ausgesetzt, friedliche Bewohner in Feindesland aber nur ausnahmsweise, insofern solches die Sicherheit des kriegführenden Heeres oder des krieg- führenden States erfordert.
1. Am. 49. Weil nur diejenigen Personen, welche am Kriege thätigen An- theil nehmen, verhindert werden sollen, die feindliche Macht zu verstärken, sind zunächst nur die Glieder des feindlichen Heereskörpers und voraus die Kämpfer der Kriegsgefan- genschaft ausgesetzt, nicht aber die friedlichen Personen. Der obige Unterschied zwischen feindlichen und friedlichen Personen kommt hier wieder zur Wirkung. Früher war man sich dessen weniger bewußt. Noch Vattel (III. § 148) erklärt es zwar für eine löbliche Sitte der neueren Kriegsführer, daß sie mindestens Weiber und Kinder nicht mehr zu Kriegsgefangenen machen. Aber er meint, das Recht der Generale, die Kriegsgefangenschaft auf alle Angehörige des Feindes, auch auf die friedlichsten Classen, zu erstrecken, sei nicht zu bezweifeln. Man würde einen General, der ohne Grund, aus Laune die ganze Bevölkerung kriegsgefangen machte, wohl für einen harten und rohen Mann halten, aber er würde das Völker- recht nicht verletzen. Seither ist aber die Sitte fester und das Recht selbst humaner geworden. Jeder unnöthige und launenhafte Angriff auf die persönliche Freiheit, jede unbegründete Knechtung friedlicher Menschen ist eine Verletzung des natürlichen Menschen- und des humanen Völkerrechts.
2. Allerdings sind auch solche Personen, welche nicht zum Heere gehören, und im übrigen einem friedlichen Berufe leben, dann der Kriegsgefangenschaft aus- gesetzt, wenn ihre Freiheit zu einer Gefahr wird für die Kriegspartei, welche an dem Orte die Macht hat. Diese ist berechtigt, z. B. feindlich gesinnte Journa- listen und Parteiführer ebenso zu Kriegsgefangenen zu machen, wie feindliche Officiere, weil sie wie diese die Macht des Feindes stärken und vergrößern, oder der herrschenden Kriegsmacht Schwierigkeiten und Verlegenheiten bereiten. Die offenbar activ-feindliche Gesinnung gibt Anlaß und Grund, sich dieser Feinde zu bemächtigen. Vgl. zu § 596.
595.
Die Nichtkämpfer im Heere und selbst solche Personen, welche sich dem Heere anschließen, ohne dazu zu gehören, Berichterstatter, Correspon- denten von Zeitungen, Lieferanten, können zu Kriegsgefangenen werden, wenn sich der Truppenkörper ergibt, an den sie sich angeschlossen haben, oder sie auf der Verfolgung ergriffen werden.
Am. 50. Indem sich diese Personen dem Heereskörper anschließen, werden sie in die Gefahren desselben verwickelt, und können sich nicht beschweren, wenn sie -- wenigstens vorläufig -- als feindliche Personen betrachtet und kriegsgefangen gemacht werden. Ein Grund aber, sie als Kriegsgefangen zu be-
Das Kriegsrecht.
ausgeſetzt, friedliche Bewohner in Feindesland aber nur ausnahmsweiſe, inſofern ſolches die Sicherheit des kriegführenden Heeres oder des krieg- führenden States erfordert.
1. Am. 49. Weil nur diejenigen Perſonen, welche am Kriege thätigen An- theil nehmen, verhindert werden ſollen, die feindliche Macht zu verſtärken, ſind zunächſt nur die Glieder des feindlichen Heereskörpers und voraus die Kämpfer der Kriegsgefan- genſchaft ausgeſetzt, nicht aber die friedlichen Perſonen. Der obige Unterſchied zwiſchen feindlichen und friedlichen Perſonen kommt hier wieder zur Wirkung. Früher war man ſich deſſen weniger bewußt. Noch Vattel (III. § 148) erklärt es zwar für eine löbliche Sitte der neueren Kriegsführer, daß ſie mindeſtens Weiber und Kinder nicht mehr zu Kriegsgefangenen machen. Aber er meint, das Recht der Generale, die Kriegsgefangenſchaft auf alle Angehörige des Feindes, auch auf die friedlichſten Claſſen, zu erſtrecken, ſei nicht zu bezweifeln. Man würde einen General, der ohne Grund, aus Laune die ganze Bevölkerung kriegsgefangen machte, wohl für einen harten und rohen Mann halten, aber er würde das Völker- recht nicht verletzen. Seither iſt aber die Sitte feſter und das Recht ſelbſt humaner geworden. Jeder unnöthige und launenhafte Angriff auf die perſönliche Freiheit, jede unbegründete Knechtung friedlicher Menſchen iſt eine Verletzung des natürlichen Menſchen- und des humanen Völkerrechts.
