[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.Mauvillons Brief dienen, scheine ihm vornehmlich daher glaub-würdig, (M) weil nicht einer von ihnen weder ins Französische, noch ins Jtalienische, noch ins Englische, noch ins Spanische, noch in sonst eine Sprache übersezt sey; da hingegen Milton, Boileau, Pope, Racine, Tasso, Moliere, und schier alle angesehene Poeten in die meisten Europeischen Sprachen übersetzet worden. Ja, man hat eure Geschichtschreiber und Rechtsge- lahrten, die dessen werth waren, übersetzet, wiewohl dieses eben nicht beweiset, daß alle die, so übersetzet worden, gleich trefflich seyn, weil in Wahrheit nur allzu viele Federn sind, die schlimme Wercke ums Lohn übersetzen. Was aber eure Poeten anlangt, so ist es keine so leichte Arbeit, sie zu übersetzen, weil sie selber sich schier alleine mit Uebersetzen behelffen. Sie sind meistens selbst Uebersetzer: Zeiget mir ei- nen (M) Diese Anmerckung des Verfassers der jüdischen
Briefe dienet in der That den Stoltz einiger deutschen Kunst- richter zu demüthigen, und ihnen wegen ihrer ruhmräthi- gen Großsprechereyen den Mund zu stopfen; da sie sich nicht scheuen, die berühmtesten Nahmen der alten und neuen Verfasser fremder Nationen durch ungeschickte Vergleichun- gen zu verkleinern, um durch diese Verkleinerung ihre poe- tischen Helden zu erheben. Es wird auch den deutschen Kunstrichtern schwer fallen, diese Gleichgültigkeit fremder Nationen für die deutschen Schriften so zu erklären, daß es dem wahren Werth derselben nichts benimmt; da die Deutschen im Gegentheil bey ihrem Stoltze so erpicht sind, den fremden Scribenten ihre Gedancken gleichsam aus dem Munde zu nehmen, und in ihre Sprache einzukleiden. Mauvillons Brief dienen, ſcheine ihm vornehmlich daher glaub-wuͤrdig, (M) weil nicht einer von ihnen weder ins Franzoͤſiſche, noch ins Jtalieniſche, noch ins Engliſche, noch ins Spaniſche, noch in ſonſt eine Sprache uͤberſezt ſey; da hingegen Milton, Boileau, Pope, Racine, Taſſo, Moliere, und ſchier alle angeſehene Poeten in die meiſten Europeiſchen Sprachen uͤberſetzet worden. Ja, man hat eure Geſchichtſchreiber und Rechtsge- lahrten, die deſſen werth waren, uͤberſetzet, wiewohl dieſes eben nicht beweiſet, daß alle die, ſo uͤberſetzet worden, gleich trefflich ſeyn, weil in Wahrheit nur allzu viele Federn ſind, die ſchlimme Wercke ums Lohn uͤberſetzen. Was aber eure Poeten anlangt, ſo iſt es keine ſo leichte Arbeit, ſie zu uͤberſetzen, weil ſie ſelber ſich ſchier alleine mit Ueberſetzen behelffen. Sie ſind meiſtens ſelbſt Ueberſetzer: Zeiget mir ei- nen (M) Dieſe Anmerckung des Verfaſſers der juͤdiſchen
Briefe dienet in der That den Stoltz einiger deutſchen Kunſt- richter zu demuͤthigen, und ihnen wegen ihrer ruhmraͤthi- gen Großſprechereyen den Mund zu ſtopfen; da ſie ſich nicht ſcheuen, die beruͤhmteſten Nahmen der alten und neuen Verfaſſer fremder Nationen durch ungeſchickte Vergleichun- gen zu verkleinern, um durch dieſe Verkleinerung ihre poe- tiſchen Helden zu erheben. Es wird auch den deutſchen Kunſtrichtern ſchwer fallen, dieſe Gleichguͤltigkeit fremder Nationen fuͤr die deutſchen Schriften ſo zu erklaͤren, daß es dem wahren Werth derſelben nichts benimmt; da die Deutſchen im Gegentheil bey ihrem Stoltze ſo erpicht ſind, den fremden Scribenten ihre Gedancken gleichſam aus dem Munde zu nehmen, und in ihre Sprache einzukleiden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0058" n="58"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Mauvillons Brief</hi></fw><lb/> dienen, ſcheine ihm vornehmlich daher