Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

Nachrichten von dem Ursprunge
Tadels derselben erlanget, ungeacht es ihm gewiß
Mühe gemacht hätte, das Lob mit eben so gülti-
gen Anmerckungen zu erweisen, als die sind, wo-
mit er die getadelten Stellen verworffen hat. Las-
set uns ihn wieder selber vernehmen.

"Es ha-
"ben diese zwey berühmte Männer zwar das ih-
"rige mit grossem Lob, aber doch noch lange nicht
"so viel gethan, daß ihre Nachfolger, so wie
"Alexander über seines Vaters Siege, Ursache
"zu seufzen haben sollten, daß ihnen nichts mehr
"zu thun überlassen worden sey. Des von Hoff-
"mannswaldaus Gedichte werden wegen seiner
"Heldenbriefe mehr als des von Lohensteins gele-
"sen. Weswegen ich zum Versuche den ersten
"derselben durchgegangen, und einige Anmer-
"kungen darüber gemachet habe. Wer derglei-
"chen über des von Lohensteins Schriften ma-
"chen wollte, der würde Zeug genug zu seiner
"Arbeit finden. Es ist derselbe, man gestehet
"es gerne, ein grösserer Poete als der erstere.
"Der vom Horatius erfoderte, und von hohen
"Sachen klingende Mund läßt sich mit Vergnü-
"gung in hundert Oertern seiner Schriften hören.
"Allein dieses ist auch unstreitig, daß wie man
"an ihm vielmehr zu rühmen, also auch vielmehr
"zu tadeln findet, als in dem erstern."

Er zieht
hierauf einen ungeschickten Vers aus Lohenstein
an, den er beurtheilet, und dann fortfährt:

"Wä-
"ren aller unserer Poeten Gedichte diesem Verse,
"oder alle Verse des Herrn von Lohensteins die-
"sem gleich, so könnte man es dem ehrwürdi-
"gen Vater Buhurs nicht verdencken, daß er
"uns

Nachrichten von dem Urſprunge
Tadels derſelben erlanget, ungeacht es ihm gewiß
Muͤhe gemacht haͤtte, das Lob mit eben ſo guͤlti-
gen Anmerckungen zu erweiſen, als die ſind, wo-
mit er die getadelten Stellen verworffen hat. Laſ-
ſet uns ihn wieder ſelber vernehmen.

„Es ha-
„ben dieſe zwey beruͤhmte Maͤnner zwar das ih-
„rige mit groſſem Lob, aber doch noch lange nicht
„ſo viel gethan, daß ihre Nachfolger, ſo wie
„Alexander uͤber ſeines Vaters Siege, Urſache
„zu ſeufzen haben ſollten, daß ihnen nichts mehr
„zu thun uͤberlaſſen worden ſey. Des von Hoff-
„mannswaldaus Gedichte werden wegen ſeiner
„Heldenbriefe mehr als des von Lohenſteins gele-
„ſen. Weswegen ich zum Verſuche den erſten
„derſelben durchgegangen, und einige Anmer-
„kungen daruͤber gemachet habe. Wer derglei-
„chen uͤber des von Lohenſteins Schriften ma-
„chen wollte, der wuͤrde Zeug genug zu ſeiner
„Arbeit finden. Es iſt derſelbe, man geſtehet
„es gerne, ein groͤſſerer Poete als der erſtere.
„Der vom Horatius erfoderte, und von hohen
„Sachen klingende Mund laͤßt ſich mit Vergnuͤ-
„gung in hundert Oertern ſeiner Schriften hoͤren.
„Allein dieſes iſt auch unſtreitig, daß wie man
„an ihm vielmehr zu ruͤhmen, alſo auch vielmehr
„zu tadeln findet, als in dem erſtern.„

Er zieht
hierauf einen ungeſchickten Vers aus Lohenſtein
an, den er beurtheilet, und dann fortfaͤhrt:

