[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.
"aber leiten und so weitläuftig auszuführen, sondern wie die-
se Materien geschickt auf das Absonderliche gezogen, und nach dem verjüngten Maßstabe ins Kleine gebracht werden können. So hat er z. Ex. in dem 4ten Haupt- stücke, wo er von den drey Gattungen der poetischen Nachahmung handelt, die gantze weitläuftige Materie von der Poetischen Schilderey, wovon Hr. Bodmer von Zürch erst neulich ein grosses Werck mehr als 40. Bogen starck herausgegeben, in zwo Octav-Seiten Bl. 136. u. 137. gantz vollständig abgehandelt. So hat er auch die Materie von den Charactern Bl. 138. bis 141. in 3. §. §. gar künstlich ausgeführet. Die Erklärung von der Natur der Fabel hat ihm recht sau- re Müh gekostet, und doch als er sie zu Stand gebracht hatte, blieb ihm noch die Frage übrig zu erörtern: Ob die poetischen Fabeln nothwendig moralische Ab- sichten haben müssen[:] Bl. 151. Jn dem folgenden fünften Hauptstücke bekümmert er sich nicht lange, die Natur des Wunderbaren zu erklären, sondern er thei- let das Wunderbare in seine Classen ein, und ist ins- besondere der Abschnitt von der poetischen Anruffung der Götter sehr ausführlich gerathen, von Bl. 162. bis 170. Jn dem sechsten Hauptstücke, wo er von der Wahrscheinlichkeit in der Poesie handelt, giebt er sich nicht lange Mühe, die Natur derselben auszu- kundschaften und ihre Grade zu bestimmen; sondern er läßt die alten und neuen Epischen Dichter von Ho- mer an bis auf Voltaire durch die Musterung gehen, und verweiset ihnen alle die Unwahrscheinlichkeiten, die ihnen jemahls mögen zur Last geleget worden seyn, denn er gläubt, daß diejenigen keine Narren gewesen, von denen er seine Beschuldigungen geborget hat. Es verdiente auch diese Dichtkunst in Absicht auf den Ver- fasser
„aber leiten und ſo weitlaͤuftig auszufuͤhren, ſondern wie die-
ſe Materien geſchickt auf das Abſonderliche gezogen, und nach dem verjuͤngten Maßſtabe ins Kleine gebracht werden koͤnnen. So hat er z. Ex. in dem 4ten Haupt- ſtuͤcke, wo er von den drey Gattungen der poetiſchen Nachahmung handelt, die gantze weitlaͤuftige Materie von der Poetiſchen Schilderey, wovon Hr. Bodmer von Zuͤrch erſt neulich ein groſſes Werck mehr als 40. Bogen ſtarck herausgegeben, in zwo Octav-Seiten Bl. 136. u. 137. gantz vollſtaͤndig abgehandelt. So hat er auch die Materie von den Charactern Bl. 138. bis 141. in 3. §. §. gar kuͤnſtlich ausgefuͤhret. Die Erklaͤrung von der Natur der Fabel hat ihm recht ſau- re Muͤh gekoſtet, und doch als er ſie zu Stand gebracht hatte, blieb ihm noch die Frage uͤbrig zu eroͤrtern: Ob die poetiſchen Fabeln nothwendig moraliſche Ab- ſichten haben muͤſſen[:] Bl. 151. Jn dem folgenden fuͤnften Hauptſtuͤcke bekuͤmmert er ſich nicht lange, die Natur des Wunderbaren zu erklaͤren, ſondern er thei- let das Wunderbare in ſeine Claſſen ein, und iſt ins- beſondere der Abſchnitt von der poetiſchen Anruffung der Goͤtter ſehr ausfuͤhrlich gerathen, von Bl. 162. bis 170. Jn dem ſechsten Hauptſtuͤcke, wo er von der Wahrſcheinlichkeit in der Poeſie handelt, giebt er ſich nicht lange Muͤhe, die Natur derſelben auszu- kundſchaften und ihre Grade zu beſtimmen; ſondern er laͤßt die alten und neuen Epiſchen Dichter von Ho- mer an bis auf Voltaire durch die Muſterung gehen, und verweiſet ihnen alle die Unwahrſcheinlichkeiten, die ihnen jemahls moͤgen zur Laſt geleget worden ſeyn, denn er glaͤubt, daß diejenigen keine Narren geweſen, von denen er ſeine Beſchuldigungen geborget hat. Es verdiente auch dieſe Dichtkunſt in Abſicht auf den Ver- faſſer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <cit> <quote><pb facs="#f0072" n="70"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Mehrere authentiſche Urkunden</hi></fw><lb/> „<hi rendition="#fr">haupt gehoͤren, ſehr weitlaͤuftig, andre</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch">„<hi rendition="#fr">aber</hi></fw><lb/><note xml:id="f40" prev="#f39" place="foot" next="#f41">leiten und ſo weitlaͤuftig auszufuͤhren, ſondern wie die-<lb/> ſe Materien geſchickt auf das Abſonderliche gezogen,<lb/> und nach dem verjuͤngten Maßſtabe ins Kleine gebracht<lb/> werden koͤnnen. So hat er z. Ex. in dem 4ten Haupt-<lb/> ſtuͤcke, wo er von den drey Gattungen der poetiſchen<lb/> Nachahmung handelt, die gantze weitlaͤuftige Materie<lb/> von <hi rendition="#fr">der Poetiſchen Schilderey,</hi> wovon Hr. Bodmer<lb/> von Zuͤrch erſt neulich ein groſſes Werck mehr als 40.