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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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in Miltons verlohrnen Paradiese.
er es ihnen nicht wiedersprechen könne, wiewohl
er ziemlich unbestimmte Begriffe davon hat, und
zu fürchten scheinet, seine französischen Leser wer-
den mit den Hrn. Richardsonen nicht eines seyn."

"Dörffen wir, sagt er, auch alles erwähnen, was
"Richardson von Miltons Schreibart sagt? Al-
"le unsre Leser wissen, was Boileau von Ron-
"sard gesagt hat, ihn herunter zu machen, nem-
"lich daß seine Muse im Französischen Grie-
"chisch und Latein geredet habe.
Wo sind
"nun die Frantzosen, welche bey dem Vorur-
"theile, das sie von diesen Worten empfangen,
"ohne Erstaunen hören könnten, daß jemand
"mit Worten, die eben das sagen, was Boi-
"leau gesagt hat, die Schreibart eines heutigen
"Poeten loben wollte? Dennoch ist dieses ein
"Paradoxum, welches sie verdauen müssen,
"wenn sie begreiffen wollen, worinnen der wah-
"re Werth der miltonischen Schreibart bestehe.
"Vielleicht ist die Englische Sprache, die aus
"der augenscheinlichen Vermischung vieler and-
"ren entstanden ist, schon daran gewöhnt, daß
"sie sich nach den Eigenschaften ausländischer
"Sprachen bequeme. Vielleicht hat sie so viel
"von dem Naturelle derer, die sie reden, in sich,
"daß ihre Natur nicht so enge eingeschräncket ist,
"als der frantzösischen Sprache. Vielleicht las-
"sen sich alle Sprachen aus dem Vorrathe der
"andern bereichern, und der vornehmste Unter-
"scheid zwischen Milton und Ronsard besteht da-
"rinnen, daß jener desfalls mehr Geschicklichkeit
"und mehr Behutsamkeit gebraucht hat, als Ron-
"sard.
[Crit. Samml. III. St.] F

in Miltons verlohrnen Paradieſe.
er es ihnen nicht wiederſprechen koͤnne, wiewohl
er ziemlich unbeſtimmte Begriffe davon hat, und
zu fuͤrchten ſcheinet, ſeine franzoͤſiſchen Leſer wer-
den mit den Hrn. Richardſonen nicht eines ſeyn.„

„Doͤrffen wir, ſagt er, auch alles erwaͤhnen, was
„Richardſon von Miltons Schreibart ſagt? Al-
„le unſre Leſer wiſſen, was Boileau von Ron-
„ſard geſagt hat, ihn herunter zu machen, nem-
„lich daß ſeine Muſe im Franzoͤſiſchen Grie-
„chiſch und Latein geredet habe.
Wo ſind
„nun die Frantzoſen, welche bey dem Vorur-
„theile, das ſie von dieſen Worten empfangen,
„ohne Erſtaunen hoͤren koͤnnten, daß jemand
„mit Worten, die eben das ſagen, was Boi-
„leau geſagt hat, die Schreibart eines heutigen
„Poeten loben wollte? Dennoch iſt dieſes ein
„Paradoxum, welches ſie verdauen muͤſſen,
„wenn ſie begreiffen wollen, worinnen der wah-
„re Werth der miltoniſchen Schreibart beſtehe.
„Vielleicht iſt die Engliſche Sprache, die aus
„der augenſcheinlichen Vermiſchung vieler and-
„ren entſtanden iſt, ſchon daran gewoͤhnt, daß
„ſie ſich nach den Eigenſchaften auslaͤndiſcher
„Sprachen bequeme. Vielleicht hat ſie ſo viel
„von dem Naturelle derer, die ſie reden, in ſich,
„daß ihre Natur nicht ſo enge eingeſchraͤncket iſt,
„als der frantzoͤſiſchen Sprache. Vielleicht laſ-
„ſen ſich alle Sprachen aus dem Vorrathe der
„andern bereichern, und der vornehmſte Unter-
„ſcheid zwiſchen Milton und Ronſard beſteht da-
„rinnen, daß jener desfalls mehr Geſchicklichkeit
„und mehr Behutſamkeit gebraucht hat, als Ron-
„ſard.
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[81/0083] in Miltons verlohrnen Paradieſe. er es ihnen nicht wiederſprechen koͤnne, wiewohl er ziemlich unbeſtimmte Begriffe davon hat, und zu fuͤrchten ſcheinet, ſeine franzoͤſiſchen Leſer wer- den mit den Hrn. Richardſonen nicht eines ſeyn.„ „Doͤrffen wir, ſagt er, auch alles erwaͤhnen, was „Richardſon von Miltons Schreibart ſagt? Al- „le unſre Leſer wiſſen, was Boileau von Ron- „ſard geſagt hat, ihn herunter zu machen, nem- „lich daß ſeine Muſe im Franzoͤſiſchen Grie- „chiſch und Latein geredet habe. Wo ſind „nun die Frantzoſen, welche bey dem Vorur- „theile, das ſie von dieſen Worten empfangen, „ohne Erſtaunen hoͤren koͤnnten, daß jemand „mit Worten, die eben das ſagen, was Boi- „leau geſagt hat, die Schreibart eines heutigen „Poeten loben wollte? Dennoch iſt dieſes ein „Paradoxum, welches ſie verdauen muͤſſen, „wenn ſie begreiffen wollen, worinnen der wah- „re Werth der miltoniſchen Schreibart beſtehe. „Vielleicht iſt die Engliſche Sprache, die aus „der augenſcheinlichen Vermiſchung vieler and- „ren entſtanden iſt, ſchon daran gewoͤhnt, daß „ſie ſich nach den Eigenſchaften auslaͤndiſcher „Sprachen bequeme. Vielleicht hat ſie ſo viel „von dem Naturelle derer, die ſie reden, in ſich, „daß ihre Natur nicht ſo enge eingeſchraͤncket iſt, „als der frantzoͤſiſchen Sprache. Vielleicht laſ- „ſen ſich alle Sprachen aus dem Vorrathe der „andern bereichern, und der vornehmſte Unter- „ſcheid zwiſchen Milton und Ronſard beſteht da- „rinnen, daß jener desfalls mehr Geſchicklichkeit „und mehr Behutſamkeit gebraucht hat, als Ron- „ſard. [Crit. Sam̃l. III. St.] F

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/83>, abgerufen am 24.11.2024.