Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.Einleitung. mehr muß dieses der Noth des States weichen. Aber sogar in diesemäußersten Falle erkennt die heutige Kriegsgewalt, soweit nicht das Recht zur Besteuerung oder das Recht auf Kriegslasten (Fuhrwerke, Einquar- tirung) die Forderung unentgeltlicher (wenigstens vorläufig unentgeltlicher) Leistungen rechtfertigt, die Pflicht schatzungsgemäßer Entschädigung an, und zieht die geordnete Auferlegung von Contributionen auch der aus Noth erlaubten Marode entschieden vor. Am wenigsten ist es den Kriegsleuten gestattet, die Hauswirthe, bei Nur ganz ausnahmsweise wird im heutigen Landkriege noch die Ebenso wird dem Sieger gewöhnlich noch verstattet, dem todt auf Zuweilen vertheidigt man noch heute die Erlaubniß zur Plünderung Einleitung. mehr muß dieſes der Noth des States weichen. Aber ſogar in dieſemäußerſten Falle erkennt die heutige Kriegsgewalt, ſoweit nicht das Recht zur Beſteuerung oder das Recht auf Kriegslaſten (Fuhrwerke, Einquar- tirung) die Forderung unentgeltlicher (wenigſtens vorläufig unentgeltlicher) Leiſtungen rechtfertigt, die Pflicht ſchatzungsgemäßer Entſchädigung an, und zieht die geordnete Auferlegung von Contributionen auch der aus Noth erlaubten Marode entſchieden vor. Am wenigſten iſt es den Kriegsleuten geſtattet, die Hauswirthe, bei Nur ganz ausnahmsweiſe wird im heutigen Landkriege noch die Ebenſo wird dem Sieger gewöhnlich noch verſtattet, dem todt auf Zuweilen vertheidigt man noch heute die Erlaubniß zur Plünderung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0061" n="39"/><fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/> mehr muß dieſes der Noth des States weichen. Aber ſogar in dieſem<lb/> äußerſten Falle erkennt die heutige Kriegsgewalt, ſoweit nicht das Recht<lb/> zur Beſteuerung oder das Recht auf Kriegslaſten (Fuhrwerke, Einquar-<lb/> tirung) die Forderung unentgeltlicher (wenigſtens vorläufig unentgeltlicher)<lb/> Leiſtungen rechtfertigt, die Pflicht ſchatzungsgemäßer Entſchädigung an, und<lb/> zieht die geordnete Auferlegung von Contributionen auch der aus Noth<lb/> erlaubten Marode entſchieden vor.</p><lb/> <p>Am wenigſten iſt es den Kriegsleuten geſtattet, die Hauswirthe, bei<lb/> denen ſie einquartirt werden, zu beſchädigen und zu beſtehlen. Wo der-<lb/> gleichen Unfug und Unrecht noch gelegentlich vorkommt und, ſei es aus<lb/> Rachſucht oder aus Gewinnſucht, auch von den Officieren noch geduldet<lb/> wird, da geſchieht dies nicht mehr im Sinne ſondern mit Widerſpruch des<lb/> heutigen Kriegsrechts. Die Ehre einer disciplinirten Armee und der<lb/> civiliſirten Kriegsführung fordert ſtrenge Beſtrafung ſolcher Mißbräuche und<lb/> Miſſethaten.</p><lb/> <p>Nur ganz ausnahmsweiſe wird im heutigen Landkriege noch die<lb/> Beute geſtattet. Die <hi rendition="#g">Kriegsrüſtung</hi> insbeſondere der bewehrten Feinde,<lb/> ihre Waffen und Pferde ſind heute noch Gegenſtand erlaubter Beute, weil<lb/> vor der nahen Beziehung dieſer Sachen zur Kampfesführung die Rückſicht<lb/> auf das Privateigenthum zurück tritt. Dieſe Sachen dienen dem Krieg<lb/> und verfallen deshalb dem Sieger. Dagegen gilt es bereits als unwürdig<lb/> und dem civiliſirten Kriegsrechte nicht mehr entſprechend, dem beſiegten<lb/> Gegner ſein Geld oder ſeine Kleinode wegzunehmen. Auch der Kriegs-<lb/> gefangene bleibt Privateigenthümer. Nur wenn ein Officier große Geld-<lb/> ſummen mit ſich führt, ſo werden dieſe nicht als Privatgut, ſondern als<lb/> Kriegsmittel und Kriegsgut betrachtet.</p><lb/> <p>Ebenſo wird dem Sieger gewöhnlich noch verſtattet, dem todt auf<lb/> dem Schlachtfeld gebliebenen Feinde die Habe wegzunehmen, die er zurück-<lb/> läßt. Die völlige Unſicherheit dieſer Verlaſſenſchaft läßt die Wegnahme<lb/> in milderem Lichte erſcheinen. Indeſſen der ehrenhafte Sieger wird ſolche<lb/> Sachen doch nur inſofern behalten, als er die rechtmäßigen Erben nicht<lb/> kennt, und ſie herausgeben, ſobald Jemand ein beſſeres Recht daran nach-<lb/> weiſt. Die heimliche Marode aber den Schlachtfeldern nachſchleichender<lb/> Diebe wird nicht mehr geduldet, ſondern als ein ſchweres Verbrechen<lb/> beſtraft.</p><lb/> <p>Zuweilen vertheidigt man noch heute die Erlaubniß zur Plünderung<lb/> eines hartnäckig vertheidigten Platzes, mit dem Bedürfniß der Kriegsfüh-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0061]
Einleitung.