„Waͤ-
„ren aller unſerer Poeten Gedichte dieſem Verſe,
„oder alle Verſe des Herrn von Lohenſteins die-
„ſem gleich, ſo koͤnnte man es dem ehrwuͤrdi-
„gen Vater Buhurs nicht verdencken, daß er
„uns
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0114" n="112"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Nachrichten von dem Ur&#x017F;prunge</hi></fw><lb/>
Tadels der&#x017F;elben erlanget, ungeacht es ihm gewiß<lb/>
Mu&#x0364;he gemacht ha&#x0364;tte, das Lob mit eben &#x017F;o gu&#x0364;lti-<lb/>
gen Anmerckungen zu erwei&#x017F;en, als die &#x017F;ind, wo-<lb/>
mit er die getadelten Stellen verworffen hat. La&#x017F;-<lb/>
&#x017F;et uns ihn wieder &#x017F;elber vernehmen.</p>
          <cit>
            <quote>&#x201E;Es ha-<lb/>
&#x201E;ben die&#x017F;e zwey beru&#x0364;hmte Ma&#x0364;nner zwar das ih-<lb/>
&#x201E;rige mit gro&#x017F;&#x017F;em Lob, aber doch noch lange nicht<lb/>
&#x201E;&#x017F;o viel gethan, daß ihre Nachfolger, &#x017F;o wie<lb/>
&#x201E;Alexander u&#x0364;ber &#x017F;eines Vaters Siege, Ur&#x017F;ache<lb/>
&#x201E;zu &#x017F;eufzen haben &#x017F;ollten, daß ihnen nichts mehr<lb/>
&#x201E;zu thun u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en worden &#x017F;ey. Des von Hoff-<lb/>
&#x201E;mannswaldaus Gedichte werden wegen &#x017F;einer<lb/>
&#x201E;Heldenbriefe mehr als des von Lohen&#x017F;teins gele-<lb/>
&#x201E;&#x017F;en. Weswegen ich zum Ver&#x017F;uche den er&#x017F;ten<lb/>
&#x201E;der&#x017F;elben durchgegangen, und einige Anmer-<lb/>
&#x201E;kungen daru&#x0364;ber gemachet habe. Wer derglei-<lb/>
&#x201E;chen u&#x0364;ber des von Lohen&#x017F;teins Schriften ma-<lb/>
&#x201E;chen wollte, der wu&#x0364;rde Zeug genug zu &#x017F;einer<lb/>
&#x201E;Arbeit finden. Es i&#x017F;t der&#x017F;elbe, man ge&#x017F;tehet<lb/>
&#x201E;es gerne, ein gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erer Poete als der er&#x017F;tere.<lb/>
&#x201E;Der vom Horatius erfoderte, und von hohen<lb/>
&#x201E;Sachen klingende Mund la&#x0364;ßt &#x017F;ich mit Vergnu&#x0364;-<lb/>
&#x201E;gung in hundert Oertern &#x017F;einer Schriften ho&#x0364;ren.<lb/>
&#x201E;Allein die&#x017F;es i&#x017F;t auch un&#x017F;treitig, daß wie man<lb/>
&#x201E;an ihm vielmehr zu ru&#x0364;hmen, al&#x017F;o auch vielmehr<lb/>
&#x201E;zu tadeln findet, als in dem er&#x017F;tern.&#x201E;</quote>
          </cit>
          <p>Er zieht<lb/>
hierauf einen unge&#x017F;chickten Vers aus Lohen&#x017F;tein<lb/>
an, den er beurtheilet, und dann fortfa&#x0364;hrt:</p>
          <cit>
            <quote>&#x201E;Wa&#x0364;-<lb/>
&#x201E;ren aller un&#x017F;erer Poeten Gedichte die&#x017F;em Ver&#x017F;e,<lb/>
&#x201E;oder alle Ver&#x017F;e des Herrn von Lohen&#x017F;teins die-<lb/>
&#x201E;&#x017F;em gleich, &#x017F;o ko&#x0364;nnte man es dem ehrwu&#x0364;rdi-<lb/>
&#x201E;gen Vater Buhurs nicht verdencken, daß er<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;uns</fw><lb/></quote>
          </cit>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0114] Nachrichten von dem Urſprunge Tadels derſelben erlanget, ungeacht es ihm gewiß Muͤhe gemacht haͤtte, das Lob mit eben ſo guͤlti- gen Anmerckungen zu erweiſen, als die ſind, wo- mit er die getadelten Stellen verworffen hat. Laſ- ſet uns ihn wieder ſelber vernehmen. „Es ha- „ben dieſe zwey beruͤhmte Maͤnner zwar das ih- „rige mit groſſem Lob, aber doch noch lange nicht „ſo viel gethan, daß ihre Nachfolger, ſo wie „Alexander uͤber ſeines Vaters Siege, Urſache „zu ſeufzen haben ſollten, daß ihnen nichts mehr „zu thun uͤberlaſſen worden ſey. Des von Hoff- „mannswaldaus Gedichte werden wegen ſeiner „Heldenbriefe mehr als des von Lohenſteins gele- „ſen. Weswegen ich zum Verſuche den erſten „derſelben durchgegangen, und einige Anmer- „kungen daruͤber gemachet habe. Wer derglei- „chen uͤber des von Lohenſteins Schriften ma- „chen wollte, der wuͤrde Zeug genug zu ſeiner „Arbeit finden. Es iſt derſelbe, man geſtehet „es gerne, ein groͤſſerer Poete als der erſtere. „Der vom Horatius erfoderte, und von hohen „Sachen klingende Mund laͤßt ſich mit Vergnuͤ- „gung in hundert Oertern ſeiner Schriften hoͤren. „Allein dieſes iſt auch unſtreitig, daß wie man „an ihm vielmehr zu ruͤhmen, alſo auch vielmehr „zu tadeln findet, als in dem erſtern.„ Er zieht hierauf einen ungeſchickten Vers aus Lohenſtein an, den er beurtheilet, und dann fortfaͤhrt: „Waͤ- „ren aller unſerer Poeten Gedichte dieſem Verſe, „oder alle Verſe des Herrn von Lohenſteins die- „ſem gleich, ſo koͤnnte man es dem ehrwuͤrdi- „gen Vater Buhurs nicht verdencken, daß er „uns

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/114
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/114>, abgerufen am 21.11.2024.