Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite
der herrschenden Poeten.

Nach ihm fassete Schottged das Wort. Er
stuhnd nicht auf, sondern blieb in vollem Staat auf
seinem Stuhle sizen, weil er redete. Er redete,
als einer, der seiner Kräfte und seiner Kunst sich
wohl bewußt ist, mit zufriedenen Augen.

Was du am Schlusse deiner Rede mit soviel
Rechte foderst, Waschbe, was du vonnöthen
achtest, unsre Gegner mit Schamröthe und Schan-
de zu überdeken, ist schon von meinem erschaffen-
den Wize erfunden. Jch will auch unsren Freun-
den die Lust, so du ihnen davon verheissest, nicht
vorenthalten. Jch habe Parabeln, Gleichnisse,
Fabeln, und ganze Heldengedichte würcklich bereit.
Verlangt man eine Parabel, die Leichtsinnigkeit
der Engelländer zum Gelächter zu machen, wo-
mit sie sich von Addison überreden liessen, Miltons
Gedichte von dem verl. Paradiese zu bewundern?
(X) Soll ich in einer Fabel beweisen, daß die

Deut-
diesen Worten in der Vorrede zum ein und zwanzigsten
St. der critischen Beyträge entdeket. (*) Es wäre gut, wenn
diese scharfsinnigen Scribenten uns allemahl so sorgfältig
warneten, wenn sie in der Jronie reden; denn sie thun
dieses öfters so fein, daß man es ohne eine ausdrückliche
Erinnerung nicht wahrnimmet.
(X) Hr. Gottsched hat dieses auf folgende Art bewerck-
stelliget: Es kommt mir mit der Engländer Empfindlich-
keit für Miltons Paradies bald so vor, wie damit, was
Erasmus, wo ich nicht irre, in seinen Gesprächen erzählt,
daß ein leichtfertiger Kopf die Gefährten, so mit ihm
über Land ritten, beredet sie sähen ein Luftzeichen am
Himmel. Er stellte sich erstaunt; er rief, sie sollten doch
sehen; er wies mit dem Finger; er beschrieb, was er sa-
he; er fragte, ob sie es denn nicht auch sähen? Er schimpf-
te
der herrſchenden Poeten.

Nach ihm faſſete Schottged das Wort. Er
ſtuhnd nicht auf, ſondern blieb in vollem Staat auf
ſeinem Stuhle ſizen, weil er redete. Er redete,
als einer, der ſeiner Kraͤfte und ſeiner Kunſt ſich
wohl bewußt iſt, mit zufriedenen Augen.

Was du am Schluſſe deiner Rede mit ſoviel
Rechte foderſt, Waſchbe, was du vonnoͤthen
achteſt, unſre Gegner mit Schamroͤthe und Schan-
de zu uͤberdeken, iſt ſchon von meinem erſchaffen-
den Wize erfunden. Jch will auch unſren Freun-
den die Luſt, ſo du ihnen davon verheiſſeſt, nicht
vorenthalten. Jch habe Parabeln, Gleichniſſe,
Fabeln, und ganze Heldengedichte wuͤrcklich bereit.
Verlangt man eine Parabel, die Leichtſinnigkeit
der Engellaͤnder zum Gelaͤchter zu machen, wo-
mit ſie ſich von Addiſon uͤberreden lieſſen, Miltons
Gedichte von dem verl. Paradieſe zu bewundern?
(X) Soll ich in einer Fabel beweiſen, daß die

