[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 4. Zürich, 1742.Grundriß zeigen müsse. Die standhafte Geduld, Gerech-tigkeit und Gelassenheit sind nach unserm Bedün- ken heroischer und von einer rühmlichern Stärke. Jn diesen Stüken ist Noah nicht träg, oder feig. Auch mangelt es ihm an Anlaß nicht, seine heroi- schen Tugenden auszulassen. Er führt nicht nur aus Liebe zur Gerechtigkeit mit den Lastern der er- sten Welt Krieg, und widersteht ihnen gantz al- leine in einer Welt voll Verderbniß, welches ihn in vielfältige Gefahr setzet, sondern Mitleiden mit dem sündhaften Geschlechte der Menschen, das in sein eigenes Verderben läuft, macht ihn starck genug auch mit der göttlichen Gerechtigkeit für die Erhaltung des menschlichen Stammes zu strei- ten, als es Gott billig verdrossen hatte, den Men- schen erschaffen zu haben; und er überwindet ihn mit seinem anhaltenden Gebete. Er mogte auch das erste Vorhaben Gottes mit dem menschlichen Geschlechte ein Ende zu machen, als eine unver- meidliche Todesgefahr für sich und seine Kinder angesehen haben. Daneben hatte er gegen die Blödigkeit seiner Frauen und Kinder zu streiten, welche mit weniger Heldenmuth in das Schiff giengen, und einigen Zweifel an ihrer Rettung hegeten. Man muß auch anmerken, daß Noah der ersten Welt Feind nicht ist, wiewol er ihren Sünden widerstehet, auch daß die Sündflut nicht ein Mittel ist, ihn von seinen Feinden zu erlösen. Die Feinde der ersten Welt sind ihre Laster, und die göttliche Gerechtigkeit beginnt ihre Strafe, als die höchste Richterin; Noah selbst hieng durch einen natürlichen Zug an der ersten Welt, wo- rinn
Grundriß zeigen muͤſſe. Die ſtandhafte Geduld, Gerech-tigkeit und Gelaſſenheit ſind nach unſerm Beduͤn- ken heroiſcher und von einer ruͤhmlichern Staͤrke. Jn dieſen Stuͤken iſt Noah nicht traͤg, oder feig. Auch mangelt es ihm an Anlaß nicht, ſeine heroi- ſchen Tugenden auszulaſſen. Er fuͤhrt nicht nur aus Liebe zur Gerechtigkeit mit den Laſtern der er- ſten Welt Krieg, und widerſteht ihnen gantz al- leine in einer Welt voll Verderbniß, welches ihn in vielfaͤltige Gefahr ſetzet, ſondern Mitleiden mit dem ſuͤndhaften Geſchlechte der Menſchen, das in ſein eigenes Verderben laͤuft, macht ihn ſtarck genug auch mit der goͤttlichen Gerechtigkeit fuͤr die Erhaltung des menſchlichen Stammes zu ſtrei- ten, als es Gott billig verdroſſen hatte, den Men- ſchen erſchaffen zu haben; und er uͤberwindet ihn mit ſeinem anhaltenden Gebete. Er mogte auch das erſte Vorhaben Gottes mit dem menſchlichen Geſchlechte ein Ende zu machen, als eine unver- meidliche Todesgefahr fuͤr ſich und ſeine Kinder angeſehen haben. Daneben hatte er gegen die Bloͤdigkeit ſeiner Frauen und Kinder zu ſtreiten, welche mit weniger Heldenmuth in das Schiff giengen, und einigen Zweifel an ihrer Rettung hegeten. Man muß auch anmerken, daß Noah der erſten Welt Feind nicht iſt, wiewol er ihren Suͤnden widerſtehet, auch daß die Suͤndflut nicht ein Mittel iſt, ihn von ſeinen Feinden zu erloͤſen. Die Feinde der erſten Welt ſind ihre Laſter, und die goͤttliche Gerechtigkeit beginnt ihre Strafe, als die hoͤchſte Richterin; Noah ſelbſt hieng durch einen natuͤrlichen Zug an der erſten Welt, wo- rinn
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Grundriß
zeigen muͤſſe. Die ſtandhafte Geduld, Gerech-
tigkeit und Gelaſſenheit ſind nach unſerm Beduͤn-
ken heroiſcher und von einer ruͤhmlichern Staͤrke.
Jn dieſen Stuͤken iſt Noah nicht traͤg, oder feig.
Auch mangelt es ihm an Anlaß nicht, ſeine heroi-
ſchen Tugenden auszulaſſen. Er fuͤhrt nicht nur
aus Liebe zur Gerechtigkeit mit den Laſtern der er-
ſten Welt Krieg, und widerſteht ihnen gantz al-
leine in einer Welt voll Verderbniß, welches ihn
in vielfaͤltige Gefahr ſetzet, ſondern Mitleiden mit
dem ſuͤndhaften Geſchlechte der Menſchen, das
in ſein eigenes Verderben laͤuft, macht ihn ſtarck
genug auch mit der goͤttlichen Gerechtigkeit fuͤr
die Erhaltung des menſchlichen Stammes zu ſtrei-
ten, als es Gott billig verdroſſen hatte, den Men-
ſchen erſchaffen zu haben; und er uͤberwindet ihn
mit ſeinem anhaltenden Gebete. Er mogte auch
das erſte Vorhaben Gottes mit dem menſchlichen
Geſchlechte ein Ende zu machen, als eine unver-
meidliche Todesgefahr fuͤr ſich und ſeine Kinder
angeſehen haben. Daneben hatte er gegen die
Bloͤdigkeit ſeiner Frauen und Kinder zu ſtreiten,
welche mit weniger Heldenmuth in das Schiff
giengen, und einigen Zweifel an ihrer Rettung
hegeten. Man muß auch anmerken, daß Noah
der erſten Welt Feind nicht iſt, wiewol er ihren
Suͤnden widerſtehet, auch daß die Suͤndflut nicht
ein Mittel iſt, ihn von ſeinen Feinden zu erloͤſen.
Die Feinde der erſten Welt ſind ihre Laſter,
und die goͤttliche Gerechtigkeit beginnt ihre Strafe,
als die hoͤchſte Richterin; Noah ſelbſt hieng durch
einen natuͤrlichen Zug an der erſten Welt, wo-
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