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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Siebentes Buch.
Schiedsrichter, so ist anzunehmen, jede Partei wähle ihre Schiedsmänner
frei, aber in gleicher Anzahl, wie die Gegenpartei. Ist nicht verabredet,
wie der Obmann zu bezeichnen sei, so steht es den beiderseitigen Schieds-
richtern zu, entweder den Obmann gemeinsam zu wählen, oder einem
unparteiischen Dritten die Wahl desselben anheim zu geben.

Zunächst sind die Parteien berechtigt, wie ein schiedsgerichtliches Verfahren,
so auch die einzelnen Schiedsrichter zu wählen. Das Völkerrecht kann nur einige
Regeln aussprechen, die im Zweifel, wenn nicht von den Parteien anders bestimmt
worden, als selbstverständliche Meinung der Parteien betrachtet werden sollen, weil
sie der Natur der Dinge und der Völkersitte entsprechen. Die Ernennung eines
Obmanns wird mindestens dann nothwendig, wenn die Schiedsrichter in glei-
chen Hälften sich spalten, damit eine Mehrheit zu Stande komme. Sie ist aber von
Anfang an zweckmäßig, um die Einheit des ganzen Verfahrens zu sichern und
für eine unparteiische Leitung zu sorgen. Wenn die Parteien nicht unter sich, oder
wenn die Schiedsrichter nicht einig werden über die Wahl des Obmanns, so bleibt
nur die Ernennung durch einen Dritten übrig, z. B. eine neutrale Regierung oder
einen Gerichtshof. Da aber auch darüber, wer als Dritter zu erbitten sei, die Er-
nennung des Obmanns vorzunehmen, die Parteien oder ihre Schiedsrichter sich ver-
ständigen müssen, so kann auch daran das ganze schiedsrichterliche Verfahren scheitern,
daß es zu jenem vorbereitenden Einverständniß nicht kommt.

491.

Das aus mehreren Personen bestehende Schiedsgericht handelt ge-
meinsam als Ein Körper. Es vernimmt die Parteien und je nach Um-
ständen auch Zeugen und Sachverständige, prüft die erheblichen Thatsachen
und erhebt die erforderlichen Beweise.

Die Thätigkeit des Schiedsgerichts ist, obwohl es seine Vollmacht nur von
den Parteien ableitet, dennoch eine richterliche und insofern den Parteien selbst
übergeordnete beziehungsweise für die Parteien verpflichtende. Die Pro-
ceßleitung
ist bei dem Schiedsgerichte.

492.

Das Schiedsgericht gilt im Zweifel als ermächtigt, den Parteien
billige Vergleichsvorschläge zu machen.

Ob das zweckmäßig sei oder nicht, muß dem Schiedsgerichte zu erwägen
vorbehalten bleiben. Immerhin aber wird das Schiedsgericht sich davor zu hüten
haben, daß es nicht durch den Vergleichsvorschlag das Vertrauen in seine rechtliche

Siebentes Buch.
Schiedsrichter, ſo iſt anzunehmen, jede Partei wähle ihre Schiedsmänner
frei, aber in gleicher Anzahl, wie die Gegenpartei. Iſt nicht verabredet,
wie der Obmann zu bezeichnen ſei, ſo ſteht es den beiderſeitigen Schieds-
richtern zu, entweder den Obmann gemeinſam zu wählen, oder einem
unparteiiſchen Dritten die Wahl desſelben anheim zu geben.

Zunächſt ſind die Parteien berechtigt, wie ein ſchiedsgerichtliches Verfahren,
ſo auch die einzelnen Schiedsrichter zu wählen. Das Völkerrecht kann nur einige
Regeln ausſprechen, die im Zweifel, wenn nicht von den Parteien anders beſtimmt
worden, als ſelbſtverſtändliche Meinung der Parteien betrachtet werden ſollen, weil
ſie der Natur der Dinge und der Völkerſitte entſprechen. Die Ernennung eines
Obmanns wird mindeſtens dann nothwendig, wenn die Schiedsrichter in glei-
chen Hälften ſich ſpalten, damit eine Mehrheit zu Stande komme. Sie iſt aber von
Anfang an zweckmäßig, um die Einheit des ganzen Verfahrens zu ſichern und
für eine unparteiiſche Leitung zu ſorgen. Wenn die Parteien nicht unter ſich, oder
wenn die Schiedsrichter nicht einig werden über die Wahl des Obmanns, ſo bleibt
nur die Ernennung durch einen Dritten übrig, z. B. eine neutrale Regierung oder
einen Gerichtshof. Da aber auch darüber, wer als Dritter zu erbitten ſei, die Er-
nennung des Obmanns vorzunehmen, die Parteien oder ihre Schiedsrichter ſich ver-
ſtändigen müſſen, ſo kann auch daran das ganze ſchiedsrichterliche Verfahren ſcheitern,
daß es zu jenem vorbereitenden Einverſtändniß nicht kommt.

