durch die Parlamentärflagge oder Fahne bezeichnet und genießen den Schutz des Völkerrechts.
Die Parlamentäre sind keine Gesante, weil sie nicht von der Statsgewalt und nicht zu Stellvertretern derselben ernannt sind, aber sie dienen als Boten der Kriegsparteien doch dazu, den Verkehr zwischen beiden in einzelnen Fällen und zu bestimmten Zwecken neu anzuknüpfen und eine Uebereinkunft der Gegner einzuleiten oder abzuschließen. Insofern haben sie eine ähnlich privilegirte Stellung. Sie dürfen nicht zu Kriegsgefangenen gemacht, sondern es muß ihnen freie und möglichst sichere Rückkehr gestattet werden.
682.
Der Befehlshaber der besendeten Truppen ist jedoch nicht verpflichtet, unter allen Umständen und jederzeit einen feindlichen Parlamentär zuzu- zulassen und anzuhören und er ist berechtigt, Vorsicht zu gebrauchen und Maßregeln zu treffen, damit der feindliche Parlamentär nicht seine An- wesenheit zum Nachtheil der Kriegsführung benutze.
683.
Wenn es entdeckt und unzweifelhaft erwiesen wird, daß der Par- lamentär seine privilegirte Stellung mißbraucht hat, um militärische Spio- nerei zu betreiben oder gefährliche Verschwörungen und Verrath anzustiften, so verliert er den Anspruch auf völkerrechtlichen Schutz und kann kriegs- rechtlich bestraft werden. Aber es bedarf eines völlig sicheren, jedermann erkennbaren Beweises der Schuld, damit nicht die Verurtheilung als Ver- letzung des Völkerrechts betrachtet werde.
Am. 114. Der Parlamentär darf wohl, ohne Verletzung des Völkerrechts, strenge überwacht und von jedem weitern Verkehr, als mit dem besendeten Be- fehlshaber abgesperrt werden. In manchen Fällen werden ihm die Augen verbunden, damit er nicht Dinge wahrnehme, welche man vor dem Feinde verbergen will. Denn ist er einmal wieder zurückgekehrt, so ist er durch Nichts verhindert, über Alles zu berichten, was er wahrgenommen hat.
684.
Wird der Träger einer Parlamentärflagge unversehens während eines Gefechtes verwundet oder getödtet, so gibt das keinen Grund zur
Achtes Buch.
durch die Parlamentärflagge oder Fahne bezeichnet und genießen den Schutz des Völkerrechts.
Die Parlamentäre ſind keine Geſante, weil ſie nicht von der Statsgewalt und nicht zu Stellvertretern derſelben ernannt ſind, aber ſie dienen als Boten der Kriegsparteien doch dazu, den Verkehr zwiſchen beiden in einzelnen Fällen und zu beſtimmten Zwecken neu anzuknüpfen und eine Uebereinkunft der Gegner einzuleiten oder abzuſchließen. Inſofern haben ſie eine ähnlich privilegirte Stellung. Sie dürfen nicht zu Kriegsgefangenen gemacht, ſondern es muß ihnen freie und möglichſt ſichere Rückkehr geſtattet werden.
682.
Der Befehlshaber der beſendeten Truppen iſt jedoch nicht verpflichtet, unter allen Umſtänden und jederzeit einen feindlichen Parlamentär zuzu- zulaſſen und anzuhören und er iſt berechtigt, Vorſicht zu gebrauchen und Maßregeln zu treffen, damit der feindliche Parlamentär nicht ſeine An- weſenheit zum Nachtheil der Kriegsführung benutze.
683.
Wenn es entdeckt und unzweifelhaft erwieſen wird, daß der Par- lamentär ſeine privilegirte Stellung mißbraucht hat, um militäriſche Spio- nerei zu betreiben oder gefährliche Verſchwörungen und Verrath anzuſtiften, ſo verliert er den Anſpruch auf völkerrechtlichen Schutz und kann kriegs- rechtlich beſtraft werden. Aber es bedarf eines völlig ſicheren, jedermann erkennbaren Beweiſes der Schuld, damit nicht die Verurtheilung als Ver- letzung des Völkerrechts betrachtet werde.
Am. 114. Der Parlamentär darf wohl, ohne Verletzung des Völkerrechts, ſtrenge überwacht und von jedem weitern Verkehr, als mit dem beſendeten Be- fehlshaber abgeſperrt werden. In manchen Fällen werden ihm die Augen verbunden, damit er nicht Dinge wahrnehme, welche man vor dem Feinde verbergen will. Denn iſt er einmal wieder zurückgekehrt, ſo iſt er durch Nichts verhindert, über Alles zu berichten, was er wahrgenommen hat.
684.
Wird der Träger einer Parlamentärflagge unverſehens während eines Gefechtes verwundet oder getödtet, ſo gibt das keinen Grund zur
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Achtes Buch.
durch die Parlamentärflagge oder Fahne bezeichnet und genießen den
Schutz des Völkerrechts.
Die Parlamentäre ſind keine Geſante, weil ſie nicht von der Statsgewalt
und nicht zu Stellvertretern derſelben ernannt ſind, aber ſie dienen als Boten der
Kriegsparteien doch dazu, den Verkehr zwiſchen beiden in einzelnen Fällen und zu
beſtimmten Zwecken neu anzuknüpfen und eine Uebereinkunft der Gegner einzuleiten
oder abzuſchließen. Inſofern haben ſie eine ähnlich privilegirte Stellung.
Sie dürfen nicht zu Kriegsgefangenen gemacht, ſondern es muß ihnen freie und
möglichſt ſichere Rückkehr geſtattet werden.
682.
Der Befehlshaber der beſendeten Truppen iſt jedoch nicht verpflichtet,
unter allen Umſtänden und jederzeit einen feindlichen Parlamentär zuzu-
zulaſſen und anzuhören und er iſt berechtigt, Vorſicht zu gebrauchen und
Maßregeln zu treffen, damit der feindliche Parlamentär nicht ſeine An-
weſenheit zum Nachtheil der Kriegsführung benutze.
683.
Wenn es entdeckt und unzweifelhaft erwieſen wird, daß der Par-
lamentär ſeine privilegirte Stellung mißbraucht hat, um militäriſche Spio-
nerei zu betreiben oder gefährliche Verſchwörungen und Verrath anzuſtiften,
ſo verliert er den Anſpruch auf völkerrechtlichen Schutz und kann kriegs-
rechtlich beſtraft werden. Aber es bedarf eines völlig ſicheren, jedermann
erkennbaren Beweiſes der Schuld, damit nicht die Verurtheilung als Ver-
letzung des Völkerrechts betrachtet werde.
Am. 114. Der Parlamentär darf wohl, ohne Verletzung des Völkerrechts,
ſtrenge überwacht und von jedem weitern Verkehr, als mit dem beſendeten Be-
fehlshaber abgeſperrt werden. In manchen Fällen werden ihm die Augen
verbunden, damit er nicht Dinge wahrnehme, welche man vor dem Feinde verbergen
will. Denn iſt er einmal wieder zurückgekehrt, ſo iſt er durch Nichts verhindert,
über Alles zu berichten, was er wahrgenommen hat.
684.
Wird der Träger einer Parlamentärflagge unverſehens während
eines Gefechtes verwundet oder getödtet, ſo gibt das keinen Grund zur
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/394>, abgerufen am 22.11.2024.
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