[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.Nachrichten "Wären wir, heißt es, so zeitig als andere, Auf diesen Thon muß man wissen heit
Nachrichten „Waͤren wir, heißt es, ſo zeitig als andere, Auf dieſen Thon muß man wiſſen heit
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0146" n="144"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Nachrichten</hi> </fw><lb/> <cit> <quote>„Waͤren wir, heißt es, ſo zeitig als andere,<lb/> „auf die Ausbreitung der ſchoͤnen Wiſſenſchaften<lb/> „in unſerer Mutterſprache gerathen: So wuͤrden<lb/> „<hi rendition="#fr">vielleicht (ein ſchweres Vielleicht)</hi> diejenigen<lb/> „izo von uns lernen muͤſſen, welche wir uns zu<lb/> „Muſtern bey Befoͤrderung der freyen Kuͤnſte<lb/> „vorſtellen.„</quote> </cit> <p>Auf dieſen Thon muß man wiſſen<lb/> bey ſeiner Armuth groß zu thun, wie jener Bett-<lb/> ler, der den Edelmanu zu einer milden Beyſteuer<lb/> zu vermoͤgen, ihm mit Betheurungen verheiſſen,<lb/> ſobald er wuͤrde ſchlachten laſſen, wollte er ihm dafuͤr<lb/> gute Wuͤrſte und Schinken zur Verehrung ſchi-<lb/> ken. Wo man nicht auf gegenwaͤrtige Verdienſte<lb/> pochen kan, da muß man ſeine <hi rendition="#aq">Scientiam me-<lb/> diam</hi> zu Huͤlfe ruffen, und auf das, was unter<lb/> gantz andern Bedingniſſen und Umſtaͤnden moͤg-<lb/> lich geweſen waͤre, fein dreiſte großſprechen. Aber<lb/> meines Beduͤnkens hat es der Hr. Magiſter da-<lb/> bey noch um etwas verſehen, daß er durch das<lb/> eingeſchaltete <hi rendition="#fr">Vielleicht</hi> in obiger Stelle noch ei-<lb/> niges Mißtrauen bliken laͤßt. Woher mag wohl<lb/> dieſes Mißtrauen bey ihm entſtanden ſeyn? Viel-<lb/> leicht daher, daß er ſich ſelbſt heimlich erinnerte,<lb/> wie ſo ſchlechten Fortgang die deutſche Poeſie in<lb/> einer Zeit von mehr als hundert Jahren ſeit des<lb/> groſſen <hi rendition="#fr">Opizen</hi> Zeiten gehabt, ſo daß dieſer groſſe<lb/> Vorgaͤnger, wenn er wieder auf Erden kommen<lb/> ſollte, ſich der meiſten von ſeinen Nachkindern<lb/> ſchaͤmen wuͤrde. Weit kuͤhner und gluͤcklicher iſt<lb/> der Einfall, womit Hr. Schwabe die Schuld<lb/> des ſchlechten Credits des deutſchen Wizes von<lb/> den Scribenten abzulehnen und auf die Dumm-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">heit</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [144/0146]
Nachrichten
„Waͤren wir, heißt es, ſo zeitig als andere,
„auf die Ausbreitung der ſchoͤnen Wiſſenſchaften
„in unſerer Mutterſprache gerathen: So wuͤrden
„vielleicht (ein ſchweres Vielleicht) diejenigen
„izo von uns lernen muͤſſen, welche wir uns zu
„Muſtern bey Befoͤrderung der freyen Kuͤnſte
„vorſtellen.„ Auf dieſen Thon muß man wiſſen
bey ſeiner Armuth groß zu thun, wie jener Bett-
ler, der den Edelmanu zu einer milden Beyſteuer
zu vermoͤgen, ihm mit Betheurungen verheiſſen,
ſobald er wuͤrde ſchlachten laſſen, wollte er ihm dafuͤr
gute Wuͤrſte und Schinken zur Verehrung ſchi-
ken. Wo man nicht auf gegenwaͤrtige Verdienſte
pochen kan, da muß man ſeine Scientiam me-
diam zu Huͤlfe ruffen, und auf das, was unter
gantz andern Bedingniſſen und Umſtaͤnden moͤg-
lich geweſen waͤre, fein dreiſte großſprechen. Aber
meines Beduͤnkens hat es der Hr. Magiſter da-
bey noch um etwas verſehen, daß er durch das
eingeſchaltete Vielleicht in obiger Stelle noch ei-
niges Mißtrauen bliken laͤßt. Woher mag wohl
dieſes Mißtrauen bey ihm entſtanden ſeyn? Viel-
leicht daher, daß er ſich ſelbſt heimlich erinnerte,
wie ſo ſchlechten Fortgang die deutſche Poeſie in
einer Zeit von mehr als hundert Jahren ſeit des
groſſen Opizen Zeiten gehabt, ſo daß dieſer groſſe
Vorgaͤnger, wenn er wieder auf Erden kommen
ſollte, ſich der meiſten von ſeinen Nachkindern
ſchaͤmen wuͤrde. Weit kuͤhner und gluͤcklicher iſt
der Einfall, womit Hr. Schwabe die Schuld
des ſchlechten Credits des deutſchen Wizes von
den Scribenten abzulehnen und auf die Dumm-
heit
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