[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.Von der Schreibart so ist auch diese, wenn sie nicht ohne Ursache ge-nommen, und mit Vorsichtigkeit und Bescheiden- heit gebraucht wird, der deutschen Nation in ih- rer Sprache nicht zuwieder, und die Sprache läßt es ihr nicht entgegen seyn, daß sie auf diese Weise erweitert wird, massen sie wohl empfindet, daß sie noch nicht auf den höchsten Grad der Voll- kommenheit gestiegen ist, dessen sie fähig ist. Da- rum können wir ohne Furcht neue Wörter von der Sittsamkeit der folgenden einführen: Verpa- radiest, Paradiesmässig, mißgeschaffen, Miß- thon, Holleverdammt, Verkehrtheit, Ent- haltsamkeit, sonnigt, abändern, thauend, dämmernd, Unding, veredeln, überthür- men, überfliessen, schlakigt, unablänglich, Empfindniß, Nothgeschicke, abgezogen, bräut- lich, unwillkommen, Unreife, Unform, Jn- nigkeit, Zugethanheit, Luftig für Aereus, be- schönen, unerkennbar, Begriff in seiner ur- sprünglichen Bedeutung, die es in dem Verse hat: Dieweil er im Begriff von ihrem Würbel stand. Mürben: Und mürbte sie der fremde Zwang. Vervielfachen: Die in gehäufter Zahl sich izt vervielfacht haben. Alle diese und dergleichen Wörter sind eigentlich unsrer
Von der Schreibart ſo iſt auch dieſe, wenn ſie nicht ohne Urſache ge-nommen, und mit Vorſichtigkeit und Beſcheiden- heit gebraucht wird, der deutſchen Nation in ih- rer Sprache nicht zuwieder, und die Sprache laͤßt es ihr nicht entgegen ſeyn, daß ſie auf dieſe Weiſe erweitert wird, maſſen ſie wohl empfindet, daß ſie noch nicht auf den hoͤchſten Grad der Voll- kommenheit geſtiegen iſt, deſſen ſie faͤhig iſt. Da- rum koͤnnen wir ohne Furcht neue Woͤrter von der Sittſamkeit der folgenden einfuͤhren: Verpa- radieſt, Paradiesmaͤſſig, mißgeſchaffen, Miß- thon, Holleverdammt, Verkehrtheit, Ent- haltſamkeit, ſonnigt, abaͤndern, thauend, daͤmmernd, Unding, veredeln, uͤberthuͤr- men, uͤberflieſſen, ſchlakigt, unablaͤnglich, Empfindniß, Nothgeſchicke, abgezogen, braͤut- lich, unwillkommen, Unreife, Unform, Jn- nigkeit, Zugethanheit, Luftig fuͤr Aereus, be- ſchoͤnen, unerkennbar, Begriff in ſeiner ur- ſpruͤnglichen Bedeutung, die es in dem Verſe hat: Dieweil er im Begriff von ihrem Wuͤrbel ſtand. Muͤrben: Und muͤrbte ſie der fremde Zwang. Vervielfachen: Die in gehaͤufter Zahl ſich izt vervielfacht haben. Alle dieſe und dergleichen Woͤrter ſind eigentlich unſrer
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0122" n="120"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Schreibart</hi></fw><lb/> ſo iſt auch dieſe, wenn ſie nicht ohne Urſache ge-<lb/> nommen, und mit Vorſichtigkeit und Beſcheiden-<lb/> heit gebraucht wird, der deutſchen Nation in ih-<lb/> rer Sprache nicht zuwieder, und die Sprache<lb/> laͤßt es ihr nicht entgegen ſeyn, daß ſie auf dieſe<lb/> Weiſe erweitert wird, maſſen ſie wohl empfindet,<lb/> daß ſie noch nicht auf den hoͤchſten Grad der Voll-<lb/> kommenheit geſtiegen iſt, deſſen ſie faͤhig iſt. Da-<lb/> rum