[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.in Miltons verlohrnen Paradiese. aus. Sie greifen die Sache nicht mit gleichemVermögen, nicht mit gleicher Geschicklichkeit und Behutsamkeit an; sie sind nicht in gleichen Um- ständen und dergleichen. Von Milton wissen wir, daß er in seinem Gebrauche der ausländi- schen Mundarten die damahlige Verfassung seiner Sprache nicht aus den Augen gesetzet, sondern auf den Grund derselben gebauet; er hat sie nicht gekrümmet, er hat sie nur gelenket. Jn dieser Arbeit ist ihm trefflich zu statten gekommen, daß er sie gantz biegsam gefunden hat,(*) noch mehr, daß er bey den- jenigen, die sie reden, ein so ungezwungenes, so freyes, und kühnes Naturell wahrgenommen, daß er sich ver- sichern können, sie würden seine Neuerungen nicht nur nicht verwerffen, sondern sie mit dem nöthi- gen (*) Addison hat von ihr als ein besonderes Glück an- gemerket, daß die Hebräischen Mundarten mit einer son- derbaren Anmuth und Schönheit in die Englische Spra- che einschlagen. "Unsere Sprache, sagr er, hat un- "zählige Zierlichkeiten und Verbesserungen von denen "Hebräischen Redensarten empfangen, welche aus den "poetischen Stellen in der Heil. Schrift in dieselbe her- "übergebracht worden. Sie geben unsern Ausdrückun- "gen einen kräftigen Nachdruck, sie machen unsre Spra- "che warm und lebhaft, und treiben unsre Gedancken in "feurigere und strengere Ausdrücke als sonst in unsrer "Sprache angetroffen werden. Wenn jemand urthei- "len will, sagt er ferner, wie sanft sich die Hebräischen "Redensarten mit der Englischen Sprache vermischen, "und mit ihr zusammenfliessen, der mag das Buch der "Psalmen lesen, und dann eine buchstäbliche Uebersetzung "des Pindarus oder Horazen dagegen halten. Er wird "in den beyden letztern lauter Ungeschicklichkeit und Ver- "wirrung der Schreibart wahrnehmen." F 3
in Miltons verlohrnen Paradieſe. aus. Sie greifen die Sache nicht mit gleichemVermoͤgen, nicht mit gleicher Geſchicklichkeit und Behutſamkeit an; ſie ſind nicht in gleichen Um- ſtaͤnden und dergleichen. Von Milton wiſſen wir, daß er in ſeinem Gebrauche der auslaͤndi- ſchen Mundarten die damahlige Verfaſſung ſeiner Sprache nicht aus den Augen geſetzet, ſondern auf den Grund derſelben gebauet; er hat ſie nicht gekruͤmmet, er hat ſie nur gelenket. Jn dieſer Arbeit iſt ihm trefflich zu ſtatten gekommen, daß er ſie gantz biegſam gefunden hat,(*) noch mehr, daß er bey den- jenigen, die ſie reden, ein ſo ungezwungenes, ſo freyes, und kuͤhnes Naturell wahrgenommen, daß er ſich ver- ſichern koͤnnen, ſie wuͤrden ſeine Neuerungen nicht nur nicht verwerffen, ſondern ſie mit dem noͤthi- gen (*) Addiſon hat von ihr als ein beſonderes Gluͤck an- gemerket, daß die Hebraͤiſchen Mundarten mit einer ſon- derbaren Anmuth und Schoͤnheit in die Engliſche Spra- che einſchlagen. „Unſere Sprache, ſagr er, hat un- „zaͤhlige Zierlichkeiten und Verbeſſerungen von denen „Hebraͤiſchen Redensarten empfangen, welche aus den „poetiſchen Stellen in der Heil. Schrift in dieſelbe her- „uͤbergebracht worden. Sie geben unſern Ausdruͤckun- „gen einen kraͤftigen Nachdruck, ſie machen unſre Spra- „che warm und lebhaft, und treiben unſre Gedancken in „feurigere und ſtrengere Ausdruͤcke als ſonſt in unſrer „Sprache angetroffen werden. Wenn jemand urthei- „len will, ſagt er ferner, wie ſanft ſich die Hebraͤiſchen „Redensarten mit der Engliſchen Sprache vermiſchen, „und mit ihr zuſammenflieſſen, der mag das Buch der „Pſalmen leſen, und dann eine buchſtaͤbliche Ueberſetzung „des Pindarus oder Horazen dagegen halten. Er wird „in den beyden letztern lauter Ungeſchicklichkeit und Ver- „wirrung der Schreibart wahrnehmen.„ F 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0087" n="85"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in Miltons verlohrnen Paradieſe.