Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

Widerlegung der Relig. Essent.
Plaz habe, oder daß sie von seiner Liebe nicht
unterschieden sey. Wie diese drey Folgen mit
ihrem Grunde zusammenhangen, wird nun von
Hr. Breitinger näher untersucht.

XII.

Bey dem ersten, Gott habe die Menschen
in keinem andren Endzweke können erschaffen,
als sie glüklich zu machen; mithin könne auch
die Religion keinen andern voraussezen etc., wird
zugegeben, daß es eine Würkung der Güte Got-
tes gewesen, daß die Geschöpfe aus dem Stan-
de der Möglichkeit, von Gott zur Würklichkeit
sind gebracht worden. Man betrachtet nem-
lich da nur überhaupt, wie durch diese Hand-
lung Gottes die Geschöpfe eine Realität oder
Vollkommenheit erhalten, und er dieselbe ih-
nen ohne eigennüzige Absichten mitgetheilt;
allein es ist hiemit noch nicht erwiesen, daß Gott
bey der Erschaffung weiter nichts, als diese
seine Güte habe beweisen wollen, und kön-
nen. Alle diese andern Absichten aber die die
Eigenschaft der Güte Gottes nicht aufheben,
sind Gott weder ungeziemend, noch werden sie
durch den Begriff des sich selbst genugsamen
Wesens ausgeschlossen.

Daß es nun dergleichen Absichten würklich
gebe, ist offenbar, wann man gesteht, daß
man aus den Nuzbarkeiten, welche aus dem
Wesen und der Natur der Dinge herfliessen,
auf die göttliche Absicht sicher schliessen könne.

Der Mensch ist nemlich nicht nur ein Ge-
schöpfe überhaupt; etwas das aus dem Stande

der

Widerlegung der Relig. Eſſent.
Plaz habe, oder daß ſie von ſeiner Liebe nicht
unterſchieden ſey. Wie dieſe drey Folgen mit
ihrem Grunde zuſammenhangen, wird nun von
Hr. Breitinger naͤher unterſucht.

XII.

Bey dem erſten, Gott habe die Menſchen
in keinem andren Endzweke koͤnnen erſchaffen,
als ſie gluͤklich zu machen; mithin koͤnne auch
die Religion keinen andern vorausſezen ꝛc., wird
zugegeben, daß es eine Wuͤrkung der Guͤte Got-
tes geweſen, daß die Geſchoͤpfe aus dem Stan-
de der Moͤglichkeit, von Gott zur Wuͤrklichkeit
ſind gebracht worden. Man betrachtet nem-
lich da nur uͤberhaupt, wie durch dieſe Hand-
lung Gottes die Geſchoͤpfe eine Realitaͤt oder
Vollkommenheit erhalten, und er dieſelbe ih-
nen ohne eigennuͤzige Abſichten mitgetheilt;
allein es iſt hiemit noch nicht erwieſen, daß Gott
bey der Erſchaffung weiter nichts, als dieſe
ſeine Guͤte habe beweiſen wollen, und koͤn-
nen. Alle dieſe andern Abſichten aber die die
Eigenſchaft der Guͤte Gottes nicht aufheben,
ſind Gott weder ungeziemend, noch werden ſie
durch den Begriff des ſich ſelbſt genugſamen
Weſens ausgeſchloſſen.

Daß es nun dergleichen Abſichten wuͤrklich
gebe, iſt offenbar, wann man geſteht, daß
man aus den Nuzbarkeiten, welche aus dem
Weſen und der Natur der Dinge herflieſſen,
auf die goͤttliche Abſicht ſicher ſchlieſſen koͤnne.

Der Menſch iſt nemlich nicht nur ein Ge-
ſchoͤpfe uͤberhaupt; etwas das aus dem Stande

