[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.drr herrschenden Poeten. ches euch allzuleicht zu Untersuchung und Bestim-mung absonderlicher Grundsätze, wobey man euch fassen könnte, verführen würde, ohne daß jene da- durch mehr Licht, mehr Kraft und Lebhaftigkeit er- hielten. Es ist wol erinnert worden, daß Gegenbe- schuldigungen am besten dienen, die Beschuldigungen zu zerstreuen, und die Entschuldigungen unnöthig zu machen. An dergleichen wird euer Amtszorn euch keinen Mangel leiden lassen. Das Vorur- theil hat unter unsrer politen Nation vorlängst Fuß gefasset, daß die Schweizer ein grobes, ungeschlif- fenes, und unhöfliches Volk seyn, machet euch die- ses zu Nuzen, und pflanzet es weiter an. Eine jede Censur, darinnen sie eine von euren Schrif- ten, oder eine absonderliche Stelle, oder Ausdrü- kung verwerffen, kan euch zu einem Beweißthum ihrer Grobheit dienen. Sprecher den Gratien den Aufenthalt daselbst ab, wo ein ewiges Eis ihrem zarten und nakten Fuß den Zugang ver- wehrer. (*) Wie sollten diejenigen zu leben wis- sen, die in den Spälten der Berge alles Umgangs mit den Menschen beraubet sind, die allda zu den Murmelthieren in einen Winterlangen Schlaf ver- bannet sind! Die sich bisher nicht über einen Steinwurf von den väterlichen Felsen verlau- fen haben! (M m) Sollte die Freyheit, in der sie leben, sie nicht rauh machen, und von der Zärtlichkeit der unterthänigen Deutschen entfer- nen! Was könnte wilder seyn als ihre Sprache, wenn (*) Dieses ist in dem Dichterkriege bl. 53. geschikt geschehen. (M m) Belustigungen bl. 174. im Augustm.
drr herrſchenden Poeten. ches euch allzuleicht zu Unterſuchung und Beſtim-mung abſonderlicher Grundſaͤtze, wobey man euch faſſen koͤnnte, verfuͤhren wuͤrde, ohne daß jene da- durch mehr Licht, mehr Kraft und Lebhaftigkeit er- hielten. Es iſt wol erinnert worden, daß Gegenbe- ſchuldigungen am beſten dienen, die Beſchuldigungen zu zerſtreuen, und die Entſchuldigungen unnoͤthig zu machen. An dergleichen wird euer Amtszorn euch keinen Mangel leiden laſſen. Das Vorur- theil hat unter unſrer politen Nation vorlaͤngſt Fuß gefaſſet, daß die Schweizer ein grobes, ungeſchlif- fenes, und unhoͤfliches Volk ſeyn, machet euch die- ſes zu Nuzen, und pflanzet es weiter an. Eine jede Cenſur, darinnen ſie eine von euren Schrif- ten, oder eine abſonderliche Stelle, oder Ausdruͤ- kung verwerffen, kan euch zu einem Beweißthum ihrer Grobheit dienen. Sprecher den Gratien den Aufenthalt daſelbſt ab, wo ein ewiges Eis ihrem zarten und nakten Fuß den Zugang ver- wehrer. (*) Wie ſollten diejenigen zu leben wiſ- ſen, die in den Spaͤlten der Berge alles Umgangs mit den Menſchen beraubet ſind, die allda zu den Murmelthieren in einen Winterlangen Schlaf ver- bannet ſind! Die ſich bisher nicht uͤber einen Steinwurf von den vaͤterlichen Felſen verlau- fen haben! (M m) Sollte die Freyheit, in der ſie leben, ſie nicht rauh machen, und von der Zaͤrtlichkeit der unterthaͤnigen Deutſchen entfer- nen! Was koͤnnte wilder ſeyn als ihre Sprache, wenn (*) Dieſes iſt in dem Dichterkriege bl. 53. geſchikt geſchehen. (M m) Beluſtigungen bl. 174. im Auguſtm.
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drr herrſchenden Poeten.
ches euch allzuleicht zu Unterſuchung und Beſtim-
mung abſonderlicher Grundſaͤtze, wobey man euch
faſſen koͤnnte, verfuͤhren wuͤrde, ohne daß jene da-
durch mehr Licht, mehr Kraft und Lebhaftigkeit er-
hielten. Es iſt wol erinnert worden, daß Gegenbe-
ſchuldigungen am beſten dienen, die Beſchuldigungen
zu zerſtreuen, und die Entſchuldigungen unnoͤthig
zu machen. An dergleichen wird euer Amtszorn
euch keinen Mangel leiden laſſen. Das Vorur-
theil hat unter unſrer politen Nation vorlaͤngſt Fuß
gefaſſet, daß die Schweizer ein grobes, ungeſchlif-
fenes, und unhoͤfliches Volk ſeyn, machet euch die-
ſes zu Nuzen, und pflanzet es weiter an. Eine
jede Cenſur, darinnen ſie eine von euren Schrif-
ten, oder eine abſonderliche Stelle, oder Ausdruͤ-
kung verwerffen, kan euch zu einem Beweißthum
ihrer Grobheit dienen. Sprecher den Gratien
den Aufenthalt daſelbſt ab, wo ein ewiges Eis
ihrem zarten und nakten Fuß den Zugang ver-
wehrer. (*) Wie ſollten diejenigen zu leben wiſ-
ſen, die in den Spaͤlten der Berge alles Umgangs
mit den Menſchen beraubet ſind, die allda zu den
Murmelthieren in einen Winterlangen Schlaf ver-
bannet ſind! Die ſich bisher nicht uͤber einen
Steinwurf von den vaͤterlichen Felſen verlau-
fen haben! (M m) Sollte die Freyheit, in der
ſie leben, ſie nicht rauh machen, und von der
Zaͤrtlichkeit der unterthaͤnigen Deutſchen entfer-
nen! Was koͤnnte wilder ſeyn als ihre Sprache,
wenn
(*) Dieſes iſt in dem Dichterkriege bl. 53. geſchikt
geſchehen.
(M m) Beluſtigungen bl. 174. im Auguſtm.
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