[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.der Critik bey den Deutschen. keit mit Silberzäumen lenken; nach Narrenwas-ser lechzen; durch ein Haberrohr zum Federstur- me blasen; einem Mühe und Schweiß in den Jammerbusen schieben; auf den Weg der Hun- gerwiesen führen. Multi dum vitant vitia in contraria currunt. Zu derselben Zeit, da Neukirchen zu Berlin Sache G 4
der Critik bey den Deutſchen. keit mit Silberzaͤumen lenken; nach Narrenwaſ-ſer lechzen; durch ein Haberrohr zum Federſtur- me blaſen; einem Muͤhe und Schweiß in den Jammerbuſen ſchieben; auf den Weg der Hun- gerwieſen fuͤhren. Multi dum vitant vitia in contraria currunt. Zu derſelben Zeit, da Neukirchen zu Berlin Sache G 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0105" n="103"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Critik bey den Deutſchen.</hi></fw><lb/> keit mit Silberzaͤumen lenken; nach Narrenwaſ-<lb/> ſer lechzen; durch ein Haberrohr zum Federſtur-<lb/> me blaſen; einem Muͤhe und Schweiß in den<lb/> Jammerbuſen ſchieben; auf den Weg der Hun-<lb/> gerwieſen fuͤhren. <hi rendition="#aq">Multi dum vitant vitia in<lb/> contraria currunt.</hi></p><lb/> <p>Zu derſelben Zeit, da Neukirchen zu Berlin<lb/> dieſes ungewiſſe Licht in der Critik aufgegangen<lb/> war, hatte die Stadt Hamburg einen Kunſt-<lb/> verſtaͤndigen, bey welchem ein hellerer Tag in die-<lb/> ſer Wiſſenſchaft ſchon angebrochen war. Wer-<lb/> nike tappete daſelbſt nicht im Dunckeln, er ver-<lb/> ließ ſich nicht auf die betruͤgliche Empfindung in<lb/> Schriften, wo nicht das Hertz und die Affecte al-<lb/> lein, ſondern eben ſo oft der Witz und der Ver-<lb/> ſtand herrſchen ſollen. Er urtheilte auf feſtgeſetzte<lb/> und beſtaͤndige Grundſaͤze; welches vor ihm noch<lb/> keiner gethan hatte. Er betrachtete die Gedichte<lb/> der Deutſchen ohne Vorurtheile, und ſah auf die<lb/> Wahrheit der Sache, nicht auf das Anſehen,<lb/> oder den Beyfall andrer. Aufrichtigkeit und<lb/> Freyheit, mit Beſcheidenheit ohne Schmeicheley,<lb/> fuͤhrten ihm die Feder. Jn ſeinem Verſuche von<lb/> Ueberſchriften ſind die geſchickteſten Exempel von<lb/> ſcharfſinnigen Gedancken in groſſer Verſchiedenheit<lb/> enthalten, und in den Anmerckungen, die er hin-<lb/> zugeſetzet hat, findet man gantz natuͤrliche Grund-<lb/> ſaͤtze von dem Witze und der Scharfſinnigkeit,<lb/> die derſelbe manchmahl in Beurtheilung der abſon-<lb/> derlichſten Einfaͤlle mit gehoͤriger Einſicht und Be-<lb/> ſtimmung anwendet. Wir werden oͤfters von<lb/> ihm berichtet, was ſeine erſten Einfaͤlle uͤber eine<lb/> <fw place="bottom" type="sig">G 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Sache</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0105]
der Critik bey den Deutſchen.
keit mit Silberzaͤumen lenken; nach Narrenwaſ-
ſer lechzen; durch ein Haberrohr zum Federſtur-
me blaſen; einem Muͤhe und Schweiß in den
Jammerbuſen ſchieben; auf den Weg der Hun-
gerwieſen fuͤhren. Multi dum vitant vitia in
contraria currunt.
Zu derſelben Zeit, da Neukirchen zu Berlin
dieſes ungewiſſe Licht in der Critik aufgegangen
war, hatte die Stadt Hamburg einen Kunſt-
verſtaͤndigen, bey welchem ein hellerer Tag in die-
ſer Wiſſenſchaft ſchon angebrochen war. Wer-
nike tappete daſelbſt nicht im Dunckeln, er ver-
ließ ſich nicht auf die betruͤgliche Empfindung in
Schriften, wo nicht das Hertz und die Affecte al-
lein, ſondern eben ſo oft der Witz und der Ver-
ſtand herrſchen ſollen. Er urtheilte auf feſtgeſetzte
und beſtaͤndige Grundſaͤze; welches vor ihm noch
keiner gethan hatte. Er betrachtete die Gedichte
der Deutſchen ohne Vorurtheile, und ſah auf die
Wahrheit der Sache, nicht auf das Anſehen,
oder den Beyfall andrer. Aufrichtigkeit und
Freyheit, mit Beſcheidenheit ohne Schmeicheley,
fuͤhrten ihm die Feder. Jn ſeinem Verſuche von
Ueberſchriften ſind die geſchickteſten Exempel von
ſcharfſinnigen Gedancken in groſſer Verſchiedenheit
enthalten, und in den Anmerckungen, die er hin-
zugeſetzet hat, findet man gantz natuͤrliche Grund-
ſaͤtze von dem Witze und der Scharfſinnigkeit,
die derſelbe manchmahl in Beurtheilung der abſon-
derlichſten Einfaͤlle mit gehoͤriger Einſicht und Be-
ſtimmung anwendet. Wir werden oͤfters von
ihm berichtet, was ſeine erſten Einfaͤlle uͤber eine
Sache
G 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |