[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.Mehrere authentische Urkunden derjenigen Männer, die den Werth der Sit-tenlehre und der Dichtkunst richtig zu be- stimmen wissen. Durch seine moralischen Ge- dichte, wovon die Welt bereits zween Thei- le lieset, hat er seit einigen Jahren gezeiget, wie redlich er es mit den Menschen meine, und wie geschickt er sey, die Schönheiten der Tugenden und die Häßlichkeit der Laster in ihrer wahren Gestalt abzuschildern. Gegen- wärtig hat der Hr. Verfasser einen Versuch gemacht, uns die Wahrheiten der Sitten- lehre mit schertzvermischtem Ernst unter dem Flor Den Werth der Dichtkunst richtig zu bestimmen)
Wenn ich a priori zeigen müste, wie begründt dieses Lob sey, so würde ich allzu weitläuftig und verdießlich fallen. Wir dürfen nur sein poetisches Glaubensbe- känntniß in der Vorrede zu dem zweyten Theil seiner Gedichte aufschlagen, so werden wir finden, wie ge- nau er den Werth der Dichtkunst zu bestimmen gewußt hat: "Er glaubet, daß der geringste Künstler undWer hat jemals den Werth der Dichtkunst richtiger und genauer bestimmet? Mehrere authentiſche Urkunden derjenigen Maͤnner, die den Werth der Sit-tenlehre und der Dichtkunſt richtig zu be- ſtimmen wiſſen. Durch ſeine moraliſchen Ge- dichte, wovon die Welt bereits zween Thei- le lieſet, hat er ſeit einigen Jahren gezeiget, wie redlich er es mit den Menſchen meine, und wie geſchickt er ſey, die Schoͤnheiten der Tugenden und die Haͤßlichkeit der Laſter in ihrer wahren Geſtalt abzuſchildern. Gegen- waͤrtig hat der Hr. Verfaſſer einen Verſuch gemacht, uns die Wahrheiten der Sitten- lehre mit ſchertzvermiſchtem Ernſt unter dem Flor Den Werth der Dichtkunſt richtig zu beſtimmen)
Wenn ich a priori zeigen muͤſte, wie begruͤndt dieſes Lob ſey, ſo wuͤrde ich allzu weitlaͤuftig und verdießlich fallen. Wir duͤrfen nur ſein poetiſches Glaubensbe- kaͤnntniß in der Vorrede zu dem zweyten Theil ſeiner Gedichte aufſchlagen, ſo werden wir finden, wie ge- nau er den Werth der Dichtkunſt zu beſtimmen gewußt hat: „Er glaubet, daß der geringſte Kuͤnſtler undWer hat jemals den Werth der Dichtkunſt richtiger und genauer beſtimmet? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0060" n="58"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Mehrere authentiſche Urkunden</hi></fw><lb/> derjenigen Maͤnner, die den Werth der Sit-<lb/> tenlehre und <hi rendition="#fr">der Dichtkunſt richtig zu be-<lb/> ſtimmen</hi> wiſſen. Durch ſeine moraliſchen Ge-<lb/> dichte, wovon die Welt bereits zween Thei-<lb/> le lieſet, hat er ſeit einigen Jahren gezeiget,<lb/> wie redlich er es mit den Menſchen meine,<lb/> und wie geſchickt er ſey, die Schoͤnheiten der<lb/> Tugenden und die Haͤßlichkeit der Laſter in<lb/> ihrer wahren Geſtalt abzuſchildern. Gegen-<lb/> waͤrtig hat der Hr. Verfaſſer einen Verſuch<lb/> gemacht, uns die Wahrheiten der Sitten-<lb/> lehre mit ſchertzvermiſchtem Ernſt unter dem<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Flor</fw><lb/><note