koͤnnen wir ohne Furcht neue Woͤrter von<lb/> der Sittſamkeit der folgenden einfuͤhren: <hi rendition="#fr">Verpa-<lb/> radieſt, Paradiesmaͤſſig, mißgeſchaffen, Miß-<lb/> thon, Holleverdammt, Verkehrtheit, Ent-<lb/> haltſamkeit, ſonnigt, abaͤndern, thauend,<lb/> daͤmmernd, Unding, veredeln, uͤberthuͤr-<lb/> men, uͤberflieſſen, ſchlakigt, unablaͤnglich,<lb/> Empfindniß, Nothgeſchicke, abgezogen, braͤut-<lb/> lich, unwillkommen, Unreife, Unform, Jn-<lb/> nigkeit, Zugethanheit, Luftig</hi> fuͤr <hi rendition="#aq">Aereus,</hi> <hi rendition="#fr">be-<lb/> ſchoͤnen, unerkennbar, Begriff</hi> in ſeiner ur-<lb/> ſpruͤnglichen Bedeutung, die es in dem Verſe hat:</p><lb/> <cit> <quote>Dieweil er im Begriff von ihrem Wuͤrbel ſtand.</quote> </cit><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Muͤrben:</hi> </p><lb/> <cit> <quote>Und muͤrbte ſie der fremde Zwang.<lb/><hi rendition="#et">Spreng 106. Pſ.</hi></quote> </cit><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Vervielfachen:</hi> </p><lb/> <cit> <quote>Die in gehaͤufter Zahl ſich izt vervielfacht haben.<lb/><hi rendition="#et">Koͤnig.</hi></quote> </cit><lb/> <p>Alle dieſe und dergleichen Woͤrter ſind eigentlich<lb/> nur in ihrer Zuſammenſezung neu, wegen der vor-<lb/> geſetzten oder angehaͤngten Sylben, das Grund-<lb/> wort darinnen iſt gantz bekannt; ja dieſe Beyſaͤ-<lb/> ze ſelber haben ſchon eine beſtimmte Bedeutung in<lb/> <fw place="bottom" type="catch">unſrer</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [120/0122]
Von der Schreibart
ſo iſt auch dieſe, wenn ſie nicht ohne Urſache ge-
nommen, und mit Vorſichtigkeit und Beſcheiden-
heit gebraucht wird, der deutſchen Nation in ih-
rer Sprache nicht zuwieder, und die Sprache
laͤßt es ihr nicht entgegen ſeyn, daß ſie auf dieſe
Weiſe erweitert wird, maſſen ſie wohl empfindet,
daß ſie noch nicht auf den hoͤchſten Grad der Voll-
kommenheit geſtiegen iſt, deſſen ſie faͤhig iſt. Da-
rum koͤnnen wir ohne Furcht neue Woͤrter von
der Sittſamkeit der folgenden einfuͤhren: Verpa-
radieſt, Paradiesmaͤſſig, mißgeſchaffen, Miß-
thon, Holleverdammt, Verkehrtheit, Ent-
haltſamkeit, ſonnigt, abaͤndern, thauend,
daͤmmernd, Unding, veredeln, uͤberthuͤr-
men, uͤberflieſſen, ſchlakigt, unablaͤnglich,
Empfindniß, Nothgeſchicke, abgezogen, braͤut-
lich, unwillkommen, Unreife, Unform, Jn-
nigkeit, Zugethanheit, Luftig fuͤr Aereus, be-
ſchoͤnen, unerkennbar, Begriff in ſeiner ur-
ſpruͤnglichen Bedeutung, die es in dem Verſe hat:
Dieweil er im Begriff von ihrem Wuͤrbel ſtand.
Muͤrben:
Und muͤrbte ſie der fremde Zwang.
Spreng 106. Pſ.
Vervielfachen:
Die in gehaͤufter Zahl ſich izt vervielfacht haben.
Koͤnig.
Alle dieſe und dergleichen Woͤrter ſind eigentlich
nur in ihrer Zuſammenſezung neu, wegen der vor-
geſetzten oder angehaͤngten Sylben, das Grund-
wort darinnen iſt gantz bekannt; ja dieſe Beyſaͤ-
ze ſelber haben ſchon eine beſtimmte Bedeutung in
unſrer
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |