1. Zu a) Vgl. zu 829 u. 832. Das neutrale Schiff kann sich aber nicht allezeit damit ausreden, daß es zwar von der Blocade Kenntniß gehabt, aber vorerst habe nachsehen wollen, ob dieselbe auch wirklich gehandhabt werde. Der Kriegsstat kann nicht zugeben, daß der Versuch, die Blocade zu brechen, sich hinter den Vorwand dieser Prüfung verstecke, um ohne Gefahr der Wegnahme unternommen zu werden. Nur wenn aus den Umständen, z. B. wegen der großen Entfernung, klar wird, daß das kein bloßer Vorwand und Deckmantel sei für die Durchfahrt trotz der Blocade, ist das neutrale Schiff frei zu erklären.
2. Zu b) So lange sich das neutrale Schiff nur vorbereitet, vielleicht noch im Hafen, um je nach Umständen die Fahrt zu wagen, darf es nicht ge- nommen werden, weil es die Blocade noch nicht verletzt hat. Es kann noch immer seinen Vorsatz ändern, und nicht schon der Wille, sondern erst die That wird durch das Völkerrecht bedroht. Aus diesem Grunde darf das Schiff auch, so lange es in großer Entfernung von dem blokirten Hafen ist, noch nicht weg- genommen werden, denn noch kann es seinen Lauf ändern und die Blocade beachten. Erst wenn es sich soweit annähert, daß darin der Versuch offenbar wird, trotz der Blocade durchzufahren, wird es der Wegnahme ausgesetzt.
3. Bei der Beurtheilung dieser Bedingungen des Blocaderechts und der Blo- cadepflicht ist voraus auf den guten Glauben (bona fides) zu achten, der aus den Umständen erschlossen wird. Man darf nicht übeln Willen ver- muthen, aber sich auch nicht durch die bloße Behauptung des guten Glaubens irreführen lassen.
4. Die bewaffnete Neutralität von 1800 versuchte es, noch strengere Bedin- gungen festzusetzen, insbesondere außer der vorherigen individuellen Warnung auch den offenbaren Versuch, "mit Gewalt oder List" -- en emploiant la force ou la ruse -- durchzudringen. Diese Bestimmung wurde aber in den englisch-russischen Vertrag von 1801 nicht aufgenommen und ein Beweis der versuchten Gewalt oder List wird auch von der neueren Praxis nicht gefordert.
836.
Die blokirende Kriegsmacht ist nicht berechtigt, ein neutrales Schiff außerhalb der blokirten Gewässer zu nehmen, selbst dann nicht, wenn das- selbe der Blocade glücklich entkommen ist.
Die Verfolgung freilich kann sich über die blokirten Gewässer hinaus er- strecken, nicht aber darf der Angriff außerhalb dieses Gebiets unternommen wer- den. Die Blocade ist nach ihrer Natur an eine bestimmte Oertlichkeit gebunden. Dort wird sie gehandhabt und dort allein, nicht auf dem weiten Meer überhaupt macht sie sich geltend. Das entkommene Schiff wird sich daher davor hüten müssen, daß es nicht wieder auf dem Rückweg dem Blocadegeschwader in die Hände fällt. Aber wenn es nach der glücklichen Durchfahrt in einen nicht blokirten Hafen eingelaufen ist, so kann es ungehindert von da die neutrale Reise fortsetzen. Vgl.
Recht der Neutralität.
1. Zu a) Vgl. zu 829 u. 832. Das neutrale Schiff kann ſich aber nicht allezeit damit ausreden, daß es zwar von der Blocade Kenntniß gehabt, aber vorerſt habe nachſehen wollen, ob dieſelbe auch wirklich gehandhabt werde. Der Kriegsſtat kann nicht zugeben, daß der Verſuch, die Blocade zu brechen, ſich hinter den Vorwand dieſer Prüfung verſtecke, um ohne Gefahr der Wegnahme unternommen zu werden. Nur wenn aus den Umſtänden, z. B. wegen der großen Entfernung, klar wird, daß das kein bloßer Vorwand und Deckmantel ſei für die Durchfahrt trotz der Blocade, iſt das neutrale Schiff frei zu erklären.
2. Zu b) So lange ſich das neutrale Schiff nur vorbereitet, vielleicht noch im Hafen, um je nach Umſtänden die Fahrt zu wagen, darf es nicht ge- nommen werden, weil es die Blocade noch nicht verletzt hat. Es kann noch immer ſeinen Vorſatz ändern, und nicht ſchon der Wille, ſondern erſt die That wird durch das Völkerrecht bedroht. Aus dieſem Grunde darf das Schiff auch, ſo lange es in großer Entfernung von dem blokirten Hafen iſt, noch nicht weg- genommen werden, denn noch kann es ſeinen Lauf ändern und die Blocade beachten. Erſt wenn es ſich ſoweit annähert, daß darin der Verſuch offenbar wird, trotz der Blocade durchzufahren, wird es der Wegnahme ausgeſetzt.
3. Bei der Beurtheilung dieſer Bedingungen des Blocaderechts und der Blo- cadepflicht iſt voraus auf den guten Glauben (bona fides) zu achten, der aus den Umſtänden erſchloſſen wird. Man darf nicht übeln Willen ver- muthen, aber ſich auch nicht durch die bloße Behauptung des guten Glaubens irreführen laſſen.
