Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Schreibart
in seinen Geist gewebet. Es wird in seinen
Reden niemahls Tag. Das Leben vergies-
sen.
(*) Die Hölle stille stellen.(a) Die Re-
de in Ertzt giessen.
(b) Ein Begriff streift
an den andern. Das Gemüthe in Lust wie-
gen. Kühlung in das Geblüte giessen. Die
Neigung stimmen. Mit Spott gewürtzt.
Die Gedanken senken sich in einander. Wahr-
scheinlichkeit in die Fabel senken. Ein Gedicht
mit falschem Witze düngen. Den Witz mit Un-
witz besprengen. Den Gang der Neigung
auffangen. Die Lust in Thiere und Men-
schen senken. Den Geist erschöpfen. Der
Schmerz, der mit Haken ausgespizt ist. Die
Tiefe, die im Schicksal hängt. Verstand
und Anmuth fliessen in seinen Versen. Die
Trauer von den Wangen wischen.
(c) Das

Wun-
(*) Um des Poeten Lob ihr Leben zu vergiessen.
Character der deutsch. Ged. V. 39.
(a) Milt. im zweyten B. Jhr Gesang war parthey-
isch, aber die Harmonie desselben stellete die Hölle stille.
Their song was partial but the harmony
Suspended Hell.
(b) Auf diese Weise hat Boileau gesagt, peindre la
parole, parler aux yeux, donner de la couleur & du
corps aux pensees,
welche Redensarten von den französi-
schen Kunstlehrern sehr bewundert worden.
(c) Jch habe dieses Bild in der Klageschrift gebraucht,
der ich die Aufschrift gemacht hatte, die Trauer eines
Vaters,
welche hernach von dem Herausgeber mit der
lang-

Von der Schreibart
in ſeinen Geiſt gewebet. Es wird in ſeinen
Reden niemahls Tag. Das Leben vergieſ-
ſen.
(*) Die Hoͤlle ſtille ſtellen.(a) Die Re-
de in Ertzt gieſſen.
(b) Ein Begriff ſtreift
an den andern. Das Gemuͤthe in Luſt wie-
gen. Kuͤhlung in das Gebluͤte gieſſen. Die
Neigung ſtimmen. Mit Spott gewuͤrtzt.
Die Gedanken ſenken ſich in einander. Wahr-
ſcheinlichkeit in die Fabel ſenken. Ein Gedicht
mit falſchem Witze duͤngen. Den Witz mit Un-
witz beſprengen. Den Gang der Neigung
auffangen. Die Luſt in Thiere und Men-
ſchen ſenken. Den Geiſt erſchoͤpfen. Der
Schmerz, der mit Haken ausgeſpizt iſt. Die
Tiefe, die im Schickſal haͤngt. Verſtand
und Anmuth flieſſen in ſeinen Verſen. Die
Trauer von den Wangen wiſchen.
(c) Das

