[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.Mauvillons Brief nen lassen, daß man sie oft zu Ende einer Seitesuchen muß, ehe man den Verstand in der Rede finden kan. Andremahl setzet man sie mitten in einem Satze der Rede, oft vorne am Zeitwort, dem sie zukommen, ohne daß man deßwegen ei- ne sichere (l) und allgemeine Regel habe, wie man damit verfahren solle. Bald bedeuten sie etwas, bald was anders. Zum Exempel, Ver giebt den Zeitwörtern, zu welchen es gesetzet wird, ich weiß nicht wie vielerley Bedeutungen. Setzet es zu saufen, so wird es bedeuten sich zu Tode saufen. Greifen heißt so viel als nehmen, saget vergreifen, so ist das so viel, als eine Sache nicht am rechten Orte noch mit Recht neh- men. Ver zu geben gesezt, vergeben, heißt ver- zeihen. Jhr sehet, wie viel verschiedene Be- deutungen dieses Vorsetzwort den Zeitwörtern giebt, zu denen es gestellt wird: Bald macht es, daß sie mehr, bald daß sie das Gegentheil von dem sagen, was sie sonst ordentlich sagen. Jm Französischen ist es anders, das Vorsetz- wort Des heißt allemahl das Gegentheil, und niemahls was anders, apprendre, desappren- dre; unir, desunir, &c. Die (l) Mir ist nicht bekannt, daß sich bisdahin jemand
gewaget hätte, diese Versetzungen an gewisse Regeln zu binden; welches doch nicht unmöglich wäre. Etwas we- niges davon ist in Bödickers Grundsätzen der deutschen Sprache IV. St. §. 56. 57. und 58. Bl. 356. zu finden. Dahin gehört auch die mannigfaltige Versetzung der Per- sonswörtgen bey den Zeitwörtern; wovon ebenfalls Bö- dicker in dem III. St. §. 41. und dabey Frischens Anmer- kungen Bl. 291. nachzusehen sind. Mauvillons Brief nen laſſen, daß man ſie oft zu Ende einer Seiteſuchen muß, ehe man den Verſtand in der Rede finden kan. Andremahl ſetzet man ſie mitten in einem Satze der Rede, oft vorne am Zeitwort, dem ſie zukommen, ohne daß man deßwegen ei- ne ſichere (l) und allgemeine Regel habe, wie man damit verfahren ſolle. Bald bedeuten ſie etwas, bald was anders. Zum Exempel, Ver giebt den Zeitwoͤrtern, zu welchen es geſetzet wird, ich weiß nicht wie vielerley Bedeutungen. Setzet es zu ſaufen, ſo wird es bedeuten ſich zu Tode ſaufen. Greifen heißt ſo viel als nehmen, ſaget vergreifen, ſo iſt das ſo viel, als eine Sache nicht am rechten Orte noch mit Recht neh- men. Ver zu geben geſezt, vergeben, heißt ver- zeihen. Jhr ſehet, wie viel verſchiedene Be- deutungen dieſes Vorſetzwort den Zeitwoͤrtern giebt, zu denen es geſtellt wird: Bald macht es, daß ſie mehr, bald daß ſie das Gegentheil von dem ſagen, was ſie ſonſt ordentlich ſagen. Jm Franzoͤſiſchen iſt es anders, das Vorſetz- wort Des heißt allemahl das Gegentheil, und niemahls was anders, apprendre, deſappren- dre; unir, deſunir, &c. Die (l) Mir iſt nicht bekannt, daß ſich bisdahin jemand
gewaget haͤtte, dieſe Verſetzungen an gewiſſe Regeln zu binden; welches doch nicht unmoͤglich waͤre. Etwas we- niges davon iſt in Boͤdickers Grundſaͤtzen der deutſchen Sprache IV. St. §. 56. 57. und 58. Bl. 356. zu finden. Dahin gehoͤrt auch die mannigfaltige Verſetzung der Per- ſonswoͤrtgen bey den Zeitwoͤrtern; wovon ebenfalls Boͤ- dicker in dem III. St. §. 41. und dabey Friſchens Anmer- kungen Bl. 291. nachzuſehen ſind. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0016" n="16"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Mauvillons Brief</hi></fw><lb/> nen laſſen, daß man ſie oft zu Ende einer Seite<lb/> ſuchen muß, ehe man den Verſtand in der Rede<lb/> finden kan. Andremahl ſetzet man ſie mitten in<lb/> einem Satze der Rede, oft vorne am Zeitwort,<lb/> dem ſie zukommen, ohne daß man deßwegen ei-<lb/> ne ſichere <note xml:id="a007" place="foot" n="(l)">Mir iſt nicht bekannt, daß ſich bisdahin jemand<lb/> gewaget haͤtte, dieſe Verſetzungen an gewiſſe Regeln zu<lb/> binden; welches doch nicht unmoͤglich waͤre. Etwas we-<lb/> niges davon iſt in <hi rendition="#fr">Boͤdickers</hi> Grundſaͤtzen der deutſchen<lb/> Sprache <hi rendition="#aq">IV.