Weder die Kriegsgewalt noch die einzelnen siegreichen Krieger sind berechtigt, einzelne Personen willkürlich und zwecklos zu tödten, zu ver- wunden, zu mißhandeln, zu quälen, zu Sclaven zu machen oder zu ver- kaufen, die Frauen zu mißbrauchen oder ihre Keuschheit zu verletzen.
Am. 16. 23. 42. Diese Bestimmung gilt ganz allgemein, nicht bloß bezüg- lich der friedlichen Privatpersonen, sondern selbst zum Schutz der feind- lichen Personen, obwohl diese während des Kampfs auch der Todesgefahr aus- gesetzt sind. Tödten des Feindes im Kampf, um den Widerstand desselben zu brechen, ist kriegsrechtlich erlaubt, weil nothwendig, aber Tödten ohne Kampf, ledig- lich aus Blutdurst oder Haß ist auch den Soldaten gegen feindliche Soldaten nicht erlaubt. Es gibt kein jus vitae ac necis gegen den Feind. Vgl. zu § 573 und § 579.
575.
Die Kriegsgewalt ist verpflichtet, das Menschenrecht auch in den feindlichen Personen zu beachten und durch ihre Autorität zu schützen und wenn solche Missethaten von Soldaten verübt werden, die Thäter zu bestrafen.
Die Kriegsführung im dreißigjährigen Kriege und selbst in den Zeiten Ludwigs XIV. war in Europa noch entsetzlich roh. Die scheußlichsten Mißhand- lungen und Folterqualen, wie die Nothzucht an den Weibern kamen damals noch häufig vor. Alle solche widerrechtliche und verwerfliche Grausamkeit wird von der heutigen Kriegssitte und dem civilisirten Kriegsrecht als barbarisch untersagt.
576.
Es ist wider das Völkerrecht, die Unterthanen der feindlichen Staten zu nöthigen, daß sie in den Kriegsdienst der siegenden Macht eintreten, so lange nicht die Eroberung vollzogen und die Besitznahme des eroberten Landes als dauerhaft und festbegründet erscheint.
1. Wenn auch die feindliche Kriegsgewalt, indem sie sich eines Landes be- mächtigt, die bisherige Statsautorität verdrängt und sich an ihre Stelle setzt (vgl. oben § 540 f.), so ist doch während des Kriegs der provisorische Charakter die- ser Besitznahme zu beachten und es gilt als unrechtmäßig, die Bewohner des nur vorläufig besetzten Landes zum Kriegsdienst gegen ihr bisheriges Vaterland zu zwin- gen. Die sittliche Wirkung des bisherigen und statsrechtlich nicht zerstörten
Bluntschli, Das Völkerrecht. 21
Das Kriegsrecht.
574.
Weder die Kriegsgewalt noch die einzelnen ſiegreichen Krieger ſind berechtigt, einzelne Perſonen willkürlich und zwecklos zu tödten, zu ver- wunden, zu mißhandeln, zu quälen, zu Sclaven zu machen oder zu ver- kaufen, die Frauen zu mißbrauchen oder ihre Keuſchheit zu verletzen.
Am. 16. 23. 42. Dieſe Beſtimmung gilt ganz allgemein, nicht bloß bezüg- lich der friedlichen Privatperſonen, ſondern ſelbſt zum Schutz der feind- lichen Perſonen, obwohl dieſe während des Kampfs auch der Todesgefahr aus- geſetzt ſind. Tödten des Feindes im Kampf, um den Widerſtand desſelben zu brechen, iſt kriegsrechtlich erlaubt, weil nothwendig, aber Tödten ohne Kampf, ledig- lich aus Blutdurſt oder Haß iſt auch den Soldaten gegen feindliche Soldaten nicht erlaubt. Es gibt kein jus vitae ac necis gegen den Feind. Vgl. zu § 573 und § 579.
575.
Die Kriegsgewalt iſt verpflichtet, das Menſchenrecht auch in den feindlichen Perſonen zu beachten und durch ihre Autorität zu ſchützen und wenn ſolche Miſſethaten von Soldaten verübt werden, die Thäter zu beſtrafen.
Die Kriegsführung im dreißigjährigen Kriege und ſelbſt in den Zeiten Ludwigs XIV. war in Europa noch entſetzlich roh. Die ſcheußlichſten Mißhand- lungen und Folterqualen, wie die Nothzucht an den Weibern kamen damals noch häufig vor. Alle ſolche widerrechtliche und verwerfliche Grauſamkeit wird von der heutigen Kriegsſitte und dem civiliſirten Kriegsrecht als barbariſch unterſagt.
576.
Es iſt wider das Völkerrecht, die Unterthanen der feindlichen Staten zu nöthigen, daß ſie in den Kriegsdienſt der ſiegenden Macht eintreten, ſo lange nicht die Eroberung vollzogen und die Beſitznahme des eroberten Landes als dauerhaft und feſtbegründet erſcheint.
1. Wenn auch die feindliche Kriegsgewalt, indem ſie ſich eines Landes be- mächtigt, die bisherige Statsautorität verdrängt und ſich an ihre Stelle ſetzt (vgl. oben § 540 f.), ſo iſt doch während des Kriegs der proviſoriſche Charakter die- ſer Beſitznahme zu beachten und es gilt als unrechtmäßig, die Bewohner des nur vorläufig beſetzten Landes zum Kriegsdienſt gegen ihr bisheriges Vaterland zu zwin- gen. Die ſittliche Wirkung des bisherigen und ſtatsrechtlich nicht zerſtörten
Bluntſchli, Das Völkerrecht. 21
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Das Kriegsrecht.
574.
Weder die Kriegsgewalt noch die einzelnen ſiegreichen Krieger ſind
berechtigt, einzelne Perſonen willkürlich und zwecklos zu tödten, zu ver-
wunden, zu mißhandeln, zu quälen, zu Sclaven zu machen oder zu ver-
kaufen, die Frauen zu mißbrauchen oder ihre Keuſchheit zu verletzen.
Am. 16. 23. 42. Dieſe Beſtimmung gilt ganz allgemein, nicht bloß bezüg-
lich der friedlichen Privatperſonen, ſondern ſelbſt zum Schutz der feind-
lichen Perſonen, obwohl dieſe während des Kampfs auch der Todesgefahr aus-
geſetzt ſind. Tödten des Feindes im Kampf, um den Widerſtand desſelben zu
brechen, iſt kriegsrechtlich erlaubt, weil nothwendig, aber Tödten ohne Kampf, ledig-
lich aus Blutdurſt oder Haß iſt auch den Soldaten gegen feindliche Soldaten nicht
erlaubt. Es gibt kein jus vitae ac necis gegen den Feind. Vgl. zu § 573 und
§ 579.
575.
Die Kriegsgewalt iſt verpflichtet, das Menſchenrecht auch in den
feindlichen Perſonen zu beachten und durch ihre Autorität zu ſchützen und
wenn ſolche Miſſethaten von Soldaten verübt werden, die Thäter zu
beſtrafen.
Die Kriegsführung im dreißigjährigen Kriege und ſelbſt in den Zeiten
Ludwigs XIV. war in Europa noch entſetzlich roh. Die ſcheußlichſten Mißhand-
lungen und Folterqualen, wie die Nothzucht an den Weibern kamen damals noch
häufig vor. Alle ſolche widerrechtliche und verwerfliche Grauſamkeit wird von der
heutigen Kriegsſitte und dem civiliſirten Kriegsrecht als barbariſch unterſagt.
576.
Es iſt wider das Völkerrecht, die Unterthanen der feindlichen Staten
zu nöthigen, daß ſie in den Kriegsdienſt der ſiegenden Macht eintreten, ſo
lange nicht die Eroberung vollzogen und die Beſitznahme des eroberten
Landes als dauerhaft und feſtbegründet erſcheint.
1. Wenn auch die feindliche Kriegsgewalt, indem ſie ſich eines Landes be-
mächtigt, die bisherige Statsautorität verdrängt und ſich an ihre Stelle ſetzt (vgl.
oben § 540 f.), ſo iſt doch während des Kriegs der proviſoriſche Charakter die-
ſer Beſitznahme zu beachten und es gilt als unrechtmäßig, die Bewohner des nur
vorläufig beſetzten Landes zum Kriegsdienſt gegen ihr bisheriges Vaterland zu zwin-
gen. Die ſittliche Wirkung des bisherigen und ſtatsrechtlich nicht zerſtörten
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/343>, abgerufen am 23.11.2024.
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