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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Achtes Buch.
Pologne. Il y aura amnistie pleine, generale et particuliere en faveur de
tous les individus de quelque rang, sexe, ou condition qu'ils puissent etre"

und ausführlicher Art. XXII.: Amnistie generale en Saxe. Aucun individu
domicilie dans les Provinces qui se trouvent sous la domination de Sa
Majeste le Roi de Saxe ne pourra, non plus qu'aucun individu domicilie
dans celles qui passent par le present Traite sous la domination de Sa
Majeste le Roi de Prusse, etre frappe dans sa personne, dans ses biens,
rentes, pensions et revenus de tout genre, dans son rang et ses dignites,
ni poursuivi ni recherche en aucune facon quelconque pour aucune part
qu'il ait pu politiquement ou militairement prendre aux evenements qui ont
eu lieu depuis le commencement de la guerre terminee par la paix conclue
a Paris le 30 Mai 1814"
.

2. Die Gründe der Amnestie, welche immerhin die regelmäßigen Rechtsgrund-
sätze in der Anwendung erheblich beschränkt, liegt nur in der Rücksicht auf die ex-
ceptionelle Natur des Kriegs
und in dem allgemeinen Friedens-
bedürfniß
. Dieselbe darf daher nicht darüber hinaus auch auf Zerstörung solcher
Klagen wirken, welche mit dem Kriege nichts zu schaffen haben und deren Durch-
führung den Frieden nicht gefährdet.

Dahin gehören:

a) privatrechtliche Klagen aus Rechtsgeschäften, z. B. Lieferungs-
verträgen oder Gelddarlehen, Loskauf von Gefangenen, welche während
des Kriegs abgeschlossen worden sind,
b) privatrechtliche Klagen, welche aus einem ältern, vor dem Kriege
abgeschlossenen Rechtsgeschäft sich ergeben,
c) privatrechtliche Klagen, welche aus einem Rechtsgrunde abgeleitet
sind, welche keinen Bezug auf die Kriegsführung hat und nicht zu den
Handlungen feindlicher Parteileidenschaft gehört.

Vgl. Wheaton Int. Law. § 544. Heffter § 180.

711.

Die Amnestie begreift in der Regel auch die Missethaten -- Ver-
wundungen, Tödtungen, Mißhandlungen, Schädigungen des Eigenthums,
Plünderung --, die von Kriegsleuten verübt worden, aber während des
Kriegs nicht kriegsrechtlich zur Rechenschaft gezogen worden sind.

Die Aussicht auf die künftige Amnestie ist freilich für die Rechtssicherheit sehr
bedenklich. Die Privaten haben deßhalb gegen militärische Excesse fast keinen andern
Rechtsschutz, als den die militärische Disciplin und die Kriegsgerichte
gewähren. Die Strafe, welche die Kriegsgerichte verhängen, wird aber durch die
Amnestie nicht beseitigt. Gewöhnlich schützt die Amnestie auch die andern Personen,
außer den Kriegsleuten, welche sich einer Rechtsverletzung aus Parteileidenschaft
schuldig gemacht haben.

Achtes Buch.
Pologne. Il y aura amnistie pleine, générale et particulière en faveur de
tous les individus de quelque rang, sexe, ou condition qu’ils puissent être“

und ausführlicher Art. XXII.: Amnistie générale en Saxe. Aucun individu
domicilié dans les Provinces qui se trouvent sous la domination de Sa
Majesté le Roi de Saxe ne pourra, non plus qu’aucun individu domicilié
dans celles qui passent par le présent Traité sous la domination de Sa
Majesté le Roi de Prusse, être frappé dans sa personne, dans ses biens,
rentes, pensions et revenus de tout genre, dans son rang et ses dignités,
ni poursuivi ni recherché en aucune façon quelconque pour aucune part
qu’il ait pu politiquement ou militairement prendre aux évènements qui ont
eu lieu depuis le commencement de la guerre terminèe par la paix conclue
à Paris le 30 Mai 1814“
.

2. Die Gründe der Amneſtie, welche immerhin die regelmäßigen Rechtsgrund-
ſätze in der Anwendung erheblich beſchränkt, liegt nur in der Rückſicht auf die ex-
ceptionelle Natur des Kriegs
und in dem allgemeinen Friedens-
bedürfniß
. Dieſelbe darf daher nicht darüber hinaus auch auf Zerſtörung ſolcher
Klagen wirken, welche mit dem Kriege nichts zu ſchaffen haben und deren Durch-
führung den Frieden nicht gefährdet.

