Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.Begründung. Natur und Gränzen des Völkerrechts. der Mangel einer völkerrechtlichen Gesetzgebung erhöht den Werth der secundärenRechtsquellen. Indem die Wissenschaft vornehmlich das Völkerrecht vernunftmäßig begründet und mit Autorität verkündet, hilft sie jene Lücke ausfüllen. Hugo Groot hat in seinem berühmten Werk, welches die Grundlage der neuern Wissenschaft vom Völkerrecht geworden ist, sich vornehmlich auf die Zeugnisse weiser Männer berufen, und ist dann selber wieder zur Autorität für die Nachfolger geworden. Wenn heute Wheaton und Phillimore, Wildmann und Kent, Heffter und Oppen- heim einig sind in der Darstellung eines Rechtssatzes, so wird man, auch ohne ver- tragsmäßige Beurkundung und trotz zweifelhafter Uebung geneigt sein, denselben als modernes Völkerrecht zu betrachten. Freilich hat die kritische Prüfung den Aussprü- chen der Schriftsteller gegenüber eine größere Freiheit als bezüglich des Vertragsrechts. Begründung. Natur und Gränzen des Völkerrechts. der Mangel einer völkerrechtlichen Geſetzgebung erhöht den Werth der ſecundärenRechtsquellen. Indem die Wiſſenſchaft vornehmlich das Völkerrecht vernunftmäßig begründet und mit Autorität verkündet, hilft ſie jene Lücke ausfüllen. Hugo Groot hat in ſeinem berühmten Werk, welches die Grundlage der neuern Wiſſenſchaft vom Völkerrecht geworden iſt, ſich vornehmlich auf die Zeugniſſe weiſer Männer berufen, und iſt dann ſelber wieder zur Autorität für die Nachfolger geworden. Wenn heute Wheaton und Phillimore, Wildmann und Kent, Heffter und Oppen- heim einig ſind in der Darſtellung eines Rechtsſatzes, ſo wird man, auch ohne ver- tragsmäßige Beurkundung und trotz zweifelhafter Uebung geneigt ſein, denſelben als modernes Völkerrecht zu betrachten. Freilich hat die kritiſche Prüfung den Ausſprü- chen der Schriftſteller gegenüber eine größere Freiheit als bezüglich des Vertragsrechts. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0083" n="61"/><fw place="top" type="header">Begründung. Natur und Gränzen des Völkerrechts.</fw><lb/> der Mangel einer völkerrechtlichen Geſetzgebung erhöht den Werth der ſecundären<lb/> Rechtsquellen. Indem die Wiſſenſchaft vornehmlich das Völkerrecht vernunftmäßig<lb/> begründet und mit Autorität verkündet, hilft ſie jene Lücke ausfüllen. Hugo Groot<lb/> hat in ſeinem berühmten Werk, welches die Grundlage der neuern Wiſſenſchaft vom<lb/> Völkerrecht geworden iſt, ſich vornehmlich auf die Zeugniſſe weiſer Männer berufen,<lb/> und iſt dann ſelber wieder zur Autorität für die Nachfolger geworden. Wenn heute<lb/><hi rendition="#g">Wheaton</hi> und <hi rendition="#g">Phillimore, Wildmann</hi> und <hi rendition="#g">Kent, Heffter</hi> und <hi rendition="#g">Oppen-<lb/> heim</hi> einig ſind in der Darſtellung eines Rechtsſatzes, ſo wird man, auch ohne ver-<lb/> tragsmäßige Beurkundung und trotz zweifelhafter Uebung geneigt ſein, denſelben als<lb/> modernes Völkerrecht zu betrachten. Freilich hat die kritiſche Prüfung den Ausſprü-<lb/> chen der Schriftſteller gegenüber eine größere Freiheit als bezüglich des Vertragsrechts.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [61/0083]
Begründung. Natur und Gränzen des Völkerrechts.
der Mangel einer völkerrechtlichen Geſetzgebung erhöht den Werth der ſecundären
Rechtsquellen. Indem die Wiſſenſchaft vornehmlich das Völkerrecht vernunftmäßig
begründet und mit Autorität verkündet, hilft ſie jene Lücke ausfüllen. Hugo Groot
hat in ſeinem berühmten Werk, welches die Grundlage der neuern Wiſſenſchaft vom
Völkerrecht geworden iſt, ſich vornehmlich auf die Zeugniſſe weiſer Männer berufen,
und iſt dann ſelber wieder zur Autorität für die Nachfolger geworden. Wenn heute
Wheaton und Phillimore, Wildmann und Kent, Heffter und Oppen-
heim einig ſind in der Darſtellung eines Rechtsſatzes, ſo wird man, auch ohne ver-
tragsmäßige Beurkundung und trotz zweifelhafter Uebung geneigt ſein, denſelben als
modernes Völkerrecht zu betrachten. Freilich hat die kritiſche Prüfung den Ausſprü-
chen der Schriftſteller gegenüber eine größere Freiheit als bezüglich des Vertragsrechts.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/83 |
Zitationshilfe: | Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/83>, abgerufen am 16.07.2024. |