<lb/> Bogen ſtarck herausgegeben, in zwo Octav-Seiten<lb/> Bl. 136. u. 137. gantz vollſtaͤndig abgehandelt. So<lb/> hat er auch die Materie von <hi rendition="#fr">den Charactern</hi> Bl. 138.<lb/> bis 141. in 3. §. §. gar kuͤnſtlich ausgefuͤhret. Die<lb/> Erklaͤrung von der Natur der Fabel hat ihm recht ſau-<lb/> re Muͤh gekoſtet, und doch als er ſie zu Stand gebracht<lb/> hatte, blieb ihm noch die Frage uͤbrig zu eroͤrtern:<lb/><hi rendition="#fr">Ob die poetiſchen Fabeln nothwendig moraliſche Ab-<lb/> ſichten haben muͤſſen<supplied>:</supplied></hi> Bl. 151. Jn dem folgenden<lb/> fuͤnften Hauptſtuͤcke bekuͤmmert er ſich nicht lange, die<lb/> Natur des Wunderbaren zu erklaͤren, ſondern er thei-<lb/> let das Wunderbare in ſeine Claſſen ein, und iſt ins-<lb/> beſondere der Abſchnitt von der poetiſchen Anruffung<lb/> der Goͤtter ſehr ausfuͤhrlich gerathen, von Bl. 162.<lb/> bis 170. Jn dem ſechsten Hauptſtuͤcke, wo er von<lb/> der Wahrſcheinlichkeit in der Poeſie handelt, giebt er<lb/> ſich nicht lange Muͤhe, die Natur derſelben auszu-<lb/> kundſchaften und ihre Grade zu beſtimmen; ſondern<lb/> er laͤßt die alten und neuen Epiſchen Dichter von Ho-<lb/> mer an bis auf Voltaire durch die Muſterung gehen,<lb/> und verweiſet ihnen alle die Unwahrſcheinlichkeiten, die<lb/> ihnen jemahls moͤgen zur Laſt geleget worden ſeyn,<lb/> denn er glaͤubt, daß diejenigen keine Narren geweſen,<lb/> von denen er ſeine Beſchuldigungen geborget hat. Es<lb/> verdiente auch dieſe Dichtkunſt in Abſicht auf den Ver-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">faſſer</fw></note><lb/></quote> </cit> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0072]
Mehrere authentiſche Urkunden
„haupt gehoͤren, ſehr weitlaͤuftig, andre
„aber
leiten und ſo weitlaͤuftig auszufuͤhren, ſondern wie die-
ſe Materien geſchickt auf das Abſonderliche gezogen,
und nach dem verjuͤngten Maßſtabe ins Kleine gebracht
werden koͤnnen. So hat er z. Ex. in dem 4ten Haupt-
ſtuͤcke, wo er von den drey Gattungen der poetiſchen
Nachahmung handelt, die gantze weitlaͤuftige Materie
von der Poetiſchen Schilderey, wovon Hr. Bodmer
von Zuͤrch erſt neulich ein groſſes Werck mehr als 40.
Bogen ſtarck herausgegeben, in zwo Octav-Seiten
Bl. 136. u. 137. gantz vollſtaͤndig abgehandelt. So
hat er auch die Materie von den Charactern Bl. 138.
bis 141. in 3. §. §. gar kuͤnſtlich ausgefuͤhret. Die
Erklaͤrung von der Natur der Fabel hat ihm recht ſau-
re Muͤh gekoſtet, und doch als er ſie zu Stand gebracht
hatte, blieb ihm noch die Frage uͤbrig zu eroͤrtern:
Ob die poetiſchen Fabeln nothwendig moraliſche Ab-
ſichten haben muͤſſen: Bl. 151. Jn dem folgenden
fuͤnften Hauptſtuͤcke bekuͤmmert er ſich nicht lange, die
Natur des Wunderbaren zu erklaͤren, ſondern er thei-
let das Wunderbare in ſeine Claſſen ein, und iſt ins-
beſondere der Abſchnitt von der poetiſchen Anruffung
der Goͤtter ſehr ausfuͤhrlich gerathen, von Bl. 162.
bis 170. Jn dem ſechsten Hauptſtuͤcke, wo er von
der Wahrſcheinlichkeit in der Poeſie handelt, giebt er
ſich nicht lange Muͤhe, die Natur derſelben auszu-
kundſchaften und ihre Grade zu beſtimmen; ſondern
er laͤßt die alten und neuen Epiſchen Dichter von Ho-
mer an bis auf Voltaire durch die Muſterung gehen,
und verweiſet ihnen alle die Unwahrſcheinlichkeiten, die
ihnen jemahls moͤgen zur Laſt geleget worden ſeyn,
denn er glaͤubt, daß diejenigen keine Narren geweſen,
von denen er ſeine Beſchuldigungen geborget hat. Es
verdiente auch dieſe Dichtkunſt in Abſicht auf den Ver-
faſſer
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