Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

Ablehnung des Verdachts/
der Uebersetzer M. nicht gewartet, ob wir die
Schönheiten in dem V. P. freywillig empfin-
den wollten, sondern sich vermessen, uns in einer
langen Legende zu überführen, daß wir es aus
Nothwendigkeit thun müßten, weil M. solche
Springfedern u. Triebräder in sein Gedichte
gebracht, welche der Natur des menschl. Her-
zens gemäß ihre gewissen Würckungen thäten.
Auf diese Weise kömmt man mit uns nicht aus;
wir wissen uns, wenn es uns gefällt, in unsrer al-
ten Gleichgültigkeit
zu erhalten. Jch kan zwar
nicht leugnen, daß nicht ein halb duzt ungera-
thene Landskinder in Zürch u. Bern zur Secte
Addisons übergegangen;
allein mit dem gros-
sen Haufen hat es keine Gefahr; insbesondere
kan mir Hr. G. glauben, daß die Einwohner
der Alpen, je tieffer sie in den Spälten der Ber-
ge wohnen, destoweniger von M. Lobrednern
eingenommen sind; man könnte also noch richtig
zu 50000. Eidsgenossen zehlen, ohne Weiber
u. Kinder, welche nur nicht gehöret haben, daß
ein Milt. oder Addison gewesen. Jch muß auch
ihm zum Trost erwähnen, ob Hr. Haller gleich
diese Alpenbewohner, ihre Berge, Kräuter u.
Blumen auf das genaueste kennet, daß die Ge-
dichte dieses halben Milt. bey ihnen hingegen so
unbekannt sind, als Arminius u. Banise, so daß
man nicht fürchten darf, daß der Miltonische
Schwulst, seine ungeheure Einbildungen u.
hochtrabenden Ausdrückungen
mit ihrem
glänzenden Nichts den unschuldigen Geschmak
dieser Leute so bald verderben werden. So fern

ist

Ablehnung des Verdachts/
der Ueberſetzer M. nicht gewartet, ob wir die
Schoͤnheiten in dem V. P. freywillig empfin-
den wollten, ſondern ſich vermeſſen, uns in einer
langen Legende zu uͤberfuͤhren, daß wir es aus
Nothwendigkeit thun muͤßten, weil M. ſolche
Springfedern u. Triebraͤder in ſein Gedichte
gebracht, welche der Natur des menſchl. Her-
zens gemaͤß ihre gewiſſen Wuͤrckungen thaͤten.
Auf dieſe Weiſe koͤm̃t man mit uns nicht aus;
wir wiſſen uns, weñ es uns gefaͤllt, in unſrer al-
ten Gleichguͤltigkeit
zu erhalten. Jch kan zwar
nicht leugnen, daß nicht ein halb duzt ungera-
thene Landskinder in Zuͤrch u. Bern zur Secte
Addiſons uͤbergegangen;
allein mit dem groſ-
ſen Haufen hat es keine Gefahr; insbeſondere
kan mir Hr. G. glauben, daß die Einwohner
der Alpen, je tieffer ſie in den Spaͤlten der Ber-
ge wohnen, deſtoweniger von M. Lobrednern
eingenom̃en ſind; man koͤñte alſo noch richtig
zu 50000. Eidsgenoſſen zehlen, ohne Weiber
u. Kinder, welche nur nicht gehoͤret haben, daß
ein Milt. oder Addiſon geweſen. Jch muß auch
ihm zum Troſt erwaͤhnen, ob Hr. Haller gleich
dieſe Alpenbewohner, ihre Berge, Kraͤuter u.
Blumen auf das genaueſte kennet, daß die Ge-
dichte dieſes halben Milt. bey ihnen hingegen ſo
unbekañt ſind, als Arminius u. Baniſe, ſo daß
man nicht fuͤrchten darf, daß der Miltoniſche
Schwulſt, ſeine ungeheure Einbildungen u.
hochtrabenden Ausdruͤckungen
mit ihrem
glaͤnzenden Nichts den unſchuldigen Geſchmak
dieſer Leute ſo bald verderben werden. So fern

iſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0078" n="76"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ablehnung des Verdachts/</hi></fw><lb/>
der Ueber&#x017F;etzer M. nicht gewartet, ob wir die<lb/>
Scho&#x0364;nheiten in dem V. P. <hi rendition="#fr">freywillig</hi> empfin-<lb/>
den wollten, &#x017F;ondern &#x017F;ich verme&#x017F;&#x017F;en, uns in einer<lb/>
langen Legende zu u&#x0364;berfu&#x0364;hren, daß wir es aus<lb/>
Nothwendigkeit thun mu&#x0364;ßten, weil M. &#x017F;olche<lb/>
Springfedern u. Triebra&#x0364;der in &#x017F;ein Gedichte<lb/>
gebracht, welche der Natur des men&#x017F;chl. Her-<lb/>
zens gema&#x0364;ß ihre gewi&#x017F;&#x017F;en Wu&#x0364;rckungen tha&#x0364;ten.<lb/>
Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e ko&#x0364;m&#x0303;t man mit uns nicht aus;<lb/>
wir wi&#x017F;&#x017F;en uns, wen&#x0303; es uns gefa&#x0364;llt, <hi rendition="#fr">in un&#x017F;rer al-<lb/>
ten Gleichgu&#x0364;ltigkeit</hi> zu erhalten. Jch kan zwar<lb/>
nicht leugnen, daß nicht ein halb duzt ungera-<lb/>
thene Landskinder in Zu&#x0364;rch u. Bern <hi rendition="#fr">zur Secte<lb/>
Addi&#x017F;ons u&#x0364;bergegangen;</hi> allein mit dem gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Haufen hat es keine Gefahr; insbe&#x017F;ondere<lb/>
kan mir Hr. G. glauben, daß die Einwohner<lb/>
der Alpen, je tieffer &#x017F;ie in den Spa&#x0364;lten der Ber-<lb/>
ge wohnen, de&#x017F;toweniger von M. Lobrednern<lb/>
eingenom&#x0303;en &#x017F;ind; man ko&#x0364;n&#x0303;te al&#x017F;o noch richtig<lb/>
zu 50000. Eidsgeno&#x017F;&#x017F;en zehlen, ohne Weiber<lb/>
u. Kinder, welche nur nicht geho&#x0364;ret haben, daß<lb/>
ein Milt. oder Addi&#x017F;on gewe&#x017F;en. Jch muß auch<lb/>
ihm zum Tro&#x017F;t erwa&#x0364;hnen, ob Hr. Haller gleich<lb/>
die&#x017F;e Alpenbewohner, ihre Berge, Kra&#x0364;uter u.<lb/>
Blumen auf das genaue&#x017F;te kennet, daß die Ge-<lb/>
dichte die&#x017F;es <hi rendition="#fr">halben Milt.</hi> bey ihnen hingegen &#x017F;o<lb/>
unbekan&#x0303;t &#x017F;ind, als Arminius u. Bani&#x017F;e, &#x017F;o daß<lb/>
man nicht fu&#x0364;rchten darf, daß der <hi rendition="#fr">Miltoni&#x017F;che<lb/>
Schwul&#x017F;t, &#x017F;eine ungeheure Einbildungen u.<lb/>
hochtrabenden Ausdru&#x0364;ckungen</hi> mit ihrem<lb/><hi rendition="#fr">gla&#x0364;nzenden Nichts</hi> den un&#x017F;chuldigen Ge&#x017F;chmak<lb/>
die&#x017F;er Leute &#x017F;o bald verderben werden. So fern<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">i&#x017F;t</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0078] Ablehnung des Verdachts/ der Ueberſetzer M. nicht gewartet, ob wir die Schoͤnheiten in dem V. P. freywillig empfin- den wollten, ſondern ſich vermeſſen, uns in einer langen Legende zu uͤberfuͤhren, daß wir es aus Nothwendigkeit thun muͤßten, weil M. ſolche Springfedern u. Triebraͤder in ſein Gedichte gebracht, welche der Natur des menſchl. Her- zens gemaͤß ihre gewiſſen Wuͤrckungen thaͤten. Auf dieſe Weiſe koͤm̃t man mit uns nicht aus; wir wiſſen uns, weñ es uns gefaͤllt, in unſrer al- ten Gleichguͤltigkeit zu erhalten. Jch kan zwar nicht leugnen, daß nicht ein halb duzt ungera- thene Landskinder in Zuͤrch u. Bern zur Secte Addiſons uͤbergegangen; allein mit dem groſ- ſen Haufen hat es keine Gefahr; insbeſondere kan mir Hr. G. glauben, daß die Einwohner der Alpen, je tieffer ſie in den Spaͤlten der Ber- ge wohnen, deſtoweniger von M. Lobrednern eingenom̃en ſind; man koͤñte alſo noch richtig zu 50000. Eidsgenoſſen zehlen, ohne Weiber u. Kinder, welche nur nicht gehoͤret haben, daß ein Milt. oder Addiſon geweſen. Jch muß auch ihm zum Troſt erwaͤhnen, ob Hr. Haller gleich dieſe Alpenbewohner, ihre Berge, Kraͤuter u. Blumen auf das genaueſte kennet, daß die Ge- dichte dieſes halben Milt. bey ihnen hingegen ſo unbekañt ſind, als Arminius u. Baniſe, ſo daß man nicht fuͤrchten darf, daß der Miltoniſche Schwulſt, ſeine ungeheure Einbildungen u. hochtrabenden Ausdruͤckungen mit ihrem glaͤnzenden Nichts den unſchuldigen Geſchmak dieſer Leute ſo bald verderben werden. So fern iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/78
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/78>, abgerufen am 23.11.2024.