[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.Mauvillons Brief und da etliche treffliche Stellen antreffe, doch sindsolche sehr dünne gesäet. Eine Strophe in Gün- thers Ode auf Gott hat mir so wohl gefallen, daß mich die Lust angekommen, sie in französische Verse zu übersetzen. Vielleicht ist es euch nicht zuwider, daß ich euch diese Uebersetzung zeige. Hier ist sie, und damit ihr desto leichter urthei- len könnet, ob sie der Urkunde gemäß sey, so will ich mit eurer Erlaubniß selbige beyfügen. Was willst du mit dem Schatten zancken? Beweiß an stärckern deine Macht; Wer wird dir in der Hölle dancken? Ach! Hast du dieß noch nicht bedacht? (L) Du kommst nut Donner, Blitz und Sturm; Wer ist der grosse Feind? Ein Wurm. Ueber- "die Augen öffnen, und einer gantzen Nation dienen. Oh- "ne Zweifel hat die Critick der französischen Academie über "den Cid des Corneille den Geschmack der gantzen Na- "tion mehr gebessert, als hundert schlechte Stücke vor der "Zeit ihn verwöhnt hatten. Geschieht es gleich nicht in "einem Jahre, so ist es gar kein Wunder. Eine Kranck- "heit, die langsam entstanden ist, muß auch langsam "geheilet werden." Wie es um die Critick in Deutsch- land stehe, das kan man aus der Geschichte der deutschen Critick in dem I. Stücke dieser Sammlung ersehen, und daraus abnehmen, wie viel Grund die stoltze Aussage habe: "Wenigstens bezeigen doch die häufigen Criticken, wel- "che in Deutschsand so ofte zum Vorschein kommen, daß "die Wahrheit aus unsren Grentzen so gantz und gar noch "nicht verwiesen ist." XV. St. der Crit. Beyt. Bl. 423. (L) Hr. von Mauvillon hat die gepriesene güntherische
Strophe durch seine Uebersetzung viel erträglicher gemacht, und ihr manche Schönheit mitgetheilet, die sie in dem Ori- ginale Mauvillons Brief und da etliche treffliche Stellen antreffe, doch ſindſolche ſehr duͤnne geſaͤet. Eine Strophe in Guͤn- thers Ode auf Gott hat mir ſo wohl gefallen, daß mich die Luſt angekommen, ſie in franzoͤſiſche Verſe zu uͤberſetzen. Vielleicht iſt es euch nicht zuwider, daß ich euch dieſe Ueberſetzung zeige. Hier iſt ſie, und damit ihr deſto leichter urthei- len koͤnnet, ob ſie der Urkunde gemaͤß ſey, ſo will ich mit eurer Erlaubniß ſelbige beyfuͤgen. Was willſt du mit dem Schatten zancken? Beweiß an ſtaͤrckern deine Macht; Wer wird dir in der Hoͤlle dancken? Ach! Haſt du dieß noch nicht bedacht? (L) Du kommſt nut Donner, Blitz und Sturm; Wer iſt der groſſe Feind? Ein Wurm. Ueber- „die Augen oͤffnen, und einer gantzen Nation dienen. Oh- „ne Zweifel hat die Critick der franzoͤſiſchen Academie uͤber „den Cid des Corneille den Geſchmack der gantzen Na- „tion mehr gebeſſert, als hundert ſchlechte Stuͤcke vor der „Zeit ihn verwoͤhnt hatten. Geſchieht es gleich nicht in „einem Jahre, ſo iſt es gar kein Wunder. Eine Kranck- „heit, die langſam entſtanden iſt, muß auch langſam „geheilet werden.„ Wie es um die Critick in Deutſch- land ſtehe, das kan man aus der Geſchichte der deutſchen Critick in dem I. Stuͤcke dieſer Sammlung erſehen, und daraus abnehmen, wie viel Grund die ſtoltze Ausſage habe: „Wenigſtens bezeigen doch die haͤufigen Criticken, wel- „che in Deutſchſand ſo ofte zum Vorſchein kommen, daß „die Wahrheit aus unſren Grentzen ſo gantz und gar noch „nicht verwieſen iſt.„ XV. St. der Crit. Beyt. Bl. 423. (L) Hr. von Mauvillon hat die geprieſene guͤntheriſche
