[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.Mehrere authentische Urkunden Leute. Es ist eben nicht allemahl nöthigein Schweitzer zu seyn, wenn man vernünf- tig dencken will. Alles was der geschickte Hr. Verfasser der Critischen Dichtkunst wi- der den Hrn. Doct. Triller anbringet, hätte er in einer andern Sprache sagen können; und wir sind überzeuget, daß der Hr. Tril- ler, als ein bescheidener Gelehrter, ihm gar gerne die Freyheit und das Recht, welches Gelehrte diesfalls über einander haben, zu- gestanden hätte. Er weiß mehr als zu wohl, wie nöthig und nützlich eine vernünftige und bescheidene Critick sey. Allein wo geht es wohl wunderlicher her, als im Reiche der Dichter? Um Sylben, Gedancken, Wör- ter, Reime, und Mährchen müssen Beschei- denheit, Gelindigkeit, und Menschenliebe gäntzlich hintan gesetzet werden? Wo blei- bet hier der Ausspruch ihres göttlichen Ho- ratz, von welchem sie ja sonst keines Fingers breit abweichen wollen: Ubi plura nitent, paucis Es ist eben nicht allemahl nöthig ein Schweitzer
zu seyn etc.) Man hat ja bisher geglaubt, daß ein Schweitzer seyn, und vernünftig gedencken, asystata seyn. Und die Deutschen haben noch nicht Ursache zu fürchten, daß sie den Ruhm wohlgedenckender und geistreicher Köpfe verliehren: Trotz dem Verfasser der Lettres Germaniques, und andern Spötter seiner Art. Härte er in einer andern Sprache etc.) Vielleicht meint er die lateinische: Denn so hätten seine Critick nicht alle Deutsche lesen können. Mehrere authentiſche Urkunden Leute. Es iſt eben nicht allemahl noͤthigein Schweitzer zu ſeyn, wenn man vernuͤnf- tig dencken will. Alles was der geſchickte Hr. Verfaſſer der Critiſchen Dichtkunſt wi- der den Hrn. Doct. Triller anbringet, haͤtte er in einer andern Sprache ſagen koͤnnen; und wir ſind uͤberzeuget, daß der Hr. Tril- ler, als ein beſcheidener Gelehrter, ihm gar gerne die Freyheit und das Recht, welches Gelehrte diesfalls uͤber einander haben, zu- geſtanden haͤtte. Er weiß mehr als zu wohl, wie noͤthig und nuͤtzlich eine vernuͤnftige und beſcheidene Critick ſey. Allein wo geht es wohl wunderlicher her, als im Reiche der Dichter? Um Sylben, Gedancken, Woͤr- ter, Reime, und Maͤhrchen muͤſſen Beſchei- denheit, Gelindigkeit, und Menſchenliebe gaͤntzlich hintan geſetzet werden? Wo blei- bet hier der Ausſpruch ihres goͤttlichen Ho- ratz, von welchem ſie ja ſonſt keines Fingers breit abweichen wollen: Ubi plura nitent, paucis Es iſt eben nicht allemahl noͤthig ein Schweitzer
zu ſeyn ꝛc.) Man hat ja bisher geglaubt, daß ein Schweitzer ſeyn, und vernuͤnftig gedencken, aſyſtata ſeyn. Und die Deutſchen haben noch nicht Urſache zu fuͤrchten, daß ſie den Ruhm wohlgedenckender und geiſtreicher Koͤpfe verliehren: Trotz dem Verfaſſer der Lettres Germaniques, und andern Spoͤtter ſeiner Art. Haͤrte er in einer andern Sprache ꝛc.) Vielleicht meint er die lateiniſche: Denn ſo haͤtten ſeine Critick nicht alle Deutſche leſen koͤnnen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0066" n="46[64]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Mehrere authentiſche Urkunden</hi></fw><lb/> Leute. <hi rendition="#fr">Es iſt eben nicht allemahl noͤthig<lb/> ein Schweitzer zu ſeyn,</hi> wenn man vernuͤnf-<lb/> tig dencken