[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.von der deutschen Sprache. die Oesterreicher räumen ihnen dieses nicht ein.(g) Sie behaupten hingegen, daß man die rei- ne Sprache bey ihnen antreffe, und (h) daß man unter ihnen gelehrte Männer kenne, die das Rich- Da wird der Schweitzer an statt Bein, Boan, an statt aussen, guse; der Meißner, an statt es regnet, es reint, an statt ein Bürger, ein Perger; der Schlesier, an statt mit dem Gelde, mit dem Galle, an statt ein Bube, ein Bübla sagen. Ein Märcker wird das eu wie oi ausspre- chen, z. E. Loßt oich die Müh nicht roien; und das o wie a, z. E. olle oire Sarge werfet uf den Herren; denn er sarget für oich. Und kurtz, sie werden von einander un- gemein unterschieden seyn. Wollten wir noch vollends die Oesterreicher dazu nehmen: Hilf Himmel! was würde das für eine Barbarey werden. Da würde man bey einem geschriebenen Blatte erst fragen müssen; was es für eine Sprache sey? - - - - Uns scheint also die Regel, daß man die Rechtschreibung nach der Aussprache einrich- ten müsse, sehr gefährlich zu seyn, ehe und bevor man diejenige Provinz in Deutschland ausfündig gemacht hat, deren Mundart die beste ist; und nach welcher sich alle andere richten müssen. (g) Sehet was über diese Stelle in der Anmerckung (a) angeführt worden ist. Wobey ich nur anzumercken bitte, daß hier allein von der der deutschen Sprache gantz eigenen Aussprache die Frage ist, ob sie in Vergleichung mit an- dern Sprachen rauh oder wohlfliessend sey? Davon aber haben das Recht und die Fahigkeit zu urtheilen, alle die- jenigen, die Ohren und Lungen haben. (h) Vielleicht sieht man damit auf Carl Gustav He-
räus, Kayserlichen Rath, auch Medaillen- und Antiqui- täten-Juspector, dessen Vorschlag zu Errichtung einer deutschen Sprachgesellschaft, seinen zu Nürnberg A. 1721. in von der deutſchen Sprache. die Oeſterreicher raͤumen ihnen dieſes nicht ein.(g) Sie behaupten hingegen, daß man die rei- ne Sprache bey ihnen antreffe, und (h) daß man unter ihnen gelehrte Maͤnner kenne, die das Rich- Da wird der Schweitzer an ſtatt Bein, Boan, an ſtatt auſſen, guſe; der Meißner, an ſtatt es regnet, es reint, an ſtatt ein Buͤrger, ein Perger; der Schleſier, an ſtatt mit dem Gelde, mit dem Galle, an ſtatt ein Bube, ein Buͤbla ſagen. Ein Maͤrcker wird das eu wie oi ausſpre- chen, z. E. Loßt oich die Muͤh nicht roien; und das o wie a, z. E. olle oire Sarge werfet uf den Herren; denn er ſarget fuͤr oich. Und kurtz, ſie werden von einander un- gemein unterſchieden ſeyn. Wollten wir noch vollends die Oeſterreicher dazu nehmen: Hilf Himmel! was wuͤrde das fuͤr eine Barbarey werden. Da wuͤrde man bey einem geſchriebenen Blatte erſt fragen muͤſſen; was es fuͤr eine Sprache ſey? ‒ ‒ ‒ ‒ Uns ſcheint alſo die Regel, daß man die Rechtſchreibung nach der Ausſprache einrich- ten muͤſſe, ſehr gefaͤhrlich zu ſeyn, ehe und bevor man diejenige Provinz in Deutſchland ausfuͤndig gemacht hat, deren Mundart die beſte iſt; und nach welcher ſich alle andere richten muͤſſen. (g) Sehet was uͤber dieſe Stelle in der Anmerckung (a) angefuͤhrt worden iſt. Wobey ich nur anzumercken bitte, daß hier allein von der der deutſchen Sprache gantz eigenen Ausſprache die Frage iſt, ob ſie in Vergleichung mit an- dern Sprachen rauh oder wohlflieſſend ſey? Davon aber haben das Recht und die Fahigkeit zu urtheilen, alle die- jenigen, die Ohren und Lungen haben. (h) Vielleicht ſieht man damit auf Carl Guſtav He-
