[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.Mauvillons Brief Ernstliche mit dem Possierlichen; das Hohe mitdem Kriechenden, und das Prächtige mit dem Lusti- "die ein Dichter alsdann starck gebrauchen müßte, wennJch muß die kleine Bosheit dieses an- sehnlichen Lustigmachers ein wenig beleuchten. Es ist eben so lächerlich, wenn er die marotische Sprache als altfrän- kisch, niederträchtig und pöbelhaft anschwärtzen will, als wenn einer sich über die Hofleute Franciscus des ersten erzörnen wollte, daß sie nicht in der itzigen neumodischen Kleidung auftreten. Die marotische Sprache ist bey den Franzosen diejenige, welche an dem Hofe des besagten Kö- nigs geredet worden. Sie war so bequem schertzhafte und und satirische Gedancken darinnen einzukleiden, und Ma- rot hatte sie zu diesem Ende so geschickt gebraucht, daß sie als eine todte Sprache noch heutzutage in seinen Schriften erlernet, und noch zu demselben Ende angewendet wird. La Brüyere hat davon geurtheilet: "Marot scheint im Ab- "sehen auf seine Redensarten und Ausdrücke erst seit Ron- "sards Zeit gelebet zu haben; zwischen ihm und uns ist "nur ein Unterschied von etlichen Wörtern." Sofern ist es, daß diese Sprache pöbelhaft sey, oder wider die Gram- matick verstosse, wiewohl sie ihre eigene Grammatick hat. Man findet im Marot einen gantz herrlichen und prächtigen Ausdruck, der ihn mitten in dem artigen und zierlichen Schertze unterstüzt, von welchem er der Vater ist, und zu- gleich das Muster giebt. Diesen Character giebt ihm Boi- leau: Imi- Mauvillons Brief Ernſtliche mit dem Poſſierlichen; das Hohe mitdem Kriechenden, und das Praͤchtige mit dem Luſti- „die ein Dichter alsdann ſtarck gebrauchen muͤßte, wennJch muß die kleine Bosheit dieſes an- ſehnlichen Luſtigmachers ein wenig beleuchten. Es iſt eben ſo laͤcherlich, wenn er die marotiſche Sprache als altfraͤn- kiſch, niedertraͤchtig und poͤbelhaft anſchwaͤrtzen will, als wenn einer ſich uͤber die Hofleute Franciſcus des erſten erzoͤrnen wollte, daß ſie nicht in der itzigen neumodiſchen Kleidung auftreten. Die marotiſche Sprache iſt bey den Franzoſen diejenige, welche an dem Hofe des beſagten Koͤ- nigs geredet worden. Sie war ſo bequem ſchertzhafte und und ſatiriſche Gedancken darinnen einzukleiden, und Ma- rot hatte ſie zu dieſem Ende ſo geſchickt gebraucht, daß ſie als eine todte Sprache noch heutzutage in ſeinen Schriften erlernet, und noch zu demſelben Ende angewendet wird. La Bruͤyere hat davon geurtheilet: „Marot ſcheint im Ab- „ſehen auf ſeine Redensarten und Ausdruͤcke erſt ſeit Ron- „ſards Zeit gelebet zu haben; zwiſchen ihm und uns iſt „nur ein Unterſchied von etlichen Woͤrtern.„ Sofern iſt es, daß dieſe Sprache poͤbelhaft ſey, oder wider die Gram- matick verſtoſſe, wiewohl ſie ihre eigene Grammatick hat. Man findet im Marot einen gantz herrlichen und praͤchtigen Ausdruck, der ihn mitten in dem artigen und zierlichen Schertze unterſtuͤzt, von welchem er der Vater iſt, und zu- gleich das Muſter giebt. Dieſen Character giebt ihm Boi- leau: Imi- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0050" n="50"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Mauvillons Brief</hi></fw><lb/> Ernſtliche mit dem Poſſierlichen; das Hohe mit<lb/> dem Kriechenden, und das Praͤchtige mit dem<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Luſti-</fw><lb/><note xml:id="a020b" prev="#a020" place="foot" next="#a020c"><cit><quote>„die ein Dichter alsdann ſtarck gebrauchen muͤßte, wenn<lb/> „er das ſicherſte Mittel haben wollte, uns unertraͤglich zu<lb/> „werden. Wenn Sie ſich dieſe Schreibart einbilden, mein<lb/> „Herr, ſo haben ſie dasjenige, was die Groͤſſe gewiſſer<lb/> „auslaͤndiſcher Dichter, und einen Theil von dem Ruhme<lb/> „ihrer Nation ausmachet. 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Mauvillons Brief
Ernſtliche mit dem Poſſierlichen; das Hohe mit
dem Kriechenden, und das Praͤchtige mit dem
Luſti-
„die ein Dichter alsdann ſtarck gebrauchen muͤßte, wenn
„er das ſicherſte Mittel haben wollte, uns unertraͤglich zu
„werden. Wenn Sie ſich dieſe Schreibart einbilden, mein
„Herr, ſo haben ſie dasjenige, was die Groͤſſe gewiſſer
„auslaͤndiſcher Dichter, und einen Theil von dem Ruhme
„ihrer Nation ausmachet. Jch weiß nicht, ob nach dem Ur-
„theile der gantzen Nation, oder nur bloß nach dem Aus-
„ſpruche des groſſen Kunſtrichters, der vielleicht auch den
„Homer und Deſpreaux tadelt, daß ſie die Batrachomyo-
„machie und das Pult nicht in marotiſchen Verſen geſchrie-
„ben haben. ꝛc.„ Jch muß die kleine Bosheit dieſes an-
ſehnlichen Luſtigmachers ein wenig beleuchten. Es iſt eben
ſo laͤcherlich, wenn er die marotiſche Sprache als altfraͤn-
kiſch, niedertraͤchtig und poͤbelhaft anſchwaͤrtzen will, als
wenn einer ſich uͤber die Hofleute Franciſcus des erſten
erzoͤrnen wollte, daß ſie nicht in der itzigen neumodiſchen
Kleidung auftreten. Die marotiſche Sprache iſt bey den
Franzoſen diejenige, welche an dem Hofe des beſagten Koͤ-
nigs geredet worden. Sie war ſo bequem ſchertzhafte und
und ſatiriſche Gedancken darinnen einzukleiden, und Ma-
rot hatte ſie zu dieſem Ende ſo geſchickt gebraucht, daß ſie
als eine todte Sprache noch heutzutage in ſeinen Schriften
erlernet, und noch zu demſelben Ende angewendet wird.
La Bruͤyere hat davon geurtheilet: „Marot ſcheint im Ab-
„ſehen auf ſeine Redensarten und Ausdruͤcke erſt ſeit Ron-
„ſards Zeit gelebet zu haben; zwiſchen ihm und uns iſt
„nur ein Unterſchied von etlichen Woͤrtern.„ Sofern iſt
es, daß dieſe Sprache poͤbelhaft ſey, oder wider die Gram-
matick verſtoſſe, wiewohl ſie ihre eigene Grammatick hat.
Man findet im Marot einen gantz herrlichen und praͤchtigen
Ausdruck, der ihn mitten in dem artigen und zierlichen
Schertze unterſtuͤzt, von welchem er der Vater iſt, und zu-
gleich das Muſter giebt. Dieſen Character giebt ihm Boi-
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