4. Die bewaffnete Neutralität von 1800 verſuchte es, noch ſtrengere Bedin- gungen feſtzuſetzen, insbeſondere außer der vorherigen individuellen Warnung auch den offenbaren Verſuch, „mit Gewalt oder Liſt“ — en emploiant la force ou la ruse — durchzudringen. Dieſe Beſtimmung wurde aber in den engliſch-ruſſiſchen Vertrag von 1801 nicht aufgenommen und ein Beweis der verſuchten Gewalt oder Liſt wird auch von der neueren Praxis nicht gefordert.
836.
Die blokirende Kriegsmacht iſt nicht berechtigt, ein neutrales Schiff außerhalb der blokirten Gewäſſer zu nehmen, ſelbſt dann nicht, wenn das- ſelbe der Blocade glücklich entkommen iſt.
Die Verfolgung freilich kann ſich über die blokirten Gewäſſer hinaus er- ſtrecken, nicht aber darf der Angriff außerhalb dieſes Gebiets unternommen wer- den. Die Blocade iſt nach ihrer Natur an eine beſtimmte Oertlichkeit gebunden. Dort wird ſie gehandhabt und dort allein, nicht auf dem weiten Meer überhaupt macht ſie ſich geltend. Das entkommene Schiff wird ſich daher davor hüten müſſen, daß es nicht wieder auf dem Rückweg dem Blocadegeſchwader in die Hände fällt. Aber wenn es nach der glücklichen Durchfahrt in einen nicht blokirten Hafen eingelaufen iſt, ſo kann es ungehindert von da die neutrale Reiſe fortſetzen. Vgl.
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Recht der Neutralität.
1. Zu a) Vgl. zu 829 u. 832. Das neutrale Schiff kann ſich aber nicht
allezeit damit ausreden, daß es zwar von der Blocade Kenntniß gehabt, aber vorerſt
habe nachſehen wollen, ob dieſelbe auch wirklich gehandhabt werde. Der Kriegsſtat
kann nicht zugeben, daß der Verſuch, die Blocade zu brechen, ſich hinter den Vorwand
dieſer Prüfung verſtecke, um ohne Gefahr der Wegnahme unternommen zu werden.
Nur wenn aus den Umſtänden, z. B. wegen der großen Entfernung, klar wird, daß
das kein bloßer Vorwand und Deckmantel ſei für die Durchfahrt trotz der Blocade,
iſt das neutrale Schiff frei zu erklären.
2. Zu b) So lange ſich das neutrale Schiff nur vorbereitet, vielleicht
noch im Hafen, um je nach Umſtänden die Fahrt zu wagen, darf es nicht ge-
nommen werden, weil es die Blocade noch nicht verletzt hat. Es kann noch
immer ſeinen Vorſatz ändern, und nicht ſchon der Wille, ſondern erſt die That
wird durch das Völkerrecht bedroht. Aus dieſem Grunde darf das Schiff auch, ſo
lange es in großer Entfernung von dem blokirten Hafen iſt, noch nicht weg-
genommen werden, denn noch kann es ſeinen Lauf ändern und die Blocade beachten.
Erſt wenn es ſich ſoweit annähert, daß darin der Verſuch offenbar wird, trotz
der Blocade durchzufahren, wird es der Wegnahme ausgeſetzt.
3. Bei der Beurtheilung dieſer Bedingungen des Blocaderechts und der Blo-
cadepflicht iſt voraus auf den guten Glauben (bona fides) zu achten, der
aus den Umſtänden erſchloſſen wird. Man darf nicht übeln Willen ver-
muthen, aber ſich auch nicht durch die bloße Behauptung des guten
Glaubens irreführen laſſen.
4. Die bewaffnete Neutralität von 1800 verſuchte es, noch ſtrengere Bedin-
gungen feſtzuſetzen, insbeſondere außer der vorherigen individuellen Warnung auch
den offenbaren Verſuch, „mit Gewalt oder Liſt“ — en emploiant la force ou
la ruse — durchzudringen. Dieſe Beſtimmung wurde aber in den engliſch-ruſſiſchen
Vertrag von 1801 nicht aufgenommen und ein Beweis der verſuchten Gewalt oder
Liſt wird auch von der neueren Praxis nicht gefordert.
836.
Die blokirende Kriegsmacht iſt nicht berechtigt, ein neutrales Schiff
außerhalb der blokirten Gewäſſer zu nehmen, ſelbſt dann nicht, wenn das-
ſelbe der Blocade glücklich entkommen iſt.
Die Verfolgung freilich kann ſich über die blokirten Gewäſſer hinaus er-
ſtrecken, nicht aber darf der Angriff außerhalb dieſes Gebiets unternommen wer-
den. Die Blocade iſt nach ihrer Natur an eine beſtimmte Oertlichkeit gebunden.
Dort wird ſie gehandhabt und dort allein, nicht auf dem weiten Meer überhaupt
macht ſie ſich geltend. Das entkommene Schiff wird ſich daher davor hüten
müſſen, daß es nicht wieder auf dem Rückweg dem Blocadegeſchwader in die Hände
fällt. Aber wenn es nach der glücklichen Durchfahrt in einen nicht blokirten Hafen
eingelaufen iſt, ſo kann es ungehindert von da die neutrale Reiſe fortſetzen. Vgl.
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/475>, abgerufen am 22.11.2024.
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