2. Allerdings ſind auch ſolche Perſonen, welche nicht zum Heere gehören, und im übrigen einem friedlichen Berufe leben, dann der Kriegsgefangenſchaft aus- geſetzt, wenn ihre Freiheit zu einer Gefahr wird für die Kriegspartei, welche an dem Orte die Macht hat. Dieſe iſt berechtigt, z. B. feindlich geſinnte Journa- liſten und Parteiführer ebenſo zu Kriegsgefangenen zu machen, wie feindliche Officiere, weil ſie wie dieſe die Macht des Feindes ſtärken und vergrößern, oder der herrſchenden Kriegsmacht Schwierigkeiten und Verlegenheiten bereiten. Die offenbar activ-feindliche Geſinnung gibt Anlaß und Grund, ſich dieſer Feinde zu bemächtigen. Vgl. zu § 596.
595.
Die Nichtkämpfer im Heere und ſelbſt ſolche Perſonen, welche ſich dem Heere anſchließen, ohne dazu zu gehören, Berichterſtatter, Correſpon- denten von Zeitungen, Lieferanten, können zu Kriegsgefangenen werden, wenn ſich der Truppenkörper ergibt, an den ſie ſich angeſchloſſen haben, oder ſie auf der Verfolgung ergriffen werden.
Am. 50. Indem ſich dieſe Perſonen dem Heereskörper anſchließen, werden ſie in die Gefahren desſelben verwickelt, und können ſich nicht beſchweren, wenn ſie — wenigſtens vorläufig — als feindliche Perſonen betrachtet und kriegsgefangen gemacht werden. Ein Grund aber, ſie als Kriegsgefangen zu be-
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Das Kriegsrecht.
ausgeſetzt, friedliche Bewohner in Feindesland aber nur ausnahmsweiſe,
inſofern ſolches die Sicherheit des kriegführenden Heeres oder des krieg-
führenden States erfordert.
1. Am. 49. Weil nur diejenigen Perſonen, welche am Kriege thätigen An-
theil nehmen, verhindert werden ſollen, die feindliche Macht zu verſtärken, ſind zunächſt
nur die Glieder des feindlichen Heereskörpers und voraus die Kämpfer der Kriegsgefan-
genſchaft ausgeſetzt, nicht aber die friedlichen Perſonen. Der obige Unterſchied zwiſchen
feindlichen und friedlichen Perſonen kommt hier wieder zur Wirkung.
Früher war man ſich deſſen weniger bewußt. Noch Vattel (III. § 148) erklärt
es zwar für eine löbliche Sitte der neueren Kriegsführer, daß ſie mindeſtens
Weiber und Kinder nicht mehr zu Kriegsgefangenen machen. Aber er meint,
das Recht der Generale, die Kriegsgefangenſchaft auf alle Angehörige des Feindes,
auch auf die friedlichſten Claſſen, zu erſtrecken, ſei nicht zu bezweifeln. Man würde
einen General, der ohne Grund, aus Laune die ganze Bevölkerung kriegsgefangen
machte, wohl für einen harten und rohen Mann halten, aber er würde das Völker-
recht nicht verletzen. Seither iſt aber die Sitte feſter und das Recht ſelbſt humaner
geworden. Jeder unnöthige und launenhafte Angriff auf die perſönliche
Freiheit, jede unbegründete Knechtung friedlicher Menſchen iſt eine Verletzung
des natürlichen Menſchen- und des humanen Völkerrechts.
2. Allerdings ſind auch ſolche Perſonen, welche nicht zum Heere gehören,
und im übrigen einem friedlichen Berufe leben, dann der Kriegsgefangenſchaft aus-
geſetzt, wenn ihre Freiheit zu einer Gefahr wird für die Kriegspartei, welche an dem
Orte die Macht hat. Dieſe iſt berechtigt, z. B. feindlich geſinnte Journa-
liſten und Parteiführer ebenſo zu Kriegsgefangenen zu machen, wie feindliche
Officiere, weil ſie wie dieſe die Macht des Feindes ſtärken und vergrößern, oder der
herrſchenden Kriegsmacht Schwierigkeiten und Verlegenheiten bereiten. Die offenbar
activ-feindliche Geſinnung gibt Anlaß und Grund, ſich dieſer Feinde zu
bemächtigen. Vgl. zu § 596.
595.
Die Nichtkämpfer im Heere und ſelbſt ſolche Perſonen, welche ſich
dem Heere anſchließen, ohne dazu zu gehören, Berichterſtatter, Correſpon-
denten von Zeitungen, Lieferanten, können zu Kriegsgefangenen werden,
wenn ſich der Truppenkörper ergibt, an den ſie ſich angeſchloſſen haben,
oder ſie auf der Verfolgung ergriffen werden.
Am. 50. Indem ſich dieſe Perſonen dem Heereskörper anſchließen, werden
ſie in die Gefahren desſelben verwickelt, und können ſich nicht beſchweren, wenn ſie
— wenigſtens vorläufig — als feindliche Perſonen betrachtet und
kriegsgefangen gemacht werden. Ein Grund aber, ſie als Kriegsgefangen zu be-
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/351>, abgerufen am 21.11.2024.
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