Dagegen sind in der Regel die Gesanten befugt, Acte der freiwilli- gen Gerichtsbarkeit mit Bezug auf die Gefolgspersonen und überdem mit Bezug auf ihre Landsleute und Schutzbefohlenen vorzunehmen, soweit ein derartiges Bedürfniß vorhanden ist. Insbesondere können sie Unterschriften und Urkunden dieser Personen amtlich beglaubigen, letzte Willenserklärungen aufnehmen, bürgerliche Standesverhältnisse (Geburt, Ehe, Tod) beurkunden und im Interesse der Sicherstellung von Verlassenschaften schützende Maß- regeln theils ergreifen, theils veranlassen.
Die freiwillige Gerichtsbarkeit hat weniger den Charakter der Gerichtshoheit an sich, als der gewaltlosen Rechtshülfe. Sie kann daher auch unbedenklich von dem Empfangstat zugestanden werden. Aus ähnlichen Gründen kann der Ge- sante auch Zeugenaussagen seiner Gefolgsleute zu Protokoll nehmen.
222.
Die Steuerfreiheit des Gesanten beruht nur insofern auf Rechts- nothwendigkeit, als sie eine Folge der Befreiung derselben von aller Stats- hoheit des besendeten States ist. Ihre Ausdehnung über dieses Maß hinaus mag in den Sitten und in der Gastfreundlichkeit begründet sein, aber ihre Beschränkung auf jenes Maß kann nicht als Verletzung des Völkerrechts betrachtet werden.
Vgl. § 138. Im Einzelnen weichen die Sitten und Verordnungen der ein- zelnen Staten von einander ab, und es ist nach Heffters Ausdruck (Völkerr. 217) "eine völlig gleichförmige Regel bei diesem völkerrechtlichen Privilegium nicht erweis- lich." Es ist z. B. keine Verletzung des Völkerrechts, wenn von dem Gesanten wie von andern Reisenden Straßen- und Brückengelder gefordert werden, obwohl das aus Höflichkeit oft unterlassen wird.
223.
Der Gesante ist verpflichtet, die Zollbefreiung, deren er für die Be- dürfnisse seines Haushalts genießt, in gutem Glauben zu gebrauchen und er darf dieselbe weder zu eigenen Handelszwecken ausbeuten, noch zu Gun- sten dritter zollpflichtiger Personen mißbrauchen. Das Völkerrecht hindert die Zollbehörden nicht, auch die Sendungen von Waaren an den Gesanten einer Prüfung zu unterwerfen, wenn nur das Hotel des Gesanten und diejenigen Räume (Statswagen, Archiv) verschont werden, für welche er
Drittes Buch.
221.
Dagegen ſind in der Regel die Geſanten befugt, Acte der freiwilli- gen Gerichtsbarkeit mit Bezug auf die Gefolgsperſonen und überdem mit Bezug auf ihre Landsleute und Schutzbefohlenen vorzunehmen, ſoweit ein derartiges Bedürfniß vorhanden iſt. Insbeſondere können ſie Unterſchriften und Urkunden dieſer Perſonen amtlich beglaubigen, letzte Willenserklärungen aufnehmen, bürgerliche Standesverhältniſſe (Geburt, Ehe, Tod) beurkunden und im Intereſſe der Sicherſtellung von Verlaſſenſchaften ſchützende Maß- regeln theils ergreifen, theils veranlaſſen.
Die freiwillige Gerichtsbarkeit hat weniger den Charakter der Gerichtshoheit an ſich, als der gewaltloſen Rechtshülfe. Sie kann daher auch unbedenklich von dem Empfangſtat zugeſtanden werden. Aus ähnlichen Gründen kann der Ge- ſante auch Zeugenausſagen ſeiner Gefolgsleute zu Protokoll nehmen.
222.
Die Steuerfreiheit des Geſanten beruht nur inſofern auf Rechts- nothwendigkeit, als ſie eine Folge der Befreiung derſelben von aller Stats- hoheit des beſendeten States iſt. Ihre Ausdehnung über dieſes Maß hinaus mag in den Sitten und in der Gaſtfreundlichkeit begründet ſein, aber ihre Beſchränkung auf jenes Maß kann nicht als Verletzung des Völkerrechts betrachtet werden.
