Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herstellung desselben. wendung eintreten lassen und auf Beseitigung des Unrechts dringen undsie können nöthigenfalls sich verbünden und mit gemeinsamer Macht vor- gehen, um dem anerkannten Völker- und Menschenrecht Achtung und Gel- tung zu verschaffen. In manchen Fällen schon hat die Verwendung des diplomatischen 2. Bruch der inneren Statsordnung. Intervention. 474. Die fremden Staten werden durch das Völkerrecht in der Regel 1. Der Schutz der Verfassung eines States und seiner inneren Rechtsordnung 2. Die Praxis der europäischen Staten ist freilich noch nicht in voller Ueberein- Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herſtellung desſelben. wendung eintreten laſſen und auf Beſeitigung des Unrechts dringen undſie können nöthigenfalls ſich verbünden und mit gemeinſamer Macht vor- gehen, um dem anerkannten Völker- und Menſchenrecht Achtung und Gel- tung zu verſchaffen. In manchen Fällen ſchon hat die Verwendung des diplomatiſchen 2. Bruch der inneren Statsordnung. Intervention. 474. Die fremden Staten werden durch das Völkerrecht in der Regel 1. Der Schutz der Verfaſſung eines States und ſeiner inneren Rechtsordnung 2. Die Praxis der europäiſchen Staten iſt freilich noch nicht in voller Ueberein- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0287" n="265"/><fw place="top" type="header">Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herſtellung desſelben.</fw><lb/> wendung eintreten laſſen und auf Beſeitigung des Unrechts dringen und<lb/> ſie können nöthigenfalls ſich verbünden und mit gemeinſamer Macht vor-<lb/> gehen, um dem anerkannten Völker- und Menſchenrecht Achtung und Gel-<lb/> tung zu verſchaffen.</p><lb/> <p>In manchen Fällen ſchon hat die <hi rendition="#g">Verwendung des diplomatiſchen<lb/> Körpers</hi> ausgereicht, um eine Verletzung des Völkerrechts zu beſeitigen. Zuweilen<lb/> half die Interceſſion einer Macht. Aber zuweilen ſind auch ernſtere Maßregeln<lb/> nöthig, wie die gemeinſamen Maßregeln, um die Seeräuberei zu beſtrafen und zu<lb/> verhindern, die Sclavenzufuhr zu hemmen, die Rechte der neutralen Staten zu be-<lb/> haupten, unmenſchliche Grauſamkeiten zu zügeln. Wiederholt haben die europäiſchen<lb/> Mächte in der Türkei intervenirt zum Schutz vorzüglich der chriſtlichen Bevölkerung.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">2. Bruch der inneren Statsordnung. Intervention.</hi> </head><lb/> <div n="4"> <head>474.</head><lb/> <p>Die fremden Staten werden durch das Völkerrecht in der Regel<lb/> nicht ermächtigt, in die Verfaſſungsſtreitigkeiten eines unabhängigen States<lb/> ſich einzumiſchen und gegen Statsumwälzungen zu interveniren.</p><lb/> <p>1. Der Schutz der Verfaſſung eines States und ſeiner inneren Rechtsordnung<lb/> iſt eine <hi rendition="#g">innere Angelegenheit</hi> dieſes States und nicht Aufgabe des Völkerrechts.<lb/> Der Sturz einer Regierung, die Entthronung eines Fürſten, die Erhebung eines<lb/> Uſurpators, die Mißachtung verfaſſungsmäßiger Volksrechte iſt ein Bruch des beſte-<lb/> henden <hi rendition="#g">Statsrechts</hi>, aber an ſich <hi rendition="#g">nicht</hi> eine Verletzung des <hi rendition="#g">Völkerrechts</hi>,<lb/> d. h. der Beziehungen eines States zu andern Staten. Deßhalb iſt auch in der<lb/> Regel die Intervention fremder Staten in derartige Verfaſſungskämpfe und Umge-<lb/> ſtaltungen ein ungerechtfertigter Eingriff in die ſtatliche Selbſtändigkeit und eine<lb/> Gefährdung des allgemeinen Friedens und von dem Völkerrecht gemißbilligt. Die<lb/> bloße Verwandtſchaft der Dynaſtien oder die Gleichartigkeit der Intereſſen und<lb/> Stimmungen rechtfertigt dieſen Eingriff in ein fremdes Rechtsgebiet ebenſowenig,<lb/> als die politiſche Antipathie gegen die Partei, welche durch die Umwälzung zur<lb/> Herrſchaft kommt. Die <hi rendition="#g">Solidarität der Intereſſen</hi> muß ſich <hi rendition="#g">innerhalb<lb/> des Völkerrechts</hi> bewegen, ſie darf nicht die völkerrechtliche Selbſtändigkeit der<lb/> Staten angreifen und verletzen. (Vgl. oben § 39 f.)</p><lb/> <p>2. Die Praxis der europäiſchen Staten iſt freilich noch nicht in voller Ueberein-<lb/> ſtimmung mit dieſen natürlichen Rechtsgrundſätzen. Man hat ſeit hundert Jahren<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [265/0287]
Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herſtellung desſelben.
