Am. 132. 133. Aehnlich verhält es sich mit der Ertheilung einer be- schränkten Freiheit an die Kriegsgefangenen, mit Bezug auf ihr Ehrenwort, daß sie dieselbe nicht zur Flucht mißbrauchen werden. Einem gefangenen Officier kann so verstattet werden, in einer Stadt frei zu leben auf sein Ehrenwort hin, daß er den Umkreis derselben nicht verlassen werde. Weigert er sich, das Ehrenwort zu geben, so ist der Nehmestat veranlaßt und berechtigt, ihn in sichern Gewahrsam zu bringen.
621.
Soldaten können das Ehrenwort nur durch Vermittlung ihrer Of- ficiere und auch diese nur mit Genehmigung ihres obersten Officiers geben, der zur Stelle ist.
Am. 126. 127. Weil das ganze Verhältniß eine politische und vorzüg- lich militärische Bedeutung hat, so bedarf es der Ermächtigung eines Officiers, dem ein Commando übertragen ist und darf nur, wenn ein solcher nicht da ist, von einem andern Officier eingegangen werden. Wenn kein Officier da ist, dann freilich können die Soldaten auch auf ihr persönliches Ehrenwort hin entlassen werden. Die Soldatenehre ist nicht auf die Officiere beschränkt. Wie man dem Eide der Soldaten vertraut, so kann man auch ihrem Ehrenwort vertrauen. Aber die Sitte des Ehrenworts beschränkt sich gewöhnlich auf die höher gebildeten Classen, und in- sofern kann es Bedenken haben, dasselbe bei gemeinen Soldaten, ohne Officier, zuzulassen.
622.
Während der Schlacht ist die Entlassung auf Ehrenwort nicht zu- lässig und unwirksam.
Am. 128. Wohl können sich während der Schlacht Truppentheile als Kriegs- gefangene ergeben, aber die Lösung des Verhältnisses auf Ehrenwort hin wird als der Kriegssitte zuwider betrachtet. Das amerikanische Statut geht weiter. Es er- klärt auch die Entlassung ganzer Truppenkörper nach der Schlacht auf Ehrenwort für unzulässig und unverbindlich, und ebenso die allgemeine Entlassung einer Menge Gefangener mit der bloßen Erklärung, daß sie auf Ehrenwort entlassen seien. Es bedarf vielmehr eines besondern persönlichen Acts.
623.
Die gewöhnliche Einsetzung des Ehrenworts hat den Sinn, daß der auf Ehrenwort Entlassene während des Kriegs nicht mehr gegen den ent- lassenden Stat kämpfen werde, außer es wäre für ihn später ein anderer
22*
Das Kriegsrecht.
Am. 132. 133. Aehnlich verhält es ſich mit der Ertheilung einer be- ſchränkten Freiheit an die Kriegsgefangenen, mit Bezug auf ihr Ehrenwort, daß ſie dieſelbe nicht zur Flucht mißbrauchen werden. Einem gefangenen Officier kann ſo verſtattet werden, in einer Stadt frei zu leben auf ſein Ehrenwort hin, daß er den Umkreis derſelben nicht verlaſſen werde. Weigert er ſich, das Ehrenwort zu geben, ſo iſt der Nehmeſtat veranlaßt und berechtigt, ihn in ſichern Gewahrſam zu bringen.
621.
Soldaten können das Ehrenwort nur durch Vermittlung ihrer Of- ficiere und auch dieſe nur mit Genehmigung ihres oberſten Officiers geben, der zur Stelle iſt.
Am. 126. 127. Weil das ganze Verhältniß eine politiſche und vorzüg- lich militäriſche Bedeutung hat, ſo bedarf es der Ermächtigung eines Officiers, dem ein Commando übertragen iſt und darf nur, wenn ein ſolcher nicht da iſt, von einem andern Officier eingegangen werden. Wenn kein Officier da iſt, dann freilich können die Soldaten auch auf ihr perſönliches Ehrenwort hin entlaſſen werden. Die Soldatenehre iſt nicht auf die Officiere beſchränkt. Wie man dem Eide der Soldaten vertraut, ſo kann man auch ihrem Ehrenwort vertrauen. Aber die Sitte des Ehrenworts beſchränkt ſich gewöhnlich auf die höher gebildeten Claſſen, und in- ſofern kann es Bedenken haben, dasſelbe bei gemeinen Soldaten, ohne Officier, zuzulaſſen.
