[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.Hans Sachs Mein Stelpo ists allein, der niemals nicht nachsinnt,Und sich im rechten Weg', aus Jrrthum selbst, nie findt. Bißweilen fällt ein Funck von Witz an andrer Seele, Und blizt ein kurzes Licht durch die verstockte Höle; Nur Stelpos Grönlands-Nacht duldt keinen solchen Riß, Kennt nichts als dürre Kält' und dike Finsterniß. Zudem so findt man gleich, wenn man sein Antlitz schauet, Daß um dieß höckricht Feld der Wahn sein Nest gebauet (f); Daß Unbedachtsamkeit in voller Majestät Gleichwie in einer Wolck' an seiner Stirne steht. Die hohle Stimme selbst, die durch die Nas' erschraubet (g), Zeigt ihren Meister an; und mancher Lehrling glaubet, Wenn durch dieß thönend Ertz' ein schnarrend Unwort bricht, Das keiner nicht versteht, daß ein Orakel spricht. Schoch (h), Zeidler, Zes' und Tiz, und andre Reim-Erfinder Sind, wann man sie mit dir vergleicht, nur arme Sünder. Die erste Stell' hört dir in dieser Schwanen Reih' Du grosser Patriarch von der Pritschmeisterey. Jch selbst, ein Dudentopf berühmter als die andern, Must' hinkend vor dir her mit meinem Schurzfell wandern, Damit ich dir den Weg bereitete, O Held, Und deinen grössern Ruhm verkündigte der Welt. Oft, wenn ich lange gnug gebrauchet Ahl' und Feder, Und manch unschuldig Wort gereket wie das Leder; Wenn (f) Dieses giebt ohne mein Erinnern zu verstehen, daß Stel- po ein hokrigtes Gesicht voller Kupfer und Finnen gehabt habe. (g) Diese Worte sagen uns, daß er ein wenig durch die Nase gesprochen habe. Jch bekümmere mich hier nicht, ob diese und dergleichen persönlichen Umstände ihren historischen Grund haben, oder nur von dem Satyrico zu stärkerer Brand- mahlung des Conterfaits erfunden worden seyn. (h) Hr. Gottsched leget diesem in dem Hauptstüke seiner
Dichtkunst für die Deutschen, wo er von den Hirtenlie- dern handelt, ein grosses Lob bey, und meint er habe in sei- nem Blumengarten viel Ehre eingeleget, obgleich die Verse zuweilen etwas hart seyn. Allein die Strophen, die er zur Probe anführet, und vor ungemein ausgiebt, bekräftigen vielmehr das Urteil unsers Satyrici. Hans Sachs Mein Stelpo iſts allein, der niemals nicht nachſinnt,Und ſich im rechten Weg’, aus Jrrthum ſelbſt, nie findt. Bißweilen faͤllt ein Funck von Witz an andrer Seele, Und blizt ein kurzes Licht durch die verſtockte Hoͤle; Nur Stelpos Groͤnlands-Nacht duldt keinen ſolchen Riß, Kennt nichts als duͤrre Kaͤlt’ und dike Finſterniß. Zudem ſo findt man gleich, wenn man ſein Antlitz ſchauet, Daß um dieß hoͤckricht Feld der Wahn ſein Neſt gebauet (f); Daß Unbedachtſamkeit in voller Majeſtaͤt Gleichwie in einer Wolck’ an ſeiner Stirne ſteht. Die hohle Stimme ſelbſt, die durch die Naſ’ erſchraubet (g), Zeigt ihren Meiſter an; und mancher Lehrling glaubet, Wenn durch dieß thoͤnend Ertz’ ein ſchnarrend Unwort bricht, Das keiner nicht verſteht, daß ein Orakel ſpricht. Schoch (h), Zeidler, Zeſ’ und Tiz, und andre Reim-Erfinder Sind, wann man ſie mit dir vergleicht, nur arme Suͤnder. Die erſte Stell’ hoͤrt dir in