place="foot"><hi rendition="#fr">Den Werth der Dichtkunſt richtig zu beſtimmen)</hi><lb/> Wenn ich <hi rendition="#aq">a priori</hi> zeigen muͤſte, wie begruͤndt dieſes<lb/> Lob ſey, ſo wuͤrde ich allzu weitlaͤuftig und verdießlich<lb/> fallen. Wir duͤrfen nur ſein poetiſches Glaubensbe-<lb/> kaͤnntniß in der Vorrede zu dem zweyten Theil ſeiner<lb/> Gedichte aufſchlagen, ſo werden wir finden, wie ge-<lb/> nau er den Werth der Dichtkunſt zu beſtimmen gewußt<lb/> hat: <cit><quote>„Er glaubet, daß der geringſte Kuͤnſtler und<lb/> „Handwercksmann, der ſeine Handthierung wohl ver-<lb/> „ſtehet und fleiſſig treibet, dem gemeinen Weſen mehr<lb/> „nuͤtzliche Dienſte leiſte, als der beſte Poet, und ſie-<lb/> „het daher die Poeſie als Blumen an, welche ſchoͤn<lb/> „ausſehen und annehmlich riechen, aber doch in der<lb/> „Artzneykunſt keinen Nutzen ſchaffen. ‒ ‒ ‒ Er<lb/> „iſt nicht von denen, welche glauben, daß das Vers-<lb/> „machen eine Hexerey, oder ein ſolches wichtiges<lb/> „Geheimniß ſey, welches nur groſſen und ſtarcken<lb/> „Geiſtern mitgetheilet wuͤrde, und wovon alle uͤbrigen<lb/> „ausgeſchloſſen waͤren.„</quote></cit> Wer hat jemals den Werth<lb/> der Dichtkunſt richtiger und genauer beſtimmet?</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0060]
Mehrere authentiſche Urkunden
derjenigen Maͤnner, die den Werth der Sit-
tenlehre und der Dichtkunſt richtig zu be-
ſtimmen wiſſen. Durch ſeine moraliſchen Ge-
dichte, wovon die Welt bereits zween Thei-
le lieſet, hat er ſeit einigen Jahren gezeiget,
wie redlich er es mit den Menſchen meine,
und wie geſchickt er ſey, die Schoͤnheiten der
Tugenden und die Haͤßlichkeit der Laſter in
ihrer wahren Geſtalt abzuſchildern. Gegen-
waͤrtig hat der Hr. Verfaſſer einen Verſuch
gemacht, uns die Wahrheiten der Sitten-
lehre mit ſchertzvermiſchtem Ernſt unter dem
Flor
Den Werth der Dichtkunſt richtig zu beſtimmen)
Wenn ich a priori zeigen muͤſte, wie begruͤndt dieſes
Lob ſey, ſo wuͤrde ich allzu weitlaͤuftig und verdießlich
fallen. Wir duͤrfen nur ſein poetiſches Glaubensbe-
kaͤnntniß in der Vorrede zu dem zweyten Theil ſeiner
Gedichte aufſchlagen, ſo werden wir finden, wie ge-
nau er den Werth der Dichtkunſt zu beſtimmen gewußt
hat: „Er glaubet, daß der geringſte Kuͤnſtler und
„Handwercksmann, der ſeine Handthierung wohl ver-
„ſtehet und fleiſſig treibet, dem gemeinen Weſen mehr
„nuͤtzliche Dienſte leiſte, als der beſte Poet, und ſie-
„het daher die Poeſie als Blumen an, welche ſchoͤn
„ausſehen und annehmlich riechen, aber doch in der
„Artzneykunſt keinen Nutzen ſchaffen. ‒ ‒ ‒ Er
„iſt nicht von denen, welche glauben, daß das Vers-
„machen eine Hexerey, oder ein ſolches wichtiges
„Geheimniß ſey, welches nur groſſen und ſtarcken
„Geiſtern mitgetheilet wuͤrde, und wovon alle uͤbrigen
„ausgeſchloſſen waͤren.„ Wer hat jemals den Werth
der Dichtkunſt richtiger und genauer beſtimmet?
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