491.

Das aus mehreren Perſonen beſtehende Schiedsgericht handelt ge-
meinſam als Ein Körper. Es vernimmt die Parteien und je nach Um-
ſtänden auch Zeugen und Sachverſtändige, prüft die erheblichen Thatſachen
und erhebt die erforderlichen Beweiſe.

Die Thätigkeit des Schiedsgerichts iſt, obwohl es ſeine Vollmacht nur von
den Parteien ableitet, dennoch eine richterliche und inſofern den Parteien ſelbſt
übergeordnete beziehungsweiſe für die Parteien verpflichtende. Die Pro-
ceßleitung
iſt bei dem Schiedsgerichte.

492.

Das Schiedsgericht gilt im Zweifel als ermächtigt, den Parteien
billige Vergleichsvorſchläge zu machen.

Ob das zweckmäßig ſei oder nicht, muß dem Schiedsgerichte zu erwägen
vorbehalten bleiben. Immerhin aber wird das Schiedsgericht ſich davor zu hüten
haben, daß es nicht durch den Vergleichsvorſchlag das Vertrauen in ſeine rechtliche

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[274/0296] Siebentes Buch. Schiedsrichter, ſo iſt anzunehmen, jede Partei wähle ihre Schiedsmänner frei, aber in gleicher Anzahl, wie die Gegenpartei. Iſt nicht verabredet, wie der Obmann zu bezeichnen ſei, ſo ſteht es den beiderſeitigen Schieds- richtern zu, entweder den Obmann gemeinſam zu wählen, oder einem unparteiiſchen Dritten die Wahl desſelben anheim zu geben. Zunächſt ſind die Parteien berechtigt, wie ein ſchiedsgerichtliches Verfahren, ſo auch die einzelnen Schiedsrichter zu wählen. Das Völkerrecht kann nur einige Regeln ausſprechen, die im Zweifel, wenn nicht von den Parteien anders beſtimmt worden, als ſelbſtverſtändliche Meinung der Parteien betrachtet werden ſollen, weil ſie der Natur der Dinge und der Völkerſitte entſprechen. Die Ernennung eines Obmanns wird mindeſtens dann nothwendig, wenn die Schiedsrichter in glei- chen Hälften ſich ſpalten, damit eine Mehrheit zu Stande komme. Sie iſt aber von Anfang an zweckmäßig, um die Einheit des ganzen Verfahrens zu ſichern und für eine unparteiiſche Leitung zu ſorgen. Wenn die Parteien nicht unter ſich, oder wenn die Schiedsrichter nicht einig werden über die Wahl des Obmanns, ſo bleibt nur die Ernennung durch einen Dritten übrig, z. B. eine neutrale Regierung oder einen Gerichtshof. Da aber auch darüber, wer als Dritter zu erbitten ſei, die Er- nennung des Obmanns vorzunehmen, die Parteien oder ihre Schiedsrichter ſich ver- ſtändigen müſſen, ſo kann auch daran das ganze ſchiedsrichterliche Verfahren ſcheitern, daß es zu jenem vorbereitenden Einverſtändniß nicht kommt. 491. Das aus mehreren Perſonen beſtehende Schiedsgericht handelt ge- meinſam als Ein Körper. Es vernimmt die Parteien und je nach Um- ſtänden auch Zeugen und Sachverſtändige, prüft die erheblichen Thatſachen und erhebt die erforderlichen Beweiſe. Die Thätigkeit des Schiedsgerichts iſt, obwohl es ſeine Vollmacht nur von den Parteien ableitet, dennoch eine richterliche und inſofern den Parteien ſelbſt übergeordnete beziehungsweiſe für die Parteien verpflichtende. Die Pro- ceßleitung iſt bei dem Schiedsgerichte. 492. Das Schiedsgericht gilt im Zweifel als ermächtigt, den Parteien billige Vergleichsvorſchläge zu machen. Ob das zweckmäßig ſei oder nicht, muß dem Schiedsgerichte zu erwägen vorbehalten bleiben. Immerhin aber wird das Schiedsgericht ſich davor zu hüten haben, daß es nicht durch den Vergleichsvorſchlag das Vertrauen in ſeine rechtliche

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/296>, abgerufen am 24.11.2024.