dieſer Schwanen Reih’ Du groſſer Patriarch von der Pritſchmeiſterey. Jch ſelbſt, ein Dudentopf beruͤhmter als die andern, Muſt’ hinkend vor dir her mit meinem Schurzfell wandern, Damit ich dir den Weg bereitete, O Held, Und deinen groͤſſern Ruhm verkuͤndigte der Welt. Oft, wenn ich lange gnug gebrauchet Ahl’ und Feder, Und manch unſchuldig Wort gereket wie das Leder; Wenn (f) Dieſes giebt ohne mein Erinnern zu verſtehen, daß Stel- po ein hokrigtes Geſicht voller Kupfer und Finnen gehabt habe. (g) Dieſe Worte ſagen uns, daß er ein wenig durch die Naſe geſprochen habe. Jch bekuͤmmere mich hier nicht, ob dieſe und dergleichen perſoͤnlichen Umſtaͤnde ihren hiſtoriſchen Grund haben, oder nur von dem Satyrico zu ſtaͤrkerer Brand- mahlung des Conterfaits erfunden worden ſeyn. (h) Hr. Gottſched leget dieſem in dem Hauptſtuͤke ſeiner
Dichtkunſt fuͤr die Deutſchen, wo er von den Hirtenlie- dern handelt, ein groſſes Lob bey, und meint er habe in ſei- nem Blumengarten viel Ehre eingeleget, obgleich die Verſe zuweilen etwas hart ſeyn. Allein die Strophen, die er zur Probe anfuͤhret, und vor ungemein ausgiebt, bekraͤftigen vielmehr das Urteil unſers Satyrici. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0138" n="122"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Hans Sachs</hi> </fw><lb/> <l>Mein Stelpo iſts allein, der niemals nicht nachſinnt,</l><lb/> <l>Und ſich im rechten Weg’, aus Jrrthum ſelbſt, nie findt.</l><lb/> <l>Bißweilen faͤllt ein Funck von Witz an andrer Seele,</l><lb/> <l>Und blizt ein kurzes Licht durch die verſtockte Hoͤle;</l><lb/> <l>Nur Stelpos Groͤnlands-Nacht duldt keinen ſolchen Riß,</l><lb/> <l>Kennt nichts als duͤrre Kaͤlt’ und dike Finſterniß.</l><lb/> <l>Zudem ſo findt man gleich, wenn man ſein Antlitz ſchauet,</l><lb/> <l>Daß um dieß hoͤckricht Feld der Wahn ſein Neſt gebauet <note place="foot" n="(f)">Dieſes giebt ohne mein Erinnern zu verſtehen, daß Stel-<lb/> po ein hokrigtes Geſicht voller Kupfer und Finnen gehabt habe.</note>;</l><lb/> <l>Daß Unbedachtſamkeit in voller Majeſtaͤt</l><lb/> <l>Gleichwie in einer Wolck’ an ſeiner Stirne ſteht.</l><lb/> <l>Die hohle Stimme ſelbſt, die durch die Naſ’ erſchraubet <note place="foot" n="(g)">Dieſe Worte ſagen uns, daß er ein wenig durch die<lb/> Naſe geſprochen habe. Jch bekuͤmmere mich hier nicht, ob<lb/> dieſe und dergleichen perſoͤnlichen Umſtaͤnde ihren hiſtoriſchen<lb/> Grund haben, oder nur von dem Satyrico zu ſtaͤrkerer Brand-<lb/> mahlung des Conterfaits erfunden worden ſeyn.</note>,</l><lb/> <l>Zeigt ihren Meiſter an; und mancher Lehrling glaubet,</l><lb/> <l>Wenn durch dieß thoͤnend Ertz’ ein ſchnarrend Unwort bricht,</l><lb/> <l>Das keiner nicht verſteht, daß ein Orakel ſpricht.</l><lb/> <l>Schoch <note place="foot" n="(h)">Hr. Gottſched leget dieſem in dem Hauptſtuͤke ſeiner<lb/><hi rendition="#fr">Dichtkunſt fuͤr die Deutſchen,</hi> wo er von den Hirtenlie-<lb/> dern handelt, ein groſſes Lob bey, und meint er habe in ſei-<lb/> nem Blumengarten viel Ehre eingeleget, obgleich die Verſe<lb/> zuweilen etwas hart ſeyn. Allein die Strophen, die er zur<lb/> Probe anfuͤhret, und vor ungemein ausgiebt, bekraͤftigen<lb/> vielmehr das Urteil unſers Satyrici.