wendung eintreten laſſen und auf Beſeitigung des Unrechts dringen und
ſie können nöthigenfalls ſich verbünden und mit gemeinſamer Macht vor-
gehen, um dem anerkannten Völker- und Menſchenrecht Achtung und Gel-
tung zu verſchaffen.
In manchen Fällen ſchon hat die Verwendung des diplomatiſchen
Körpers ausgereicht, um eine Verletzung des Völkerrechts zu beſeitigen. Zuweilen
half die Interceſſion einer Macht. Aber zuweilen ſind auch ernſtere Maßregeln
nöthig, wie die gemeinſamen Maßregeln, um die Seeräuberei zu beſtrafen und zu
verhindern, die Sclavenzufuhr zu hemmen, die Rechte der neutralen Staten zu be-
haupten, unmenſchliche Grauſamkeiten zu zügeln. Wiederholt haben die europäiſchen
Mächte in der Türkei intervenirt zum Schutz vorzüglich der chriſtlichen Bevölkerung.
2. Bruch der inneren Statsordnung. Intervention.
474.
Die fremden Staten werden durch das Völkerrecht in der Regel
nicht ermächtigt, in die Verfaſſungsſtreitigkeiten eines unabhängigen States
ſich einzumiſchen und gegen Statsumwälzungen zu interveniren.
1. Der Schutz der Verfaſſung eines States und ſeiner inneren Rechtsordnung
iſt eine innere Angelegenheit dieſes States und nicht Aufgabe des Völkerrechts.
Der Sturz einer Regierung, die Entthronung eines Fürſten, die Erhebung eines
Uſurpators, die Mißachtung verfaſſungsmäßiger Volksrechte iſt ein Bruch des beſte-
henden Statsrechts, aber an ſich nicht eine Verletzung des Völkerrechts,
d. h. der Beziehungen eines States zu andern Staten. Deßhalb iſt auch in der
Regel die Intervention fremder Staten in derartige Verfaſſungskämpfe und Umge-
ſtaltungen ein ungerechtfertigter Eingriff in die ſtatliche Selbſtändigkeit und eine
Gefährdung des allgemeinen Friedens und von dem Völkerrecht gemißbilligt. Die
bloße Verwandtſchaft der Dynaſtien oder die Gleichartigkeit der Intereſſen und
Stimmungen rechtfertigt dieſen Eingriff in ein fremdes Rechtsgebiet ebenſowenig,
als die politiſche Antipathie gegen die Partei, welche durch die Umwälzung zur
Herrſchaft kommt. Die Solidarität der Intereſſen muß ſich innerhalb
des Völkerrechts bewegen, ſie darf nicht die völkerrechtliche Selbſtändigkeit der
Staten angreifen und verletzen. (Vgl. oben § 39 f.)
2. Die Praxis der europäiſchen Staten iſt freilich noch nicht in voller Ueberein-
ſtimmung mit dieſen natürlichen Rechtsgrundſätzen. Man hat ſeit hundert Jahren
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