neutral anerkannt und demgemäß von den Kriegführenden geschützt und geachtet werden, so lange sich Kranke oder Verwundete darin befinden.
Die Neutralität würde aufhören, wenn solche Ambulancen oder Spitäler mit militärischer Macht besetzt wären.
Erster Artikel des am 22. Aug. 1864 zu Genf abgeschlossenen Vertrags, um das Schicksal der Verwundeten im Krieg zu verbessern. Den Anstoß zu diesem Vertrag, einer der edelsten Errungenschaften der fortschreitenden Humanität, gab eine Schrift des Genfer Arztes Dunant, unter dem Titel: "Souvenir de Solferino", worin er die entsetzlichen Eindrücke schilderte, welche der Besuch des Schlachtfeldes von Solferino und der Militärspitäler auf ihn gemacht hatte. Der Präsident der Genfer Gemeinnützigen Gesellschaft, Moynier, nahm den Gedanken, daß die Krankenwagen zu neutralisiren seien, auf und beide Menschenfreunde wendeten sich nun an mehrere Regierungen, um deren Auf- merksamkeit auf die wichtige Frage zu lenken. Ueberall bildeten sich Vereine zu freiwilliger Krankenpflege für die verwundeten Krieger und zur Unterstützung der Verwundeten. Ein Jahrhundert früher schon, am 7. Sept. 1759, war zwischen Frankreich und Preußen ein Vertrag zu Stande gekommen, nach welchem die verwundeten Krieger geschont und verpflegt werden sol- len. Damals schon wurden die Spitäler als Asyle bezeichnet, welche auch im Kriege heilig zu achten seien. Eine internationale Versammlung von Commissären vieler Staten bildete nun, unter dem Vorsitz des Generals Dufour, den Gedanken der Neutralisirung weiter aus auf die ganze Pflege der Verwundeten und umgab ihn mit schützenden Garantien. So kam jener Vertrag zu Stande, welcher sofort im Namen der Staten Baden, Belgien, Dänemark, Frank- reich, Großbrittanien, Hessen-Darmstadt, Italien, Niederlande, Portugal, Preußen, Sachsen, Schweden und Norwegen, Schwerin, Spanien, Vereinigte Staten von Amerika und Würtemberg zuge- stimmt wurde. Erst nach dem deutschen Kriege von 1866 trat Oesterreich bei. Auch Rußland hat nun 1867 seine Zustimmung erklärt. Man darf daher wohl diesen Vertrag als den allgemeinen Ausdruck des heutigen Völkerrechts bezeichnen.
587.
Das Personal der Spitäler und Ambulancen für die Aufsicht und den Gesundheits-, Verwaltungs- und Krankentransportdienst, sowie die Feldprediger haben, so lange sie ihren Verrichtungen obliegen und Ver- wundete aufzuheben oder zu verpflegen sind, Theil an der Wohlthat der Neutralität.
Genfer Vertrag Art. 2.
Achtes Buch.
neutral anerkannt und demgemäß von den Kriegführenden geſchützt und geachtet werden, ſo lange ſich Kranke oder Verwundete darin befinden.
Die Neutralität würde aufhören, wenn ſolche Ambulancen oder Spitäler mit militäriſcher Macht beſetzt wären.
Erſter Artikel des am 22. Aug. 1864 zu Genf abgeſchloſſenen Vertrags, um das Schickſal der Verwundeten im Krieg zu verbeſſern. Den Anſtoß zu dieſem Vertrag, einer der edelſten Errungenſchaften der fortſchreitenden Humanität, gab eine Schrift des Genfer Arztes Dunant, unter dem Titel: „Souvenir de Solferino“, worin er die entſetzlichen Eindrücke ſchilderte, welche der Beſuch des Schlachtfeldes von Solferino und der Militärſpitäler auf ihn gemacht hatte. Der Präſident der Genfer Gemeinnützigen Geſellſchaft, Moynier, nahm den Gedanken, daß die Krankenwagen zu neutraliſiren ſeien, auf und beide Menſchenfreunde wendeten ſich nun an mehrere Regierungen, um deren Auf- merkſamkeit auf die wichtige Frage zu lenken. Ueberall bildeten ſich Vereine zu freiwilliger Krankenpflege für die verwundeten Krieger und zur Unterſtützung der Verwundeten. Ein Jahrhundert früher ſchon, am 7. Sept. 1759, war zwiſchen Frankreich und Preußen ein Vertrag zu Stande gekommen, nach welchem die verwundeten Krieger geſchont und verpflegt werden ſol- len. Damals ſchon wurden die Spitäler als Aſyle bezeichnet, welche auch im Kriege heilig zu achten ſeien. Eine internationale Verſammlung von Commiſſären vieler Staten bildete nun, unter dem Vorſitz des Generals Dufour, den Gedanken der Neutraliſirung weiter aus auf die ganze Pflege der Verwundeten und umgab ihn mit ſchützenden Garantien. So kam jener Vertrag zu Stande, welcher ſofort im Namen der Staten Baden, Belgien, Dänemark, Frank- reich, Großbrittanien, Heſſen-Darmſtadt, Italien, Niederlande, Portugal, Preußen, Sachſen, Schweden und Norwegen, Schwerin, Spanien, Vereinigte Staten von Amerika und Würtemberg zuge- ſtimmt wurde. Erſt nach dem deutſchen Kriege von 1866 trat Oeſterreich bei. Auch Rußland hat nun 1867 ſeine Zuſtimmung erklärt. Man darf daher wohl dieſen Vertrag als den allgemeinen Ausdruck des heutigen Völkerrechts bezeichnen.