raͤus, Kayſerlichen Rath, auch Medaillen- und Antiqui- taͤten-Juſpector, deſſen Vorſchlag zu Errichtung einer deutſchen Sprachgeſellſchaft, ſeinen zu Nuͤrnberg A. 1721. in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0011" n="11"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von der deutſchen Sprache.</hi></fw><lb/> die Oeſterreicher raͤumen ihnen dieſes nicht ein.<lb/><note place="foot" n="(g)">Sehet was uͤber dieſe Stelle in der Anmerckung <hi rendition="#aq">(a)</hi><lb/> angefuͤhrt worden iſt. Wobey ich nur anzumercken bitte,<lb/> daß hier allein von der der deutſchen Sprache gantz eigenen<lb/> Ausſprache die Frage iſt, ob ſie in Vergleichung mit an-<lb/> dern Sprachen rauh oder wohlflieſſend ſey? Davon aber<lb/> haben das Recht und die Fahigkeit zu urtheilen, alle die-<lb/> jenigen, die Ohren und Lungen haben.</note> Sie behaupten hingegen, daß man die rei-<lb/> ne Sprache bey ihnen antreffe, und <note xml:id="a004" next="#a004b" place="foot" n="(h)">Vielleicht ſieht man damit auf <hi rendition="#fr">Carl Guſtav He-<lb/> raͤus,</hi> Kayſerlichen Rath, auch Medaillen- und Antiqui-<lb/> taͤten-Juſpector, deſſen <hi rendition="#fr">Vorſchlag zu Errichtung einer<lb/> deutſchen Sprachgeſellſchaft,</hi> ſeinen zu Nuͤrnberg A. 1721.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">in</fw></note> daß<lb/> man unter ihnen gelehrte Maͤnner kenne, die das<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Rich-</fw><lb/><note xml:id="a003b" prev="#a003" place="foot">Da wird der Schweitzer an ſtatt Bein, Boan, an ſtatt<lb/> auſſen, guſe; der Meißner, an ſtatt es regnet, es reint,<lb/> an ſtatt ein Buͤrger, ein Perger; der Schleſier, an ſtatt<lb/> mit dem Gelde, mit dem Galle, an ſtatt ein Bube, ein<lb/> Buͤbla ſagen. Ein Maͤrcker wird das eu wie oi ausſpre-<lb/> chen, z. E. Loßt oich die Muͤh nicht roien; und das o wie<lb/> a, z. E. olle oire Sarge werfet uf den Herren; denn er<lb/> ſarget fuͤr oich. Und kurtz, ſie werden von einander un-<lb/> gemein unterſchieden ſeyn. Wollten wir noch vollends die<lb/> Oeſterreicher dazu nehmen: Hilf Himmel! was wuͤrde<lb/> das fuͤr eine Barbarey werden. Da wuͤrde man bey einem<lb/> geſchriebenen Blatte erſt fragen muͤſſen; was es fuͤr eine<lb/> Sprache ſey? ‒ ‒ ‒ ‒ Uns ſcheint alſo die Regel,<lb/> daß man die Rechtſchreibung nach der Ausſprache einrich-<lb/> ten muͤſſe, ſehr gefaͤhrlich zu ſeyn, <hi rendition="#fr">ehe und bevor man<lb/> diejenige Provinz in Deutſchland ausfuͤndig gemacht hat,<lb/> deren Mundart die beſte iſt; und nach welcher ſich alle<lb/> andere richten muͤſſen.</hi></note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [11/0011]
von der deutſchen Sprache.
die Oeſterreicher raͤumen ihnen dieſes nicht ein.
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ne Sprache bey ihnen antreffe, und (h) daß
man unter ihnen gelehrte Maͤnner kenne, die das
Rich-
(g) Sehet was uͤber dieſe Stelle in der Anmerckung (a)
angefuͤhrt worden iſt. Wobey ich nur anzumercken bitte,
daß hier allein von der der deutſchen Sprache gantz eigenen
Ausſprache die Frage iſt, ob ſie in Vergleichung mit an-
dern Sprachen rauh oder wohlflieſſend ſey? Davon aber
haben das Recht und die Fahigkeit zu urtheilen, alle die-
jenigen, die Ohren und Lungen haben.
(h) Vielleicht ſieht man damit auf Carl Guſtav He-
raͤus, Kayſerlichen Rath, auch Medaillen- und Antiqui-
taͤten-Juſpector, deſſen Vorſchlag zu Errichtung einer
deutſchen Sprachgeſellſchaft, ſeinen zu Nuͤrnberg A. 1721.
in
Da wird der Schweitzer an ſtatt Bein, Boan, an ſtatt
auſſen, guſe; der Meißner, an ſtatt es regnet, es reint,
an ſtatt ein Buͤrger, ein Perger; der Schleſier, an ſtatt
mit dem Gelde, mit dem Galle, an ſtatt ein Bube, ein
Buͤbla ſagen. Ein Maͤrcker wird das eu wie oi ausſpre-
chen, z. E. Loßt oich die Muͤh nicht roien; und das o wie
a, z. E. olle oire Sarge werfet uf den Herren; denn er
ſarget fuͤr oich. Und kurtz, ſie werden von einander un-
gemein unterſchieden ſeyn. Wollten wir noch vollends die
Oeſterreicher dazu nehmen: Hilf Himmel! was wuͤrde
das fuͤr eine Barbarey werden. Da wuͤrde man bey einem
geſchriebenen Blatte erſt fragen muͤſſen; was es fuͤr eine
Sprache ſey? ‒ ‒ ‒ ‒ Uns ſcheint alſo die Regel,
daß man die Rechtſchreibung nach der Ausſprache einrich-
ten muͤſſe, ſehr gefaͤhrlich zu ſeyn, ehe und bevor man
diejenige Provinz in Deutſchland ausfuͤndig gemacht hat,
deren Mundart die beſte iſt; und nach welcher ſich alle
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