glaub-<lb/> wuͤrdig, <note place="foot" n="(M)">Dieſe Anmerckung des Verfaſſers der juͤdiſchen<lb/> Briefe dienet in der That den Stoltz einiger deutſchen Kunſt-<lb/> richter zu demuͤthigen, und ihnen wegen ihrer ruhmraͤthi-<lb/> gen Großſprechereyen den Mund zu ſtopfen; da ſie ſich<lb/> nicht ſcheuen, die beruͤhmteſten Nahmen der alten und neuen<lb/> Verfaſſer fremder Nationen durch ungeſchickte Vergleichun-<lb/> gen zu verkleinern, um durch dieſe Verkleinerung ihre poe-<lb/> tiſchen Helden zu erheben. Es wird auch den deutſchen<lb/> Kunſtrichtern ſchwer fallen, dieſe Gleichguͤltigkeit fremder<lb/> Nationen fuͤr die deutſchen Schriften ſo zu erklaͤren, daß<lb/> es dem wahren Werth derſelben nichts benimmt; da die<lb/> Deutſchen im Gegentheil bey ihrem Stoltze ſo erpicht ſind,<lb/> den fremden Scribenten ihre Gedancken gleichſam aus dem<lb/> Munde zu nehmen, und in ihre Sprache einzukleiden.</note> weil nicht einer von ihnen weder<lb/> ins Franzoͤſiſche, noch ins Jtalieniſche, noch ins<lb/> Engliſche, noch ins Spaniſche, noch in ſonſt<lb/> eine Sprache uͤberſezt ſey; da hingegen Milton,<lb/> Boileau, Pope, Racine, Taſſo, Moliere,<lb/> und ſchier alle angeſehene Poeten in die meiſten<lb/> Europeiſchen Sprachen uͤberſetzet worden. Ja,<lb/> man hat eure Geſchichtſchreiber und Rechtsge-<lb/> lahrten, die deſſen werth waren, uͤberſetzet,<lb/> wiewohl dieſes eben nicht beweiſet, daß alle die,<lb/> ſo uͤberſetzet worden, gleich trefflich ſeyn, weil<lb/> in Wahrheit nur allzu viele Federn ſind, die<lb/> ſchlimme Wercke ums Lohn uͤberſetzen. Was<lb/> aber eure Poeten anlangt, ſo iſt es keine ſo<lb/> leichte Arbeit, ſie zu uͤberſetzen, weil ſie ſelber<lb/> ſich ſchier alleine mit Ueberſetzen behelffen. Sie<lb/> ſind meiſtens ſelbſt Ueberſetzer: Zeiget mir ei-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">nen</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0058]
Mauvillons Brief
dienen, ſcheine ihm vornehmlich daher glaub-
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ins Franzoͤſiſche, noch ins Jtalieniſche, noch ins
Engliſche, noch ins Spaniſche, noch in ſonſt
eine Sprache uͤberſezt ſey; da hingegen Milton,
Boileau, Pope, Racine, Taſſo, Moliere,
und ſchier alle angeſehene Poeten in die meiſten
Europeiſchen Sprachen uͤberſetzet worden. Ja,
man hat eure Geſchichtſchreiber und Rechtsge-
lahrten, die deſſen werth waren, uͤberſetzet,
wiewohl dieſes eben nicht beweiſet, daß alle die,
ſo uͤberſetzet worden, gleich trefflich ſeyn, weil
in Wahrheit nur allzu viele Federn ſind, die
ſchlimme Wercke ums Lohn uͤberſetzen. Was
aber eure Poeten anlangt, ſo iſt es keine ſo
leichte Arbeit, ſie zu uͤberſetzen, weil ſie ſelber
ſich ſchier alleine mit Ueberſetzen behelffen. Sie
ſind meiſtens ſelbſt Ueberſetzer: Zeiget mir ei-
nen
(M) Dieſe Anmerckung des Verfaſſers der juͤdiſchen
Briefe dienet in der That den Stoltz einiger deutſchen Kunſt-
richter zu demuͤthigen, und ihnen wegen ihrer ruhmraͤthi-
gen Großſprechereyen den Mund zu ſtopfen; da ſie ſich
nicht ſcheuen, die beruͤhmteſten Nahmen der alten und neuen
Verfaſſer fremder Nationen durch ungeſchickte Vergleichun-
gen zu verkleinern, um durch dieſe Verkleinerung ihre poe-
tiſchen Helden zu erheben. Es wird auch den deutſchen
Kunſtrichtern ſchwer fallen, dieſe Gleichguͤltigkeit fremder
Nationen fuͤr die deutſchen Schriften ſo zu erklaͤren, daß
es dem wahren Werth derſelben nichts benimmt; da die
Deutſchen im Gegentheil bey ihrem Stoltze ſo erpicht ſind,
den fremden Scribenten ihre Gedancken gleichſam aus dem
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