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0171" n="155"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Widerlegung der <hi rendition="#aq">Relig. E&#x017F;&#x017F;ent.</hi></hi></fw><lb/>
Plaz habe, oder daß &#x017F;ie von &#x017F;einer Liebe nicht<lb/>
unter&#x017F;chieden &#x017F;ey. Wie die&#x017F;e drey Folgen mit<lb/>
ihrem Grunde zu&#x017F;ammenhangen, wird nun von<lb/>
Hr. Breitinger na&#x0364;her unter&#x017F;ucht.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">XII.</hi> </head><lb/>
          <p>Bey dem er&#x017F;ten, Gott habe die Men&#x017F;chen<lb/>
in keinem andren Endzweke ko&#x0364;nnen er&#x017F;chaffen,<lb/>
als &#x017F;ie glu&#x0364;klich zu machen; mithin ko&#x0364;nne auch<lb/>
die Religion keinen andern voraus&#x017F;ezen &#xA75B;c., wird<lb/>
zugegeben, daß es eine Wu&#x0364;rkung der Gu&#x0364;te Got-<lb/>
tes gewe&#x017F;en, daß die Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe aus dem Stan-<lb/>
de der Mo&#x0364;glichkeit, von Gott zur Wu&#x0364;rklichkeit<lb/>
&#x017F;ind gebracht worden. Man betrachtet nem-<lb/>
lich da nur u&#x0364;berhaupt, wie durch die&#x017F;e Hand-<lb/>
lung Gottes die Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe eine Realita&#x0364;t oder<lb/>
Vollkommenheit erhalten, und er die&#x017F;elbe ih-<lb/>
nen ohne eigennu&#x0364;zige Ab&#x017F;ichten mitgetheilt;<lb/>
allein es i&#x017F;t hiemit noch nicht erwie&#x017F;en, daß Gott<lb/>
bey der Er&#x017F;chaffung weiter nichts, als die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;eine Gu&#x0364;te habe bewei&#x017F;en wollen, und ko&#x0364;n-<lb/>
nen. Alle die&#x017F;e andern Ab&#x017F;ichten aber die die<lb/>
Eigen&#x017F;chaft der Gu&#x0364;te Gottes nicht aufheben,<lb/>
&#x017F;ind Gott weder ungeziemend, noch werden &#x017F;ie<lb/>
durch den Begriff des &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t genug&#x017F;amen<lb/>
We&#x017F;ens ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Daß es nun dergleichen Ab&#x017F;ichten wu&#x0364;rklich<lb/>
gebe, i&#x017F;t offenbar, wann man ge&#x017F;teht, daß<lb/>
man aus den Nuzbarkeiten, welche aus dem<lb/>
We&#x017F;en und der Natur der Dinge herflie&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
auf die go&#x0364;ttliche Ab&#x017F;icht &#x017F;icher &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nne.</p><lb/>
          <p>Der Men&#x017F;ch i&#x017F;t nemlich nicht nur ein Ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pfe u&#x0364;berhaupt; etwas das aus dem Stande<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0171] Widerlegung der Relig. Eſſent. Plaz habe, oder daß ſie von ſeiner Liebe nicht unterſchieden ſey. Wie dieſe drey Folgen mit ihrem Grunde zuſammenhangen, wird nun von Hr. Breitinger naͤher unterſucht. XII. Bey dem erſten, Gott habe die Menſchen in keinem andren Endzweke koͤnnen erſchaffen, als ſie gluͤklich zu machen; mithin koͤnne auch die Religion keinen andern vorausſezen ꝛc., wird zugegeben, daß es eine Wuͤrkung der Guͤte Got- tes geweſen, daß die Geſchoͤpfe aus dem Stan- de der Moͤglichkeit, von Gott zur Wuͤrklichkeit ſind gebracht worden. Man betrachtet nem- lich da nur uͤberhaupt, wie durch dieſe Hand- lung Gottes die Geſchoͤpfe eine Realitaͤt oder Vollkommenheit erhalten, und er dieſelbe ih- nen ohne eigennuͤzige Abſichten mitgetheilt; allein es iſt hiemit noch nicht erwieſen, daß Gott bey der Erſchaffung weiter nichts, als dieſe ſeine Guͤte habe beweiſen wollen, und koͤn- nen. Alle dieſe andern Abſichten aber die die Eigenſchaft der Guͤte Gottes nicht aufheben, ſind Gott weder ungeziemend, noch werden ſie durch den Begriff des ſich ſelbſt genugſamen Weſens ausgeſchloſſen. Daß es nun dergleichen Abſichten wuͤrklich gebe, iſt offenbar, wann man geſteht, daß man aus den Nuzbarkeiten, welche aus dem Weſen und der Natur der Dinge herflieſſen, auf die goͤttliche Abſicht ſicher ſchlieſſen koͤnne. Der Menſch iſt nemlich nicht nur ein Ge- ſchoͤpfe uͤberhaupt; etwas das aus dem Stande der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/171
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/171>, abgerufen am 24.11.2024.