622.
Während der Schlacht iſt die Entlaſſung auf Ehrenwort nicht zu- läſſig und unwirkſam.
Am. 128. Wohl können ſich während der Schlacht Truppentheile als Kriegs- gefangene ergeben, aber die Löſung des Verhältniſſes auf Ehrenwort hin wird als der Kriegsſitte zuwider betrachtet. Das amerikaniſche Statut geht weiter. Es er- klärt auch die Entlaſſung ganzer Truppenkörper nach der Schlacht auf Ehrenwort für unzuläſſig und unverbindlich, und ebenſo die allgemeine Entlaſſung einer Menge Gefangener mit der bloßen Erklärung, daß ſie auf Ehrenwort entlaſſen ſeien. Es bedarf vielmehr eines beſondern perſönlichen Acts.
623.
Die gewöhnliche Einſetzung des Ehrenworts hat den Sinn, daß der auf Ehrenwort Entlaſſene während des Kriegs nicht mehr gegen den ent- laſſenden Stat kämpfen werde, außer es wäre für ihn ſpäter ein anderer
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Das Kriegsrecht.
Am. 132. 133. Aehnlich verhält es ſich mit der Ertheilung einer be-
ſchränkten Freiheit an die Kriegsgefangenen, mit Bezug auf ihr Ehrenwort,
daß ſie dieſelbe nicht zur Flucht mißbrauchen werden. Einem gefangenen Officier
kann ſo verſtattet werden, in einer Stadt frei zu leben auf ſein Ehrenwort hin,
daß er den Umkreis derſelben nicht verlaſſen werde. Weigert er ſich, das Ehrenwort
zu geben, ſo iſt der Nehmeſtat veranlaßt und berechtigt, ihn in ſichern Gewahrſam
zu bringen.
621.
Soldaten können das Ehrenwort nur durch Vermittlung ihrer Of-
ficiere und auch dieſe nur mit Genehmigung ihres oberſten Officiers geben,
der zur Stelle iſt.
Am. 126. 127. Weil das ganze Verhältniß eine politiſche und vorzüg-
lich militäriſche Bedeutung hat, ſo bedarf es der Ermächtigung eines Officiers,
dem ein Commando übertragen iſt und darf nur, wenn ein ſolcher nicht da iſt, von
einem andern Officier eingegangen werden. Wenn kein Officier da iſt, dann freilich
können die Soldaten auch auf ihr perſönliches Ehrenwort hin entlaſſen werden.
Die Soldatenehre iſt nicht auf die Officiere beſchränkt. Wie man dem Eide der
Soldaten vertraut, ſo kann man auch ihrem Ehrenwort vertrauen. Aber die Sitte
des Ehrenworts beſchränkt ſich gewöhnlich auf die höher gebildeten Claſſen, und in-
ſofern kann es Bedenken haben, dasſelbe bei gemeinen Soldaten, ohne Officier,
zuzulaſſen.
622.
Während der Schlacht iſt die Entlaſſung auf Ehrenwort nicht zu-
läſſig und unwirkſam.
Am. 128. Wohl können ſich während der Schlacht Truppentheile als Kriegs-
gefangene ergeben, aber die Löſung des Verhältniſſes auf Ehrenwort hin wird als
der Kriegsſitte zuwider betrachtet. Das amerikaniſche Statut geht weiter. Es er-
klärt auch die Entlaſſung ganzer Truppenkörper nach der Schlacht auf Ehrenwort
für unzuläſſig und unverbindlich, und ebenſo die allgemeine Entlaſſung einer Menge
Gefangener mit der bloßen Erklärung, daß ſie auf Ehrenwort entlaſſen ſeien. Es
bedarf vielmehr eines beſondern perſönlichen Acts.
623.
Die gewöhnliche Einſetzung des Ehrenworts hat den Sinn, daß der
auf Ehrenwort Entlaſſene während des Kriegs nicht mehr gegen den ent-
laſſenden Stat kämpfen werde, außer es wäre für ihn ſpäter ein anderer
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/361>, abgerufen am 22.11.2024.
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