</note>, Zeidler, Zeſ’ und Tiz, und andre Reim-Erfinder</l><lb/> <l>Sind, wann man ſie mit dir vergleicht, nur arme Suͤnder.</l><lb/> <l>Die erſte Stell’ hoͤrt dir in dieſer Schwanen Reih’</l><lb/> <l>Du groſſer Patriarch von der Pritſchmeiſterey.</l><lb/> <l>Jch ſelbſt, ein Dudentopf beruͤhmter als die andern,</l><lb/> <l>Muſt’ hinkend vor dir her mit meinem Schurzfell wandern,</l><lb/> <l>Damit ich dir den Weg bereitete, O Held,</l><lb/> <l>Und deinen groͤſſern Ruhm verkuͤndigte der Welt.</l><lb/> <l>Oft, wenn ich lange gnug gebrauchet Ahl’ und Feder,</l><lb/> <l>Und manch unſchuldig Wort gereket wie das Leder;</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Wenn</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0138]
Hans Sachs
Mein Stelpo iſts allein, der niemals nicht nachſinnt,
Und ſich im rechten Weg’, aus Jrrthum ſelbſt, nie findt.
Bißweilen faͤllt ein Funck von Witz an andrer Seele,
Und blizt ein kurzes Licht durch die verſtockte Hoͤle;
Nur Stelpos Groͤnlands-Nacht duldt keinen ſolchen Riß,
Kennt nichts als duͤrre Kaͤlt’ und dike Finſterniß.
Zudem ſo findt man gleich, wenn man ſein Antlitz ſchauet,
Daß um dieß hoͤckricht Feld der Wahn ſein Neſt gebauet (f);
Daß Unbedachtſamkeit in voller Majeſtaͤt
Gleichwie in einer Wolck’ an ſeiner Stirne ſteht.
Die hohle Stimme ſelbſt, die durch die Naſ’ erſchraubet (g),
Zeigt ihren Meiſter an; und mancher Lehrling glaubet,
Wenn durch dieß thoͤnend Ertz’ ein ſchnarrend Unwort bricht,
Das keiner nicht verſteht, daß ein Orakel ſpricht.
Schoch (h), Zeidler, Zeſ’ und Tiz, und andre Reim-Erfinder
Sind, wann man ſie mit dir vergleicht, nur arme Suͤnder.
Die erſte Stell’ hoͤrt dir in dieſer Schwanen Reih’
Du groſſer Patriarch von der Pritſchmeiſterey.
Jch ſelbſt, ein Dudentopf beruͤhmter als die andern,
Muſt’ hinkend vor dir her mit meinem Schurzfell wandern,
Damit ich dir den Weg bereitete, O Held,
Und deinen groͤſſern Ruhm verkuͤndigte der Welt.
Oft, wenn ich lange gnug gebrauchet Ahl’ und Feder,
Und manch unſchuldig Wort gereket wie das Leder;
Wenn
(f) Dieſes giebt ohne mein Erinnern zu verſtehen, daß Stel-
po ein hokrigtes Geſicht voller Kupfer und Finnen gehabt habe.
(g) Dieſe Worte ſagen uns, daß er ein wenig durch die
Naſe geſprochen habe. Jch bekuͤmmere mich hier nicht, ob
dieſe und dergleichen perſoͤnlichen Umſtaͤnde ihren hiſtoriſchen
Grund haben, oder nur von dem Satyrico zu ſtaͤrkerer Brand-
mahlung des Conterfaits erfunden worden ſeyn.
(h) Hr. Gottſched leget dieſem in dem Hauptſtuͤke ſeiner
Dichtkunſt fuͤr die Deutſchen, wo er von den Hirtenlie-
dern handelt, ein groſſes Lob bey, und meint er habe in ſei-
nem Blumengarten viel Ehre eingeleget, obgleich die Verſe
zuweilen etwas hart ſeyn. Allein die Strophen, die er zur
Probe anfuͤhret, und vor ungemein ausgiebt, bekraͤftigen
vielmehr das Urteil unſers Satyrici.
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