</hi> St. §. 56. 57. und 58. Bl. 356. zu finden.<lb/> Dahin gehoͤrt auch die mannigfaltige Verſetzung der Per-<lb/> ſonswoͤrtgen bey den Zeitwoͤrtern; wovon ebenfalls <hi rendition="#fr">Boͤ-<lb/> dicker</hi> in dem <hi rendition="#aq">III.</hi> St. §. 41. und dabey <hi rendition="#fr">Friſchens</hi> Anmer-<lb/> kungen Bl. 291. nachzuſehen ſind.</note> und allgemeine Regel habe, wie<lb/> man damit verfahren ſolle. Bald bedeuten ſie<lb/> etwas, bald was anders. Zum Exempel, <hi rendition="#fr">Ver</hi><lb/> giebt den Zeitwoͤrtern, zu welchen es geſetzet<lb/> wird, ich weiß nicht wie vielerley Bedeutungen.<lb/> Setzet es zu <hi rendition="#fr">ſaufen,</hi> ſo wird es bedeuten <hi rendition="#fr">ſich zu<lb/> Tode ſaufen. Greifen</hi> heißt ſo viel als <hi rendition="#fr">nehmen,</hi><lb/> ſaget <hi rendition="#fr">vergreifen,</hi> ſo iſt das ſo viel, als eine<lb/> Sache nicht am rechten Orte noch mit Recht neh-<lb/> men. <hi rendition="#fr">Ver</hi> zu <hi rendition="#fr">geben</hi> geſezt, <hi rendition="#fr">vergeben,</hi> heißt ver-<lb/> zeihen. Jhr ſehet, wie viel verſchiedene Be-<lb/> deutungen dieſes Vorſetzwort den Zeitwoͤrtern<lb/> giebt, zu denen es geſtellt wird: Bald macht<lb/> es, daß ſie mehr, bald daß ſie das Gegentheil<lb/> von dem ſagen, was ſie ſonſt ordentlich ſagen.<lb/> Jm Franzoͤſiſchen iſt es anders, das Vorſetz-<lb/> wort <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Des</hi></hi> heißt allemahl das Gegentheil, und<lb/> niemahls was anders, <hi rendition="#aq">apprendre, deſappren-<lb/> dre; unir, deſunir, &c.</hi></p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0016]
Mauvillons Brief
nen laſſen, daß man ſie oft zu Ende einer Seite
ſuchen muß, ehe man den Verſtand in der Rede
finden kan. Andremahl ſetzet man ſie mitten in
einem Satze der Rede, oft vorne am Zeitwort,
dem ſie zukommen, ohne daß man deßwegen ei-
ne ſichere (l) und allgemeine Regel habe, wie
man damit verfahren ſolle. Bald bedeuten ſie
etwas, bald was anders. Zum Exempel, Ver
giebt den Zeitwoͤrtern, zu welchen es geſetzet
wird, ich weiß nicht wie vielerley Bedeutungen.
Setzet es zu ſaufen, ſo wird es bedeuten ſich zu
Tode ſaufen. Greifen heißt ſo viel als nehmen,
ſaget vergreifen, ſo iſt das ſo viel, als eine
Sache nicht am rechten Orte noch mit Recht neh-
men. Ver zu geben geſezt, vergeben, heißt ver-
zeihen. Jhr ſehet, wie viel verſchiedene Be-
deutungen dieſes Vorſetzwort den Zeitwoͤrtern
giebt, zu denen es geſtellt wird: Bald macht
es, daß ſie mehr, bald daß ſie das Gegentheil
von dem ſagen, was ſie ſonſt ordentlich ſagen.
Jm Franzoͤſiſchen iſt es anders, das Vorſetz-
wort Des heißt allemahl das Gegentheil, und
niemahls was anders, apprendre, deſappren-
dre; unir, deſunir, &c.
Die
(l) Mir iſt nicht bekannt, daß ſich bisdahin jemand
gewaget haͤtte, dieſe Verſetzungen an gewiſſe Regeln zu
binden; welches doch nicht unmoͤglich waͤre. Etwas we-
niges davon iſt in Boͤdickers Grundſaͤtzen der deutſchen
Sprache IV. St. §. 56. 57. und 58. Bl. 356. zu finden.
Dahin gehoͤrt auch die mannigfaltige Verſetzung der Per-
ſonswoͤrtgen bey den Zeitwoͤrtern; wovon ebenfalls Boͤ-
dicker in dem III. St. §. 41. und dabey Friſchens Anmer-
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