Deut-
dieſen Worten in der Vorrede zum ein und zwanzigſten
St. der critiſchen Beytraͤge entdeket. (*) Es waͤre gut, wenn
dieſe ſcharfſinnigen Scribenten uns allemahl ſo ſorgfaͤltig
warneten, wenn ſie in der Jronie reden; denn ſie thun
dieſes oͤfters ſo fein, daß man es ohne eine ausdruͤckliche
Erinnerung nicht wahrnimmet.
(X) Hr. Gottſched hat dieſes auf folgende Art bewerck-
ſtelliget: Es kommt mir mit der Englaͤnder Empfindlich-
keit fuͤr Miltons Paradies bald ſo vor, wie damit, was
Erasmus, wo ich nicht irre, in ſeinen Geſpraͤchen erzaͤhlt,
daß ein leichtfertiger Kopf die Gefaͤhrten, ſo mit ihm
uͤber Land ritten, beredet ſie ſaͤhen ein Luftzeichen am
Himmel. Er ſtellte ſich erſtaunt; er rief, ſie ſollten doch
ſehen; er wies mit dem Finger; er beſchrieb, was er ſa-
he; er fragte, ob ſie es denn nicht auch ſaͤhen? Er ſchimpf-
te
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0191" n="189"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">der herr&#x017F;chenden Poeten.</hi> </fw><lb/>
        <p>Nach ihm fa&#x017F;&#x017F;ete Schottged das Wort. Er<lb/>
&#x017F;tuhnd nicht auf, &#x017F;ondern blieb in vollem Staat auf<lb/>
&#x017F;einem Stuhle &#x017F;izen, weil er redete. Er redete,<lb/>
als einer, der &#x017F;einer Kra&#x0364;fte und &#x017F;einer Kun&#x017F;t &#x017F;ich<lb/>
wohl bewußt i&#x017F;t, mit zufriedenen Augen.</p><lb/>
        <p>Was du am Schlu&#x017F;&#x017F;e deiner Rede mit &#x017F;oviel<lb/>
Rechte foder&#x017F;t, Wa&#x017F;chbe, was du vonno&#x0364;then<lb/>
achte&#x017F;t, un&#x017F;re Gegner mit Schamro&#x0364;the und Schan-<lb/>
de zu u&#x0364;berdeken, i&#x017F;t &#x017F;chon von meinem er&#x017F;chaffen-<lb/>
den Wize erfunden. Jch will auch un&#x017F;ren Freun-<lb/>
den die Lu&#x017F;t, &#x017F;o du ihnen davon verhei&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t, nicht<lb/>
vorenthalten. Jch habe Parabeln, Gleichni&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
Fabeln, und ganze Heldengedichte wu&#x0364;rcklich bereit.<lb/>
Verlangt man eine Parabel, die Leicht&#x017F;innigkeit<lb/>
der Engella&#x0364;nder zum Gela&#x0364;chter zu machen, wo-<lb/>
mit &#x017F;ie &#x017F;ich von Addi&#x017F;on u&#x0364;berreden lie&#x017F;&#x017F;en, Miltons<lb/>
Gedichte von dem verl. Paradie&#x017F;e zu bewundern?<lb/><note xml:id="f15" next="#f16" place="foot" n="(X)">Hr. Gott&#x017F;ched hat die&#x017F;es auf folgende Art bewerck-<lb/>
&#x017F;telliget: Es kommt mir mit der Engla&#x0364;nder Empfindlich-<lb/>
keit fu&#x0364;r Miltons Paradies bald &#x017F;o vor, wie damit, was<lb/>
Erasmus, wo ich nicht irre, in &#x017F;einen Ge&#x017F;pra&#x0364;chen erza&#x0364;hlt,<lb/>
daß ein leichtfertiger Kopf die Gefa&#x0364;hrten, &#x017F;o mit ihm<lb/>
u&#x0364;ber Land ritten, beredet &#x017F;ie &#x017F;a&#x0364;hen ein Luftzeichen am<lb/>
Himmel. Er &#x017F;tellte &#x017F;ich er&#x017F;taunt; er rief, &#x017F;ie &#x017F;ollten doch<lb/>
&#x017F;ehen; er wies mit dem Finger; er be&#x017F;chrieb, was er &#x017F;a-<lb/>
he; er fragte, ob &#x017F;ie es denn nicht auch &#x017F;a&#x0364;hen? Er &#x017F;chimpf-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">te</fw></note> Soll ich in einer Fabel bewei&#x017F;en, daß die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Deut-</fw><lb/><note xml:id="f14" prev="#f13" place="foot" n="(*)">die&#x017F;en Worten in der Vorrede zum ein und zwanzig&#x017F;ten<lb/>
St. der criti&#x017F;chen Beytra&#x0364;ge entdeket. (*) Es wa&#x0364;re gut, wenn<lb/>
die&#x017F;e &#x017F;charf&#x017F;innigen Scribenten uns allemahl &#x017F;o &#x017F;orgfa&#x0364;ltig<lb/>
warneten, wenn &#x017F;ie in der Jronie reden; denn &#x017F;ie thun<lb/>
die&#x017F;es o&#x0364;fters &#x017F;o fein, daß man es ohne eine ausdru&#x0364;ckliche<lb/>
Erinnerung nicht wahrnimmet.</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0191] der herrſchenden Poeten. Nach ihm faſſete Schottged das Wort. Er ſtuhnd nicht auf, ſondern blieb in vollem Staat auf ſeinem Stuhle ſizen, weil er redete. Er redete, als einer, der ſeiner Kraͤfte und ſeiner Kunſt ſich wohl bewußt iſt, mit zufriedenen Augen. Was du am Schluſſe deiner Rede mit ſoviel Rechte foderſt, Waſchbe, was du vonnoͤthen achteſt, unſre Gegner mit Schamroͤthe und Schan- de zu uͤberdeken, iſt ſchon von meinem erſchaffen- den Wize erfunden. Jch will auch unſren Freun- den die Luſt, ſo du ihnen davon verheiſſeſt, nicht vorenthalten. Jch habe Parabeln, Gleichniſſe, Fabeln, und ganze Heldengedichte wuͤrcklich bereit. Verlangt man eine Parabel, die Leichtſinnigkeit der Engellaͤnder zum Gelaͤchter zu machen, wo- mit ſie ſich von Addiſon uͤberreden lieſſen, Miltons Gedichte von dem verl. Paradieſe zu bewundern? (X) Soll ich in einer Fabel beweiſen, daß die Deut- (*) (X) Hr. Gottſched hat dieſes auf folgende Art bewerck- ſtelliget: Es kommt mir mit der Englaͤnder Empfindlich- keit fuͤr Miltons Paradies bald ſo vor, wie damit, was Erasmus, wo ich nicht irre, in ſeinen Geſpraͤchen erzaͤhlt, daß ein leichtfertiger Kopf die Gefaͤhrten, ſo mit ihm uͤber Land ritten, beredet ſie ſaͤhen ein Luftzeichen am Himmel. Er ſtellte ſich erſtaunt; er rief, ſie ſollten doch ſehen; er wies mit dem Finger; er beſchrieb, was er ſa- he; er fragte, ob ſie es denn nicht auch ſaͤhen? Er ſchimpf- te (*) dieſen Worten in der Vorrede zum ein und zwanzigſten St. der critiſchen Beytraͤge entdeket. (*) Es waͤre gut, wenn dieſe ſcharfſinnigen Scribenten uns allemahl ſo ſorgfaͤltig warneten, wenn ſie in der Jronie reden; denn ſie thun dieſes oͤfters ſo fein, daß man es ohne eine ausdruͤckliche Erinnerung nicht wahrnimmet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/191
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/191>, abgerufen am 24.11.2024.