Dahin gehören:

a) privatrechtliche Klagen aus Rechtsgeſchäften, z. B. Lieferungs-
verträgen oder Gelddarlehen, Loskauf von Gefangenen, welche während
des Kriegs abgeſchloſſen worden ſind,
b) privatrechtliche Klagen, welche aus einem ältern, vor dem Kriege
abgeſchloſſenen Rechtsgeſchäft ſich ergeben,
c) privatrechtliche Klagen, welche aus einem Rechtsgrunde abgeleitet
ſind, welche keinen Bezug auf die Kriegsführung hat und nicht zu den
Handlungen feindlicher Parteileidenſchaft gehört.

Vgl. Wheaton Int. Law. § 544. Heffter § 180.

711.

Die Amneſtie begreift in der Regel auch die Miſſethaten — Ver-
wundungen, Tödtungen, Mißhandlungen, Schädigungen des Eigenthums,
Plünderung —, die von Kriegsleuten verübt worden, aber während des
Kriegs nicht kriegsrechtlich zur Rechenſchaft gezogen worden ſind.

Die Ausſicht auf die künftige Amneſtie iſt freilich für die Rechtsſicherheit ſehr
bedenklich. Die Privaten haben deßhalb gegen militäriſche Exceſſe faſt keinen andern
Rechtsſchutz, als den die militäriſche Disciplin und die Kriegsgerichte
gewähren. Die Strafe, welche die Kriegsgerichte verhängen, wird aber durch die
Amneſtie nicht beſeitigt. Gewöhnlich ſchützt die Amneſtie auch die andern Perſonen,
außer den Kriegsleuten, welche ſich einer Rechtsverletzung aus Parteileidenſchaft
ſchuldig gemacht haben.

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[386/0408] Achtes Buch. Pologne. Il y aura amnistie pleine, générale et particulière en faveur de tous les individus de quelque rang, sexe, ou condition qu’ils puissent être“ und ausführlicher Art. XXII.: Amnistie générale en Saxe. Aucun individu domicilié dans les Provinces qui se trouvent sous la domination de Sa Majesté le Roi de Saxe ne pourra, non plus qu’aucun individu domicilié dans celles qui passent par le présent Traité sous la domination de Sa Majesté le Roi de Prusse, être frappé dans sa personne, dans ses biens, rentes, pensions et revenus de tout genre, dans son rang et ses dignités, ni poursuivi ni recherché en aucune façon quelconque pour aucune part qu’il ait pu politiquement ou militairement prendre aux évènements qui ont eu lieu depuis le commencement de la guerre terminèe par la paix conclue à Paris le 30 Mai 1814“. 2. Die Gründe der Amneſtie, welche immerhin die regelmäßigen Rechtsgrund- ſätze in der Anwendung erheblich beſchränkt, liegt nur in der Rückſicht auf die ex- ceptionelle Natur des Kriegs und in dem allgemeinen Friedens- bedürfniß. Dieſelbe darf daher nicht darüber hinaus auch auf Zerſtörung ſolcher Klagen wirken, welche mit dem Kriege nichts zu ſchaffen haben und deren Durch- führung den Frieden nicht gefährdet. Dahin gehören: a) privatrechtliche Klagen aus Rechtsgeſchäften, z. B. Lieferungs- verträgen oder Gelddarlehen, Loskauf von Gefangenen, welche während des Kriegs abgeſchloſſen worden ſind, b) privatrechtliche Klagen, welche aus einem ältern, vor dem Kriege abgeſchloſſenen Rechtsgeſchäft ſich ergeben, c) privatrechtliche Klagen, welche aus einem Rechtsgrunde abgeleitet ſind, welche keinen Bezug auf die Kriegsführung hat und nicht zu den Handlungen feindlicher Parteileidenſchaft gehört. Vgl. Wheaton Int. Law. § 544. Heffter § 180. 711. Die Amneſtie begreift in der Regel auch die Miſſethaten — Ver- wundungen, Tödtungen, Mißhandlungen, Schädigungen des Eigenthums, Plünderung —, die von Kriegsleuten verübt worden, aber während des Kriegs nicht kriegsrechtlich zur Rechenſchaft gezogen worden ſind. Die Ausſicht auf die künftige Amneſtie iſt freilich für die Rechtsſicherheit ſehr bedenklich. Die Privaten haben deßhalb gegen militäriſche Exceſſe faſt keinen andern Rechtsſchutz, als den die militäriſche Disciplin und die Kriegsgerichte gewähren. Die Strafe, welche die Kriegsgerichte verhängen, wird aber durch die Amneſtie nicht beſeitigt. Gewöhnlich ſchützt die Amneſtie auch die andern Perſonen, außer den Kriegsleuten, welche ſich einer Rechtsverletzung aus Parteileidenſchaft ſchuldig gemacht haben.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/408>, abgerufen am 22.11.2024.