Vgl. § 138. Im Einzelnen weichen die Sitten und Verordnungen der ein- zelnen Staten von einander ab, und es iſt nach Heffters Ausdruck (Völkerr. 217) „eine völlig gleichförmige Regel bei dieſem völkerrechtlichen Privilegium nicht erweis- lich.“ Es iſt z. B. keine Verletzung des Völkerrechts, wenn von dem Geſanten wie von andern Reiſenden Straßen- und Brückengelder gefordert werden, obwohl das aus Höflichkeit oft unterlaſſen wird.
223.
Der Geſante iſt verpflichtet, die Zollbefreiung, deren er für die Be- dürfniſſe ſeines Haushalts genießt, in gutem Glauben zu gebrauchen und er darf dieſelbe weder zu eigenen Handelszwecken ausbeuten, noch zu Gun- ſten dritter zollpflichtiger Perſonen mißbrauchen. Das Völkerrecht hindert die Zollbehörden nicht, auch die Sendungen von Waaren an den Geſanten einer Prüfung zu unterwerfen, wenn nur das Hotel des Geſanten und diejenigen Räume (Statswagen, Archiv) verſchont werden, für welche er
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Drittes Buch.
221.
Dagegen ſind in der Regel die Geſanten befugt, Acte der freiwilli-
gen Gerichtsbarkeit mit Bezug auf die Gefolgsperſonen und überdem mit
Bezug auf ihre Landsleute und Schutzbefohlenen vorzunehmen, ſoweit ein
derartiges Bedürfniß vorhanden iſt. Insbeſondere können ſie Unterſchriften
und Urkunden dieſer Perſonen amtlich beglaubigen, letzte Willenserklärungen
aufnehmen, bürgerliche Standesverhältniſſe (Geburt, Ehe, Tod) beurkunden
und im Intereſſe der Sicherſtellung von Verlaſſenſchaften ſchützende Maß-
regeln theils ergreifen, theils veranlaſſen.
Die freiwillige Gerichtsbarkeit hat weniger den Charakter der Gerichtshoheit
an ſich, als der gewaltloſen Rechtshülfe. Sie kann daher auch unbedenklich
von dem Empfangſtat zugeſtanden werden. Aus ähnlichen Gründen kann der Ge-
ſante auch Zeugenausſagen ſeiner Gefolgsleute zu Protokoll nehmen.
222.
Die Steuerfreiheit des Geſanten beruht nur inſofern auf Rechts-
nothwendigkeit, als ſie eine Folge der Befreiung derſelben von aller Stats-
hoheit des beſendeten States iſt. Ihre Ausdehnung über dieſes Maß
hinaus mag in den Sitten und in der Gaſtfreundlichkeit begründet ſein,
aber ihre Beſchränkung auf jenes Maß kann nicht als Verletzung des
Völkerrechts betrachtet werden.
Vgl. § 138. Im Einzelnen weichen die Sitten und Verordnungen der ein-
zelnen Staten von einander ab, und es iſt nach Heffters Ausdruck (Völkerr. 217)
„eine völlig gleichförmige Regel bei dieſem völkerrechtlichen Privilegium nicht erweis-
lich.“ Es iſt z. B. keine Verletzung des Völkerrechts, wenn von dem Geſanten wie
von andern Reiſenden Straßen- und Brückengelder gefordert werden, obwohl das
aus Höflichkeit oft unterlaſſen wird.
223.
Der Geſante iſt verpflichtet, die Zollbefreiung, deren er für die Be-
dürfniſſe ſeines Haushalts genießt, in gutem Glauben zu gebrauchen und
er darf dieſelbe weder zu eigenen Handelszwecken ausbeuten, noch zu Gun-
ſten dritter zollpflichtiger Perſonen mißbrauchen. Das Völkerrecht hindert
die Zollbehörden nicht, auch die Sendungen von Waaren an den Geſanten
einer Prüfung zu unterwerfen, wenn nur das Hotel des Geſanten und
diejenigen Räume (Statswagen, Archiv) verſchont werden, für welche er
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/166>, abgerufen am 21.11.2024.
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