Strophe durch ſeine Ueberſetzung viel ertraͤglicher gemacht, und ihr manche Schoͤnheit mitgetheilet, die ſie in dem Ori- ginale <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0056" n="56"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Mauvillons Brief</hi></fw><lb/> und da etliche treffliche Stellen antreffe, doch ſind<lb/> ſolche ſehr duͤnne geſaͤet. Eine Strophe in Guͤn-<lb/> thers Ode auf Gott hat mir ſo wohl gefallen, daß<lb/> mich die Luſt angekommen, ſie in franzoͤſiſche<lb/> Verſe zu uͤberſetzen. Vielleicht iſt es euch nicht<lb/> zuwider, daß ich euch dieſe Ueberſetzung zeige.<lb/> Hier iſt ſie, und damit ihr deſto leichter urthei-<lb/> len koͤnnet, ob ſie der Urkunde gemaͤß ſey, ſo<lb/> will ich mit eurer Erlaubniß ſelbige beyfuͤgen.</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Was willſt du mit dem Schatten zancken?</l><lb/> <l>Beweiß an ſtaͤrckern deine Macht;</l><lb/> <l>Wer wird dir in der Hoͤlle dancken?</l><lb/> <l>Ach! Haſt du dieß noch nicht bedacht? <note xml:id="a023" next="#a023b" place="foot" n="(L)">Hr. von Mauvillon hat die geprieſene guͤntheriſche<lb/> Strophe durch ſeine Ueberſetzung viel ertraͤglicher gemacht,<lb/> und ihr manche Schoͤnheit mitgetheilet, die ſie in dem Ori-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ginale</fw></note></l><lb/> <l>Du kommſt nut Donner, Blitz und Sturm;</l><lb/> <l>Wer iſt der groſſe Feind? Ein Wurm.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Ueber-</fw><lb/> <p> <note xml:id="a022b" prev="#a022" place="foot">„die Augen oͤffnen, und einer gantzen Nation dienen. Oh-<lb/> „ne Zweifel hat die Critick der franzoͤſiſchen Academie uͤber<lb/> „den Cid des Corneille den Geſchmack der gantzen Na-<lb/> „tion mehr gebeſſert, als hundert ſchlechte Stuͤcke vor der<lb/> „Zeit ihn verwoͤhnt hatten. Geſchieht es gleich nicht in<lb/> „einem Jahre, ſo iſt es gar kein Wunder. Eine Kranck-<lb/> „heit, die langſam entſtanden iſt, muß auch langſam<lb/> „geheilet werden.„ Wie es um die Critick in Deutſch-<lb/> land ſtehe, das kan man aus der Geſchichte der deutſchen<lb/> Critick in dem <hi rendition="#aq">I.</hi> Stuͤcke dieſer Sammlung erſehen, und<lb/> daraus abnehmen, wie viel Grund die ſtoltze Ausſage habe:<lb/> „Wenigſtens bezeigen doch die <hi rendition="#fr">haͤufigen Criticken,</hi> wel-<lb/> „che in Deutſchſand ſo ofte zum Vorſchein kommen, daß<lb/> „die Wahrheit aus unſren Grentzen ſo gantz und gar noch<lb/> „nicht verwieſen iſt.„ <hi rendition="#aq">XV.</hi> St. der Crit. <hi rendition="#fr">Beyt.</hi> Bl. 423.</note> </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0056]
Mauvillons Brief
und da etliche treffliche Stellen antreffe, doch ſind
ſolche ſehr duͤnne geſaͤet. Eine Strophe in Guͤn-
thers Ode auf Gott hat mir ſo wohl gefallen, daß
mich die Luſt angekommen, ſie in franzoͤſiſche
Verſe zu uͤberſetzen. Vielleicht iſt es euch nicht
zuwider, daß ich euch dieſe Ueberſetzung zeige.
Hier iſt ſie, und damit ihr deſto leichter urthei-
len koͤnnet, ob ſie der Urkunde gemaͤß ſey, ſo
will ich mit eurer Erlaubniß ſelbige beyfuͤgen.
Was willſt du mit dem Schatten zancken?
Beweiß an ſtaͤrckern deine Macht;
Wer wird dir in der Hoͤlle dancken?
Ach! Haſt du dieß noch nicht bedacht? (L)
Du kommſt nut Donner, Blitz und Sturm;
Wer iſt der groſſe Feind? Ein Wurm.
Ueber-
(L) Hr. von Mauvillon hat die geprieſene guͤntheriſche
Strophe durch ſeine Ueberſetzung viel ertraͤglicher gemacht,
und ihr manche Schoͤnheit mitgetheilet, die ſie in dem Ori-
ginale
„die Augen oͤffnen, und einer gantzen Nation dienen. Oh-
„ne Zweifel hat die Critick der franzoͤſiſchen Academie uͤber
„den Cid des Corneille den Geſchmack der gantzen Na-
„tion mehr gebeſſert, als hundert ſchlechte Stuͤcke vor der
„Zeit ihn verwoͤhnt hatten. Geſchieht es gleich nicht in
„einem Jahre, ſo iſt es gar kein Wunder. Eine Kranck-
„heit, die langſam entſtanden iſt, muß auch langſam
„geheilet werden.„ Wie es um die Critick in Deutſch-
land ſtehe, das kan man aus der Geſchichte der deutſchen
Critick in dem I. Stuͤcke dieſer Sammlung erſehen, und
daraus abnehmen, wie viel Grund die ſtoltze Ausſage habe:
„Wenigſtens bezeigen doch die haͤufigen Criticken, wel-
„che in Deutſchſand ſo ofte zum Vorſchein kommen, daß
„die Wahrheit aus unſren Grentzen ſo gantz und gar noch
„nicht verwieſen iſt.„ XV. St. der Crit. Beyt. Bl. 423.
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