</hi></fw><lb/> aus. Sie greifen die Sache nicht mit gleichem<lb/> Vermoͤgen, nicht mit gleicher Geſchicklichkeit und<lb/> Behutſamkeit an; ſie ſind nicht in gleichen Um-<lb/> ſtaͤnden und dergleichen. Von Milton wiſſen<lb/> wir, daß er in ſeinem Gebrauche der auslaͤndi-<lb/> ſchen Mundarten die damahlige Verfaſſung ſeiner<lb/> Sprache nicht aus den Augen geſetzet, ſondern<lb/> auf den Grund derſelben gebauet; er hat ſie nicht<lb/> gekruͤmmet, er hat ſie nur gelenket. Jn dieſer Arbeit<lb/> iſt ihm trefflich zu ſtatten gekommen, daß er ſie gantz<lb/> biegſam gefunden hat,<note place="foot" n="(*)">Addiſon hat von ihr als ein beſonderes Gluͤck an-<lb/> gemerket, daß die Hebraͤiſchen Mundarten mit einer ſon-<lb/> derbaren Anmuth und Schoͤnheit in die Engliſche Spra-<lb/> che einſchlagen. „Unſere Sprache, <hi rendition="#fr">ſagr er,</hi> hat un-<lb/> „zaͤhlige Zierlichkeiten und Verbeſſerungen von denen<lb/> „Hebraͤiſchen Redensarten empfangen, welche aus den<lb/> „poetiſchen Stellen in der Heil. Schrift in dieſelbe her-<lb/> „uͤbergebracht worden. Sie geben unſern Ausdruͤckun-<lb/> „gen einen kraͤftigen Nachdruck, ſie machen unſre Spra-<lb/> „che warm und lebhaft, und treiben unſre Gedancken in<lb/> „feurigere und ſtrengere Ausdruͤcke als ſonſt in unſrer<lb/> „Sprache angetroffen werden. Wenn jemand urthei-<lb/> „len will, <hi rendition="#fr">ſagt er ferner,</hi> wie ſanft ſich die Hebraͤiſchen<lb/> „Redensarten mit der Engliſchen Sprache vermiſchen,<lb/> „und mit ihr zuſammenflieſſen, der mag das Buch der<lb/> „Pſalmen leſen, und dann eine buchſtaͤbliche Ueberſetzung<lb/> „des Pindarus oder Horazen dagegen halten. Er wird<lb/> „in den beyden letztern lauter Ungeſchicklichkeit und Ver-<lb/> „wirrung der Schreibart wahrnehmen.„</note> noch mehr, daß er bey den-<lb/> jenigen, die ſie reden, ein ſo ungezwungenes, ſo freyes,<lb/> und kuͤhnes Naturell wahrgenommen, daß er ſich ver-<lb/> ſichern koͤnnen, ſie wuͤrden ſeine Neuerungen nicht<lb/> nur nicht verwerffen, ſondern ſie mit dem noͤthi-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F 3</fw><fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [85/0087]
in Miltons verlohrnen Paradieſe.
aus. Sie greifen die Sache nicht mit gleichem
Vermoͤgen, nicht mit gleicher Geſchicklichkeit und
Behutſamkeit an; ſie ſind nicht in gleichen Um-
ſtaͤnden und dergleichen. Von Milton wiſſen
wir, daß er in ſeinem Gebrauche der auslaͤndi-
ſchen Mundarten die damahlige Verfaſſung ſeiner
Sprache nicht aus den Augen geſetzet, ſondern
auf den Grund derſelben gebauet; er hat ſie nicht
gekruͤmmet, er hat ſie nur gelenket. Jn dieſer Arbeit
iſt ihm trefflich zu ſtatten gekommen, daß er ſie gantz
biegſam gefunden hat, (*) noch mehr, daß er bey den-
jenigen, die ſie reden, ein ſo ungezwungenes, ſo freyes,
und kuͤhnes Naturell wahrgenommen, daß er ſich ver-
ſichern koͤnnen, ſie wuͤrden ſeine Neuerungen nicht
nur nicht verwerffen, ſondern ſie mit dem noͤthi-
gen
(*) Addiſon hat von ihr als ein beſonderes Gluͤck an-
gemerket, daß die Hebraͤiſchen Mundarten mit einer ſon-
derbaren Anmuth und Schoͤnheit in die Engliſche Spra-
che einſchlagen. „Unſere Sprache, ſagr er, hat un-
„zaͤhlige Zierlichkeiten und Verbeſſerungen von denen
„Hebraͤiſchen Redensarten empfangen, welche aus den
„poetiſchen Stellen in der Heil. Schrift in dieſelbe her-
„uͤbergebracht worden. Sie geben unſern Ausdruͤckun-
„gen einen kraͤftigen Nachdruck, ſie machen unſre Spra-
„che warm und lebhaft, und treiben unſre Gedancken in
„feurigere und ſtrengere Ausdruͤcke als ſonſt in unſrer
„Sprache angetroffen werden. Wenn jemand urthei-
„len will, ſagt er ferner, wie ſanft ſich die Hebraͤiſchen
„Redensarten mit der Engliſchen Sprache vermiſchen,
„und mit ihr zuſammenflieſſen, der mag das Buch der
„Pſalmen leſen, und dann eine buchſtaͤbliche Ueberſetzung
„des Pindarus oder Horazen dagegen halten. Er wird
„in den beyden letztern lauter Ungeſchicklichkeit und Ver-
„wirrung der Schreibart wahrnehmen.„
F 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |