Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite
Völkerrechtliche Organe.
168.

Ist ein Gesanter einmal aufgenommen, so genießt er alle Rechte
und Ehren seiner Stellung und es darf nachträglich nicht eine Einsprache
gegen seine Person erhoben werden aus Gründen, welche schon zur Zeit
seines Empfangs vorlagen und bekannt sein konnten.

169.

In der Annahme des Gesanten liegt die Anerkennung des Absende-
stats, beziehungsweise der Statsregierung, welche denselben bevollmächtigt,
durch den Empfangstat.

Es widerspricht der Einheit des States, der repräsentirt werden soll,
gleichzeitig zwei verschiedene Gesante, den einen des vertriebenen Fürsten, der auf
Wiederherstellung hofft, den andern des vielleicht durch Usurpation zur Gewalt ge-
langten Fürsten, als Repräsentanten des Einen Stats zu empfangen. Indem der
Empfangstat den einen oder den andern empfängt, erklärt er, daß er dessen Voll-
machtgeber als das wirkliche Statshaupt betrachte. Die Annahme des Gesanten
der neuen Regierung ist daher mit der Entlassung des Gesanten der alten Regierung
zu verbinden. Vgl. oben § 28 ff.

6. Classen und Arten der Gesanten. Diplomatischer Körper.
170.

Als Gesante werden diejenigen Personen betrachtet, welche von einem
State ermächtigt und dazu beglaubigt sind, dessen Rechte und Interessen
bei einem andern State zu vertreten.

Die Ermächtigung allein gewährt noch nicht die Stellung und Rechte eines
Gesanten; auch der geheime Agent ist ermächtigt; es muß die Beglaubigung gegen-
über dem besendeten State hinzutreten.

171.

Das heutige Völkerrecht unterscheidet drei bis vier Classen von
Gesanten:

1) die Botschafter (ambassadeurs);
2) die Gesanten im engern Sinn (envoyes) und die bevollmächtigten
Minister;
3) die Geschäftsträger (charges d'affaires).

Zwischen der zweiten und der dritten Classe nehmen die Minister-
residenten eine Mittelstellung ein.

Bluntschli, Das Völkerrecht. 9
Völkerrechtliche Organe.
168.

Iſt ein Geſanter einmal aufgenommen, ſo genießt er alle Rechte
und Ehren ſeiner Stellung und es darf nachträglich nicht eine Einſprache
gegen ſeine Perſon erhoben werden aus Gründen, welche ſchon zur Zeit
ſeines Empfangs vorlagen und bekannt ſein konnten.

169.

In der Annahme des Geſanten liegt die Anerkennung des Abſende-
ſtats, beziehungsweiſe der Statsregierung, welche denſelben bevollmächtigt,
durch den Empfangſtat.

Es widerſpricht der Einheit des States, der repräſentirt werden ſoll,
gleichzeitig zwei verſchiedene Geſante, den einen des vertriebenen Fürſten, der auf
Wiederherſtellung hofft, den andern des vielleicht durch Uſurpation zur Gewalt ge-
langten Fürſten, als Repräſentanten des Einen Stats zu empfangen. Indem der
Empfangſtat den einen oder den andern empfängt, erklärt er, daß er deſſen Voll-
machtgeber als das wirkliche Statshaupt betrachte. Die Annahme des Geſanten
der neuen Regierung iſt daher mit der Entlaſſung des Geſanten der alten Regierung
zu verbinden. Vgl. oben § 28 ff.

6. Claſſen und Arten der Geſanten. Diplomatiſcher Körper.
170.

Als Geſante werden diejenigen Perſonen betrachtet, welche von einem
State ermächtigt und dazu beglaubigt ſind, deſſen Rechte und Intereſſen
bei einem andern State zu vertreten.

Die Ermächtigung allein gewährt noch nicht die Stellung und Rechte eines
Geſanten; auch der geheime Agent iſt ermächtigt; es muß die Beglaubigung gegen-
über dem beſendeten State hinzutreten.

171.

Das heutige Völkerrecht unterſcheidet drei bis vier Claſſen von
Geſanten:

1) die Botſchafter (ambassadeurs);
2) die Geſanten im engern Sinn (envoyès) und die bevollmächtigten
Miniſter;
3) die Geſchäftsträger (chargés d’affaires).

Zwiſchen der zweiten und der dritten Claſſe nehmen die Miniſter-
reſidenten eine Mittelſtellung ein.