will. Alles was der geſchickte<lb/> Hr. Verfaſſer der Critiſchen Dichtkunſt wi-<lb/> der den Hrn. Doct. Triller anbringet, <hi rendition="#fr">haͤtte<lb/> er in einer andern Sprache ſagen koͤnnen;</hi><lb/> und wir ſind uͤberzeuget, daß der Hr. Tril-<lb/> ler, als ein beſcheidener Gelehrter, ihm gar<lb/> gerne die Freyheit und das Recht, welches<lb/> Gelehrte diesfalls uͤber einander haben, zu-<lb/> geſtanden haͤtte. Er weiß mehr als zu wohl,<lb/> wie noͤthig und nuͤtzlich eine vernuͤnftige und<lb/> beſcheidene Critick ſey. Allein wo geht es<lb/> wohl wunderlicher her, als im Reiche der<lb/> Dichter? Um Sylben, Gedancken, Woͤr-<lb/> ter, Reime, und Maͤhrchen muͤſſen Beſchei-<lb/> denheit, Gelindigkeit, und Menſchenliebe<lb/> gaͤntzlich hintan geſetzet werden? Wo blei-<lb/> bet hier der Ausſpruch ihres goͤttlichen Ho-<lb/> ratz, von welchem ſie ja ſonſt keines Fingers<lb/> breit abweichen wollen: <hi rendition="#aq">Ubi plura nitent,</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">paucis</hi></fw><lb/><note place="foot"><hi rendition="#fr">Es iſt eben nicht allemahl noͤthig ein Schweitzer<lb/> zu ſeyn ꝛc.)</hi> Man hat ja bisher geglaubt, daß ein<lb/> Schweitzer ſeyn, und vernuͤnftig gedencken, <hi rendition="#aq">aſyſtata</hi><lb/> ſeyn. Und die Deutſchen haben noch nicht Urſache zu<lb/> fuͤrchten, daß ſie den Ruhm wohlgedenckender und<lb/> geiſtreicher Koͤpfe verliehren: Trotz dem Verfaſſer der<lb/><hi rendition="#aq">Lettres Germaniques,</hi> und andern Spoͤtter ſeiner Art.<lb/><hi rendition="#fr">Haͤrte er in einer andern Sprache ꝛc.)</hi> Vielleicht<lb/> meint er die lateiniſche: Denn ſo haͤtten ſeine Critick<lb/> nicht alle Deutſche leſen koͤnnen.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46[64]/0066]
Mehrere authentiſche Urkunden
Leute. Es iſt eben nicht allemahl noͤthig
ein Schweitzer zu ſeyn, wenn man vernuͤnf-
tig dencken will. Alles was der geſchickte
Hr. Verfaſſer der Critiſchen Dichtkunſt wi-
der den Hrn. Doct. Triller anbringet, haͤtte
er in einer andern Sprache ſagen koͤnnen;
und wir ſind uͤberzeuget, daß der Hr. Tril-
ler, als ein beſcheidener Gelehrter, ihm gar
gerne die Freyheit und das Recht, welches
Gelehrte diesfalls uͤber einander haben, zu-
geſtanden haͤtte. Er weiß mehr als zu wohl,
wie noͤthig und nuͤtzlich eine vernuͤnftige und
beſcheidene Critick ſey. Allein wo geht es
wohl wunderlicher her, als im Reiche der
Dichter? Um Sylben, Gedancken, Woͤr-
ter, Reime, und Maͤhrchen muͤſſen Beſchei-
denheit, Gelindigkeit, und Menſchenliebe
gaͤntzlich hintan geſetzet werden? Wo blei-
bet hier der Ausſpruch ihres goͤttlichen Ho-
ratz, von welchem ſie ja ſonſt keines Fingers
breit abweichen wollen: Ubi plura nitent,
paucis
Es iſt eben nicht allemahl noͤthig ein Schweitzer
zu ſeyn ꝛc.) Man hat ja bisher geglaubt, daß ein
Schweitzer ſeyn, und vernuͤnftig gedencken, aſyſtata
ſeyn. Und die Deutſchen haben noch nicht Urſache zu
fuͤrchten, daß ſie den Ruhm wohlgedenckender und
geiſtreicher Koͤpfe verliehren: Trotz dem Verfaſſer der
Lettres Germaniques, und andern Spoͤtter ſeiner Art.
Haͤrte er in einer andern Sprache ꝛc.) Vielleicht
meint er die lateiniſche: Denn ſo haͤtten ſeine Critick
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