Wun-
(*) Um des Poeten Lob ihr Leben zu vergieſſen.
Character der deutſch. Ged. V. 39.
(a) Milt. im zweyten B. Jhr Geſang war parthey-
iſch, aber die Harmonie deſſelben ſtellete die Hoͤlle ſtille.
Their ſong was partial but the harmony
Suſpended Hell.
(b) Auf dieſe Weiſe hat Boileau geſagt, peindre la
parole, parler aux yeux, donner de la couleur & du
corps aux penſées,
welche Redensarten von den franzoͤſi-
ſchen Kunſtlehrern ſehr bewundert worden.
(c) Jch habe dieſes Bild in der Klageſchrift gebraucht,
der ich die Aufſchrift gemacht hatte, die Trauer eines
Vaters,
welche hernach von dem Herausgeber mit der
lang-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0112" n="110"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Schreibart</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">in &#x017F;einen Gei&#x017F;t gewebet. Es wird in &#x017F;einen<lb/>
Reden niemahls Tag. Das Leben vergie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en.</hi><note place="foot" n="(*)">Um des Poeten Lob ihr Leben zu vergie&#x017F;&#x017F;en.<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Character der deut&#x017F;ch. Ged. V.</hi> 39.</hi></note><hi rendition="#fr">Die Ho&#x0364;lle &#x017F;tille &#x017F;tellen.</hi><note place="foot" n="(a)">Milt. im zweyten B. Jhr Ge&#x017F;ang war parthey-<lb/>
i&#x017F;ch, aber die Harmonie de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;tellete die Ho&#x0364;lle &#x017F;tille.<lb/><hi rendition="#aq">Their &#x017F;ong was partial but the harmony<lb/>
Su&#x017F;pended Hell.</hi></note><hi rendition="#fr">Die Re-<lb/>
de in Ertzt gie&#x017F;&#x017F;en.</hi><note place="foot" n="(b)">Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e hat Boileau ge&#x017F;agt, <hi rendition="#aq">peindre la<lb/>
parole, parler aux yeux, donner de la couleur &amp; du<lb/>
corps aux pen&#x017F;ées,</hi> welche Redensarten von den franzo&#x0364;&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;chen Kun&#x017F;tlehrern &#x017F;ehr bewundert worden.</note><hi rendition="#fr">Ein Begriff &#x017F;treift<lb/>
an den andern. Das Gemu&#x0364;the in Lu&#x017F;t wie-<lb/>
gen. Ku&#x0364;hlung in das Geblu&#x0364;te gie&#x017F;&#x017F;en. Die<lb/>
Neigung &#x017F;timmen. Mit Spott gewu&#x0364;rtzt.<lb/>
Die Gedanken &#x017F;enken &#x017F;ich in einander. Wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlichkeit in die Fabel &#x017F;enken. Ein Gedicht<lb/>
mit fal&#x017F;chem Witze du&#x0364;ngen. Den Witz mit Un-<lb/>
witz be&#x017F;prengen. Den Gang der Neigung<lb/>
auffangen. Die Lu&#x017F;t in Thiere und Men-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;enken. Den Gei&#x017F;t er&#x017F;cho&#x0364;pfen. Der<lb/>
Schmerz, der mit Haken ausge&#x017F;pizt i&#x017F;t. Die<lb/>
Tiefe, die im Schick&#x017F;al ha&#x0364;ngt. Ver&#x017F;tand<lb/>
und Anmuth flie&#x017F;&#x017F;en in &#x017F;einen Ver&#x017F;en. Die<lb/>
Trauer von den Wangen wi&#x017F;chen.</hi><note xml:id="f01" next="#f02" place="foot" n="(c)">Jch habe die&#x017F;es Bild in der Klage&#x017F;chrift gebraucht,<lb/>
der ich die Auf&#x017F;chrift gemacht hatte, <hi rendition="#fr">die Trauer eines<lb/>
Vaters,</hi> welche hernach von dem Herausgeber mit der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lang-</fw></note> Das<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wun-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0112] Von der Schreibart in ſeinen Geiſt gewebet. Es wird in ſeinen Reden niemahls Tag. Das Leben vergieſ- ſen. (*) Die Hoͤlle ſtille ſtellen. (a) Die Re- de in Ertzt gieſſen. (b) Ein Begriff ſtreift an den andern. Das Gemuͤthe in Luſt wie- gen. Kuͤhlung in das Gebluͤte gieſſen. Die Neigung ſtimmen. Mit Spott gewuͤrtzt. Die Gedanken ſenken ſich in einander. Wahr- ſcheinlichkeit in die Fabel ſenken. Ein Gedicht mit falſchem Witze duͤngen. Den Witz mit Un- witz beſprengen. Den Gang der Neigung auffangen. Die Luſt in Thiere und Men- ſchen ſenken. Den Geiſt erſchoͤpfen. Der Schmerz, der mit Haken ausgeſpizt iſt. Die Tiefe, die im Schickſal haͤngt. Verſtand und Anmuth flieſſen in ſeinen Verſen. Die Trauer von den Wangen wiſchen. (c) Das Wun- (*) Um des Poeten Lob ihr Leben zu vergieſſen. Character der deutſch. Ged. V. 39. (a) Milt. im zweyten B. Jhr Geſang war parthey- iſch, aber die Harmonie deſſelben ſtellete die Hoͤlle ſtille. Their ſong was partial but the harmony Suſpended Hell. (b) Auf dieſe Weiſe hat Boileau geſagt, peindre la parole, parler aux yeux, donner de la couleur & du corps aux penſées, welche Redensarten von den franzoͤſi- ſchen Kunſtlehrern ſehr bewundert worden. (c) Jch habe dieſes Bild in der Klageſchrift gebraucht, der ich die Aufſchrift gemacht hatte, die Trauer eines Vaters, welche hernach von dem Herausgeber mit der lang-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/112
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/112>, abgerufen am 21.11.2024.