,
ſie wirkt nicht über die wirklichen Gründe der Exemtion hinaus.
136.
Die exterritoriale Perſon wird der Statshoheit des einheimiſchen
States in der Regel nicht unterworfen, obwohl ſie thatſächlich in deſſen
Gebiet ſich aufhält.
Der einheimiſche Stat bleibt jedoch berechtigt zu fordern, daß die
exterritoriale Perſon hinwieder ſeine Unabhängigkeit, Sicherheit und Ehre
nicht verletze und die zur Erhaltung derſelben nöthigen Maßregeln zu
ergreifen.
Die Exemtion von der einheimiſchen Statsgewalt iſt nur ein negatives
Recht, ſie hindert die Ausübung derſelben gegen die exterritoriale Perſon. Aber ſie
iſt nicht eine poſitive Befugniß des Exterritorialen, nun ſeinerſeits den Stat anzu-
greifen, der ihm jene Rückſicht und Gunſt erweist. Der Stat ehrt in dem fremden
Souverän einen Genoſſen ſeiner eigenen Souveränetät, aber er braucht nicht einen
offenbaren Feind in ſeinem Lande zu dulden. Es iſt wiederholt und mit Recht ge-
ſchehen, daß Geſante gefangen geſetzt wurden, weil ſie an einer Verſchwörung wider
die Regierung Theil nahmen, in deren Land ſie waren, z. B. der Schwediſche
Geſante in England 1716 (Wheaton hist. I. 308). Vgl. unten Abſch. II.
137.
Die exterritoriale Perſon iſt der Policeigewalt des einheimiſchen Sta-
tes nicht unterworfen. Die Policei darf keinen unmittelbaren oder mittel-
baren Zwang gegen ſie üben. Aber die Policei iſt nicht gehindert, die-
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/138>, abgerufen am 25.11.2024.
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