mehr muß dieſes der Noth des States weichen. Aber ſogar in dieſem
äußerſten Falle erkennt die heutige Kriegsgewalt, ſoweit nicht das Recht
zur Beſteuerung oder das Recht auf Kriegslaſten (Fuhrwerke, Einquar-
tirung) die Forderung unentgeltlicher (wenigſtens vorläufig unentgeltlicher)
Leiſtungen rechtfertigt, die Pflicht ſchatzungsgemäßer Entſchädigung an, und
zieht die geordnete Auferlegung von Contributionen auch der aus Noth
erlaubten Marode entſchieden vor.
Am wenigſten iſt es den Kriegsleuten geſtattet, die Hauswirthe, bei
denen ſie einquartirt werden, zu beſchädigen und zu beſtehlen. Wo der-
gleichen Unfug und Unrecht noch gelegentlich vorkommt und, ſei es aus
Rachſucht oder aus Gewinnſucht, auch von den Officieren noch geduldet
wird, da geſchieht dies nicht mehr im Sinne ſondern mit Widerſpruch des
heutigen Kriegsrechts. Die Ehre einer disciplinirten Armee und der
civiliſirten Kriegsführung fordert ſtrenge Beſtrafung ſolcher Mißbräuche und
Miſſethaten.
Nur ganz ausnahmsweiſe wird im heutigen Landkriege noch die
Beute geſtattet. Die Kriegsrüſtung insbeſondere der bewehrten Feinde,
ihre Waffen und Pferde ſind heute noch Gegenſtand erlaubter Beute, weil
vor der nahen Beziehung dieſer Sachen zur Kampfesführung die Rückſicht
auf das Privateigenthum zurück tritt. Dieſe Sachen dienen dem Krieg
und verfallen deshalb dem Sieger. Dagegen gilt es bereits als unwürdig
und dem civiliſirten Kriegsrechte nicht mehr entſprechend, dem beſiegten
Gegner ſein Geld oder ſeine Kleinode wegzunehmen. Auch der Kriegs-
gefangene bleibt Privateigenthümer. Nur wenn ein Officier große Geld-
ſummen mit ſich führt, ſo werden dieſe nicht als Privatgut, ſondern als
Kriegsmittel und Kriegsgut betrachtet.
Ebenſo wird dem Sieger gewöhnlich noch verſtattet, dem todt auf
dem Schlachtfeld gebliebenen Feinde die Habe wegzunehmen, die er zurück-
läßt. Die völlige Unſicherheit dieſer Verlaſſenſchaft läßt die Wegnahme
in milderem Lichte erſcheinen. Indeſſen der ehrenhafte Sieger wird ſolche
Sachen doch nur inſofern behalten, als er die rechtmäßigen Erben nicht
kennt, und ſie herausgeben, ſobald Jemand ein beſſeres Recht daran nach-
weiſt. Die heimliche Marode aber den Schlachtfeldern nachſchleichender
Diebe wird nicht mehr geduldet, ſondern als ein ſchweres Verbrechen
beſtraft.
Zuweilen vertheidigt man noch heute die Erlaubniß zur Plünderung
eines hartnäckig vertheidigten Platzes, mit dem Bedürfniß der Kriegsfüh-
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