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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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Nachrichten
hat er allen fähigen Geistern Deutschlandes ei-
nen Tummelplatz eröffnen, und eine erwünschte
Gelegenheit zeigen wollen, ihre kleinen scharfsin-
nigen Aufsäze der Welt vorlegen zu können. Denn
er hatte sich vorgesezet, das leichtsinnige Gespötte
des französischen Briefstellers nicht so fast durch
theoretische Widerlegungen und weitläuftige Er-
weise, als vielmehr durch practische Proben abzu-
weisen, und die ehrbare Welt von der Fähigkeit
des deutschen Wizes durch die Empfindung zu über-
führen. Dieses ist auch unstreitig der beste und
gewisseste Weg der Vertheidigung, eben wie die-
ses die beste Busse ist, eine Thorheit nicht mehr
begehen: Aber diese Art der Vertheidigung ist
dabey die allergefährlichste; denn woferne die Pro-
ben, auf die man den Credit des Wizes und Ver-
standes einer ganzen Nation sezet, nicht von dem
besten Schrote und Korn sind, so bekräftigen sie
nicht alleine den Vorwurff eines verderbten Ge-
schmacks und des Unverstands, sondern sind ein
unauslöschliches Denckmahl der Dummheit, und
schlimmer als ein offentliches Geständniß der An-
klage. Doch es scheinet, daß der Hr. M. Schwa-
be keine Ursache habe einiges Mißtrauen in die
Fruchtbarkeit und Fähigkeit des deutschen Wizes
zu sezen, weil er sich zum Voraus anheischig ma-
chet, alle Monate sechs Bogen voll sinnreicher Ge-
danken und Einfälle zum Beweisthum der uner-
schöpflichen Kraft des deutschen Wizes zu liefern.

Meine Leser werden verlangen, daß ich ihnen
nunmehr einen nähern Unterricht von diesem gros-
sen Vorhaben des Hrn. M. Schwabe ertheile;

dessen

Nachrichten
hat er allen faͤhigen Geiſtern Deutſchlandes ei-
nen Tummelplatz eroͤffnen, und eine erwuͤnſchte
Gelegenheit zeigen wollen, ihre kleinen ſcharfſin-
nigen Aufſaͤze der Welt vorlegen zu koͤnnen. Denn
er hatte ſich vorgeſezet, das leichtſinnige Geſpoͤtte
des franzoͤſiſchen Briefſtellers nicht ſo faſt durch
theoretiſche Widerlegungen und weitlaͤuftige Er-
weiſe, als vielmehr durch practiſche Proben abzu-
weiſen, und die ehrbare Welt von der Faͤhigkeit
des deutſchen Wizes durch die Empfindung zu uͤber-
fuͤhren. Dieſes iſt auch unſtreitig der beſte und
gewiſſeſte Weg der Vertheidigung, eben wie die-
ſes die beſte Buſſe iſt, eine Thorheit nicht mehr
begehen: Aber dieſe Art der Vertheidigung iſt
dabey die allergefaͤhrlichſte; denn woferne die Pro-
ben, auf die man den Credit des Wizes und Ver-
ſtandes einer ganzen Nation ſezet, nicht von dem
beſten Schrote und Korn ſind, ſo bekraͤftigen ſie
nicht alleine den Vorwurff eines verderbten Ge-
ſchmacks und des Unverſtands, ſondern ſind ein
unausloͤſchliches Denckmahl der Dummheit, und
ſchlimmer als ein offentliches Geſtaͤndniß der An-
klage. Doch es ſcheinet, daß der Hr. M. Schwa-
be keine Urſache habe einiges Mißtrauen in die
Fruchtbarkeit und Faͤhigkeit des deutſchen Wizes
zu ſezen, weil er ſich zum Voraus anheiſchig ma-
chet, alle Monate ſechs Bogen voll ſinnreicher Ge-
danken und Einfaͤlle zum Beweisthum der uner-
ſchoͤpflichen Kraft des deutſchen Wizes zu liefern.

Meine Leſer werden verlangen, daß ich ihnen
nunmehr einen naͤhern Unterricht von dieſem groſ-
ſen Vorhaben des Hrn. M. Schwabe ertheile;

deſſen
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[140/0142] Nachrichten hat er allen faͤhigen Geiſtern Deutſchlandes ei- nen Tummelplatz eroͤffnen, und eine erwuͤnſchte Gelegenheit zeigen wollen, ihre kleinen ſcharfſin- nigen Aufſaͤze der Welt vorlegen zu koͤnnen. Denn er hatte ſich vorgeſezet, das leichtſinnige Geſpoͤtte des franzoͤſiſchen Briefſtellers nicht ſo faſt durch theoretiſche Widerlegungen und weitlaͤuftige Er- weiſe, als vielmehr durch practiſche Proben abzu- weiſen, und die ehrbare Welt von der Faͤhigkeit des deutſchen Wizes durch die Empfindung zu uͤber- fuͤhren. Dieſes iſt auch unſtreitig der beſte und gewiſſeſte Weg der Vertheidigung, eben wie die- ſes die beſte Buſſe iſt, eine Thorheit nicht mehr begehen: Aber dieſe Art der Vertheidigung iſt dabey die allergefaͤhrlichſte; denn woferne die Pro- ben, auf die man den Credit des Wizes und Ver- ſtandes einer ganzen Nation ſezet, nicht von dem beſten Schrote und Korn ſind, ſo bekraͤftigen ſie nicht alleine den Vorwurff eines verderbten Ge- ſchmacks und des Unverſtands, ſondern ſind ein unausloͤſchliches Denckmahl der Dummheit, und ſchlimmer als ein offentliches Geſtaͤndniß der An- klage. Doch es ſcheinet, daß der Hr. M. Schwa- be keine Urſache habe einiges Mißtrauen in die Fruchtbarkeit und Faͤhigkeit des deutſchen Wizes zu ſezen, weil er ſich zum Voraus anheiſchig ma- chet, alle Monate ſechs Bogen voll ſinnreicher Ge- danken und Einfaͤlle zum Beweisthum der uner- ſchoͤpflichen Kraft des deutſchen Wizes zu liefern. Meine Leſer werden verlangen, daß ich ihnen nunmehr einen naͤhern Unterricht von dieſem groſ- ſen Vorhaben des Hrn. M. Schwabe ertheile; deſſen

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/142>, abgerufen am 21.11.2024.