587.
Das Perſonal der Spitäler und Ambulancen für die Aufſicht und den Geſundheits-, Verwaltungs- und Krankentransportdienſt, ſowie die Feldprediger haben, ſo lange ſie ihren Verrichtungen obliegen und Ver- wundete aufzuheben oder zu verpflegen ſind, Theil an der Wohlthat der Neutralität.
Genfer Vertrag Art. 2.
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neutral anerkannt und demgemäß von den Kriegführenden geſchützt und
geachtet werden, ſo lange ſich Kranke oder Verwundete darin befinden.
Die Neutralität würde aufhören, wenn ſolche Ambulancen oder
Spitäler mit militäriſcher Macht beſetzt wären.
Erſter Artikel des am 22. Aug. 1864 zu Genf abgeſchloſſenen Vertrags,
um das Schickſal der Verwundeten im Krieg zu verbeſſern. Den
Anſtoß zu dieſem Vertrag, einer der edelſten Errungenſchaften der fortſchreitenden
Humanität, gab eine Schrift des Genfer Arztes Dunant, unter dem Titel:
„Souvenir de Solferino“, worin er die entſetzlichen Eindrücke ſchilderte, welche der
Beſuch des Schlachtfeldes von Solferino und der Militärſpitäler auf ihn gemacht
hatte. Der Präſident der Genfer Gemeinnützigen Geſellſchaft, Moynier, nahm
den Gedanken, daß die Krankenwagen zu neutraliſiren ſeien, auf und
beide Menſchenfreunde wendeten ſich nun an mehrere Regierungen, um deren Auf-
merkſamkeit auf die wichtige Frage zu lenken. Ueberall bildeten ſich Vereine zu
freiwilliger Krankenpflege für die verwundeten Krieger und zur
Unterſtützung der Verwundeten. Ein Jahrhundert früher ſchon, am
7. Sept. 1759, war zwiſchen Frankreich und Preußen ein Vertrag zu Stande
gekommen, nach welchem die verwundeten Krieger geſchont und verpflegt werden ſol-
len. Damals ſchon wurden die Spitäler als Aſyle bezeichnet, welche auch im
Kriege heilig zu achten ſeien. Eine internationale Verſammlung von Commiſſären
vieler Staten bildete nun, unter dem Vorſitz des Generals Dufour, den Gedanken
der Neutraliſirung weiter aus auf die ganze Pflege der Verwundeten
und umgab ihn mit ſchützenden Garantien. So kam jener Vertrag zu Stande,
welcher ſofort im Namen der Staten Baden, Belgien, Dänemark, Frank-
reich, Großbrittanien, Heſſen-Darmſtadt, Italien, Niederlande,
Portugal, Preußen, Sachſen, Schweden und Norwegen, Schwerin,
Spanien, Vereinigte Staten von Amerika und Würtemberg zuge-
ſtimmt wurde. Erſt nach dem deutſchen Kriege von 1866 trat Oeſterreich bei. Auch
Rußland hat nun 1867 ſeine Zuſtimmung erklärt. Man darf daher wohl dieſen
Vertrag als den allgemeinen Ausdruck des heutigen Völkerrechts bezeichnen.
587.
Das Perſonal der Spitäler und Ambulancen für die Aufſicht und
den Geſundheits-, Verwaltungs- und Krankentransportdienſt, ſowie die
Feldprediger haben, ſo lange ſie ihren Verrichtungen obliegen und Ver-
wundete aufzuheben oder zu verpflegen ſind, Theil an der Wohlthat der
Neutralität.
Genfer Vertrag Art. 2.
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/348>, abgerufen am 22.11.2024.
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