Bluntſchli, Das Völkerrecht. 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0151" n="129"/>
              <fw place="top" type="header">Völkerrechtliche Organe.</fw><lb/>
              <div n="5">
                <head>168.</head><lb/>
                <p>I&#x017F;t ein Ge&#x017F;anter einmal aufgenommen, &#x017F;o genießt er alle Rechte<lb/>
und Ehren &#x017F;einer Stellung und es darf nachträglich nicht eine Ein&#x017F;prache<lb/>
gegen &#x017F;eine Per&#x017F;on erhoben werden aus Gründen, welche &#x017F;chon zur Zeit<lb/>
&#x017F;eines Empfangs vorlagen und bekannt &#x017F;ein konnten.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>169.</head><lb/>
                <p>In der Annahme des Ge&#x017F;anten liegt die Anerkennung des Ab&#x017F;ende-<lb/>
&#x017F;tats, beziehungswei&#x017F;e der Statsregierung, welche den&#x017F;elben bevollmächtigt,<lb/>
durch den Empfang&#x017F;tat.</p><lb/>
                <p>Es wider&#x017F;pricht der <hi rendition="#g">Einheit des States</hi>, der reprä&#x017F;entirt werden &#x017F;oll,<lb/>
gleichzeitig zwei ver&#x017F;chiedene Ge&#x017F;ante, den einen des vertriebenen Für&#x017F;ten, der auf<lb/>
Wiederher&#x017F;tellung hofft, den andern des vielleicht durch U&#x017F;urpation zur Gewalt ge-<lb/>
langten Für&#x017F;ten, als Reprä&#x017F;entanten des Einen Stats zu empfangen. Indem der<lb/>
Empfang&#x017F;tat den einen oder den andern empfängt, erklärt er, daß er de&#x017F;&#x017F;en Voll-<lb/>
machtgeber als das <hi rendition="#g">wirkliche</hi> Statshaupt betrachte. Die Annahme des Ge&#x017F;anten<lb/>
der neuen Regierung i&#x017F;t daher mit der Entla&#x017F;&#x017F;ung des Ge&#x017F;anten der alten Regierung<lb/>
zu verbinden. Vgl. oben § 28 ff.</p>
              </div>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>6. <hi rendition="#g">Cla&#x017F;&#x017F;en und Arten der Ge&#x017F;anten. Diplomati&#x017F;cher Körper</hi>.</head><lb/>
              <div n="5">
                <head>170.</head><lb/>
                <p>Als Ge&#x017F;ante werden diejenigen Per&#x017F;onen betrachtet, welche von einem<lb/>
State ermächtigt und dazu beglaubigt &#x017F;ind, de&#x017F;&#x017F;en Rechte und Intere&#x017F;&#x017F;en<lb/>
bei einem andern State zu vertreten.</p><lb/>
                <p>Die Ermächtigung allein gewährt noch nicht die Stellung und Rechte eines<lb/>
Ge&#x017F;anten; auch der geheime Agent i&#x017F;t ermächtigt; es muß die Beglaubigung gegen-<lb/>
über dem be&#x017F;endeten State hinzutreten.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>171.</head><lb/>
                <p>Das heutige Völkerrecht unter&#x017F;cheidet drei bis vier Cla&#x017F;&#x017F;en von<lb/>
Ge&#x017F;anten:</p><lb/>
                <list>
                  <item>1) die Bot&#x017F;chafter <hi rendition="#aq">(ambassadeurs);</hi></item><lb/>
                  <item>2) die Ge&#x017F;anten im engern Sinn <hi rendition="#aq">(envoyès)</hi> und die bevollmächtigten<lb/>
Mini&#x017F;ter;</item><lb/>
                  <item>3) die Ge&#x017F;chäftsträger <hi rendition="#aq">(chargés d&#x2019;affaires).</hi></item>
                </list><lb/>
                <p>Zwi&#x017F;chen der zweiten und der dritten Cla&#x017F;&#x017F;e nehmen die Mini&#x017F;ter-<lb/>
re&#x017F;identen eine Mittel&#x017F;tellung ein.</p><lb/>
                <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Blunt&#x017F;chli</hi>, Das Völkerrecht. 9</fw><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0151] Völkerrechtliche Organe. 168. Iſt ein Geſanter einmal aufgenommen, ſo genießt er alle Rechte und Ehren ſeiner Stellung und es darf nachträglich nicht eine Einſprache gegen ſeine Perſon erhoben werden aus Gründen, welche ſchon zur Zeit ſeines Empfangs vorlagen und bekannt ſein konnten. 169. In der Annahme des Geſanten liegt die Anerkennung des Abſende- ſtats, beziehungsweiſe der Statsregierung, welche denſelben bevollmächtigt, durch den Empfangſtat. Es widerſpricht der Einheit des States, der repräſentirt werden ſoll, gleichzeitig zwei verſchiedene Geſante, den einen des vertriebenen Fürſten, der auf Wiederherſtellung hofft, den andern des vielleicht durch Uſurpation zur Gewalt ge- langten Fürſten, als Repräſentanten des Einen Stats zu empfangen. Indem der Empfangſtat den einen oder den andern empfängt, erklärt er, daß er deſſen Voll- machtgeber als das wirkliche Statshaupt betrachte. Die Annahme des Geſanten der neuen Regierung iſt daher mit der Entlaſſung des Geſanten der alten Regierung zu verbinden. Vgl. oben § 28 ff. 6. Claſſen und Arten der Geſanten. Diplomatiſcher Körper. 170. Als Geſante werden diejenigen Perſonen betrachtet, welche von einem State ermächtigt und dazu beglaubigt ſind, deſſen Rechte und Intereſſen bei einem andern State zu vertreten. Die Ermächtigung allein gewährt noch nicht die Stellung und Rechte eines Geſanten; auch der geheime Agent iſt ermächtigt; es muß die Beglaubigung gegen- über dem beſendeten State hinzutreten. 171. Das heutige Völkerrecht unterſcheidet drei bis vier Claſſen von Geſanten: 1) die Botſchafter (ambassadeurs); 2) die Geſanten im engern Sinn (envoyès) und die bevollmächtigten Miniſter; 3) die Geſchäftsträger (chargés d’affaires). Zwiſchen der zweiten und der dritten Claſſe nehmen die Miniſter- reſidenten eine Mittelſtellung ein. Bluntſchli, Das Völkerrecht. 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/151
Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/151>, abgerufen am 24.11.2024.