[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.und dem Scharfsinnigen. daß die offenbare Vergleichungen durch gleichwie-also/ nicht sinnreich wären, recht alber: Jch möch- te nur auch einigen Beweiß für diese so verwegene Meinung sehen. Opitz z. E. schreibt in dem er- sten B. der P. W. Ein Geist der Ehre sucht, muß etwas weiter ziehn, Denn wo der Gräntzstein ligt. Drum bist du ausgerissen Als wie ein junger Leu, im Fall er an den Füssen Die Klauen wachsen sieht, und um den Halß die Mähn, Die Zähn im Maule merckt; er will nun ferner gehn Aus seiner Hölen Loch, in der er ist erzogen: Und wie ein Adler thut, der nicht läßt ungeflogen, Wiewol er kümmerlich erst jetzt hat ausgekielt, Und noch der Nordwind nicht mit seinen Federn spielt. Er macht sich in die Luft, und schwingt mit freyem Zügel Bis zum Gewölcke hin die wenig starcken Flügel; Alsbald er etwas dann erblickt in einer Bach, So stürtzet er herab, und setzt den Enten nach, Die grossen Schreckens voll sich für ihm untertauchen. Nun wird mir niemand streitig machen, daß Die G 4
und dem Scharfſinnigen. daß die offenbare Vergleichungen durch gleichwie-alſo/ nicht ſinnreich waͤren, recht alber: Jch moͤch- te nur auch einigen Beweiß fuͤr dieſe ſo verwegene Meinung ſehen. Opitz z. E. ſchreibt in dem er- ſten B. der P. W. Ein Geiſt der Ehre ſucht, muß etwas weiter ziehn, Denn wo der Graͤntzſtein ligt. Drum biſt du ausgeriſſen Als wie ein junger Leu, im Fall er an den Fuͤſſen Die Klauen wachſen ſieht, und um den Halß die Maͤhn, Die Zaͤhn im Maule merckt; er will nun ferner gehn Aus ſeiner Hoͤlen Loch, in der er iſt erzogen: Und wie ein Adler thut, der nicht laͤßt ungeflogen, Wiewol er kuͤmmerlich erſt jetzt hat ausgekielt, Und noch der Nordwind nicht mit ſeinen Federn ſpielt. Er macht ſich in die Luft, und ſchwingt mit freyem Zuͤgel Bis zum Gewoͤlcke hin die wenig ſtarcken Fluͤgel; Alsbald er etwas dann erblickt in einer Bach, So ſtuͤrtzet er herab, und ſetzt den Enten nach, Die groſſen Schreckens voll ſich fuͤr ihm untertauchen. Nun wird mir niemand ſtreitig machen, daß Die G 4
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und dem Scharfſinnigen.
daß die offenbare Vergleichungen durch gleichwie-
alſo/ nicht ſinnreich waͤren, recht alber: Jch moͤch-
te nur auch einigen Beweiß fuͤr dieſe ſo verwegene
Meinung ſehen. Opitz z. E. ſchreibt in dem er-
ſten B. der P. W.
Ein Geiſt der Ehre ſucht, muß etwas weiter ziehn,
Denn wo der Graͤntzſtein ligt. Drum biſt du ausgeriſſen
Als wie ein junger Leu, im Fall er an den Fuͤſſen
Die Klauen wachſen ſieht, und um den Halß die Maͤhn,
Die Zaͤhn im Maule merckt; er will nun ferner gehn
Aus ſeiner Hoͤlen Loch, in der er iſt erzogen:
Und wie ein Adler thut, der nicht laͤßt ungeflogen,
Wiewol er kuͤmmerlich erſt jetzt hat ausgekielt,
Und noch der Nordwind nicht mit ſeinen Federn ſpielt.
Er macht ſich in die Luft, und ſchwingt mit freyem Zuͤgel
Bis zum Gewoͤlcke hin die wenig ſtarcken Fluͤgel;
Alsbald er etwas dann erblickt in einer Bach,
So ſtuͤrtzet er herab, und ſetzt den Enten nach,
Die groſſen Schreckens voll ſich fuͤr ihm untertauchen.
Nun wird mir niemand ſtreitig machen, daß
dieſe Verſe nicht nur ſinnreich, ſondern auch ſcharf-
ſinnig ſeyn, wiewol ſie ein offenbares Gleichniß in
ſich enthalten. Aber auch diejenigen Regeln, die
Phyllis von den Gleichniſſen vorſchreibet, haben
nicht uͤberall ihre Richtigkeit. Gleichniſſe muͤſſen
von bekannten Dingen hergenommen ſeyn, weil
ſie meiſtens erklaͤren ſollen. Und hohe Sachen
muͤſſen mit hohen, niedere mit niederen verglichen
werden. Jch kan mir keinen deutlichen Begriff
von den Superlativis machen: Gar zu gemein und
bekannt: Gar zu hoch und gar zu nieder. Sol-
che Scribenten, die keine gemeſſene und deutliche
Begriffe von den Dingen haben, ſind in ihren
Ausdruͤcken gantz unſtet und ungewiß.
Die
G 4
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