[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.Mauvillons Brief Hr. Neukirch ihm öfters solche Linien geliehenhat, welche wahrhaftig seinen Werth nicht er- heben. Jch finde eine solche Stelle im ersten B. wo Calypso den Sohn Ulysses inständig er- sucht, daß er ihr seine Begebenheiten erzehlete. Der junge Fürst will ihr ungeduldiges Verlan- gen stillen, und fängt die Erzehlung seiner Ge- schichte mit diesen Worten an. etc. Dieses alles wird von dem Herrn von Fenelon so geschickt vorgestellet, daß man sich einbildet, man höre Telemachen selber reden. Jm Neukirch sehen wir nichts dergleichen. Man dächte er hätte diese Stelle verdrehen wollen, damit sie possier- lich herauskäme. Seine Worte lauten auf französisch: - - - Mes malheurs, repon- dit Telemaque a la Deesse, sont trop longs & trop pleins de lamentations, pour meri- ter votre curiosite. Non non, reprit-elle, avec flatterie, je meurs d'envie de les enten- dre. Elie le pressa encore longtems avant que de pouvoir le faire parler, tant il avoit le coeur serre: Mais enfin il se laissa persua- der; ET A CE QU'ON DIT ET QU'ON CROIT, IL PARLA DE LA SORTE. Und Hr. Mauvillon anführet, auf die genauere critische Unter-
suchung verweisen, die in der neuen Critischen Dichtkunst Hrn. Prof. Breitingers im 2ten Theile, in dem Abschnitt von der Uebersetzung Bl. 182. u. f. zu finden ist. Und wer ein Muster von dem Neukirchischen gereinigten Feuer und Geschmack geprüft sehen will, der ziehe gedachten Verfas- sers Werck von den Gleichnissen, und daselbst den lezten Abschnitt zu Rathe. Mauvillons Brief Hr. Neukirch ihm oͤfters ſolche Linien geliehenhat, welche wahrhaftig ſeinen Werth nicht er- heben. Jch finde eine ſolche Stelle im erſten B. wo Calypſo den Sohn Ulyſſes inſtaͤndig er- ſucht, daß er ihr ſeine Begebenheiten erzehlete. Der junge Fuͤrſt will ihr ungeduldiges Verlan- gen ſtillen, und faͤngt die Erzehlung ſeiner Ge- ſchichte mit dieſen Worten an. ꝛc. Dieſes alles wird von dem Herrn von Fenelon ſo geſchickt vorgeſtellet, daß man ſich einbildet, man hoͤre Telemachen ſelber reden. Jm Neukirch ſehen wir nichts dergleichen. Man daͤchte er haͤtte dieſe Stelle verdrehen wollen, damit ſie poſſier- lich herauskaͤme. Seine Worte lauten auf franzoͤſiſch: ‒ ‒ ‒ Mes malheurs, repon- dit Telemaque à la Deeſſe, ſont trop longs & trop pleins de lamentations, pour meri- ter votre curioſité. Non non, reprit-elle, avec flatterie, je meurs d’envie de les enten- dre. Elie le preſſa encore longtems avant que de pouvoir le faire parler, tant il avoit le cœur ſerré: Mais enfin il ſe laiſſa perſua- der; ET A CE QU’ON DIT ET QU’ON CROIT, IL PARLA DE LA SORTE. Und Hr. Mauvillon anfuͤhret, auf die genauere critiſche Unter-
ſuchung verweiſen, die in der neuen Critiſchen Dichtkunſt Hrn. Prof. Breitingers im 2ten Theile, in dem Abſchnitt von der Ueberſetzung Bl. 182. u. f. zu finden iſt. Und wer ein Muſter von dem Neukirchiſchen gereinigten Feuer und Geſchmack gepruͤft ſehen will, der ziehe gedachten Verfaſ- ſers Werck von den Gleichniſſen, und daſelbſt den lezten Abſchnitt zu Rathe. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0068" n="68"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Mauvillons Brief</hi></fw><lb/> Hr. Neukirch ihm oͤfters ſolche Linien geliehen<lb/> hat, welche wahrhaftig ſeinen Werth nicht er-<lb/> heben. Jch finde eine ſolche Stelle im erſten<lb/> B. wo Calypſo den Sohn Ulyſſes inſtaͤndig er-<lb/> ſucht, daß er ihr ſeine Begebenheiten erzehlete.<lb/> Der junge Fuͤrſt will ihr ungeduldiges Verlan-<lb/> gen ſtillen, und faͤngt die Erzehlung ſeiner Ge-<lb/> ſchichte mit dieſen Worten an. ꝛc. Dieſes alles<lb/> wird von dem Herrn von Fenelon ſo geſchickt<lb/> vorgeſtellet, daß man ſich einbildet, man hoͤre<lb/> Telemachen ſelber reden. Jm Neukirch ſehen<lb/> wir nichts dergleichen. Man daͤchte er haͤtte<lb/> dieſe Stelle verdrehen wollen, damit ſie poſſier-<lb/> lich herauskaͤme. Seine Worte lauten auf<lb/> franzoͤſiſch: ‒ ‒ ‒ <hi rendition="#aq">Mes malheurs, repon-<lb/> dit Telemaque à la Deeſſe, ſont trop longs<lb/> & trop pleins de lamentations, pour meri-<lb/> ter votre curioſité. Non non, reprit-elle,<lb/> avec flatterie, je meurs d’envie de les enten-<lb/> dre. Elie le preſſa encore longtems avant<lb/> que de pouvoir le faire parler, tant il avoit<lb/> le cœur ſerré: Mais enfin il ſe laiſſa perſua-<lb/> der; ET A CE QU’ON DIT ET QU’ON<lb/> CROIT, IL PARLA DE LA SORTE.</hi></p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/> <p> <note xml:id="a027b" prev="#a027" place="foot">Hr. Mauvillon anfuͤhret, auf die genauere critiſche Unter-<lb/> ſuchung verweiſen, die in der neuen <hi rendition="#fr">Critiſchen Dichtkunſt</hi><lb/> Hrn. Prof. <hi rendition="#fr">Breitingers</hi> im 2ten Theile, in dem Abſchnitt<lb/> von der Ueberſetzung Bl. 182. u. f. zu finden iſt. Und wer<lb/> ein Muſter von dem Neukirchiſchen gereinigten Feuer und<lb/> Geſchmack gepruͤft ſehen will, der ziehe gedachten Verfaſ-<lb/> ſers Werck von den <hi rendition="#fr">Gleichniſſen,</hi> und daſelbſt den lezten<lb/> Abſchnitt zu Rathe.</note> </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0068]
Mauvillons Brief
Hr. Neukirch ihm oͤfters ſolche Linien geliehen
hat, welche wahrhaftig ſeinen Werth nicht er-
heben. Jch finde eine ſolche Stelle im erſten
B. wo Calypſo den Sohn Ulyſſes inſtaͤndig er-
ſucht, daß er ihr ſeine Begebenheiten erzehlete.
Der junge Fuͤrſt will ihr ungeduldiges Verlan-
gen ſtillen, und faͤngt die Erzehlung ſeiner Ge-
ſchichte mit dieſen Worten an. ꝛc. Dieſes alles
wird von dem Herrn von Fenelon ſo geſchickt
vorgeſtellet, daß man ſich einbildet, man hoͤre
Telemachen ſelber reden. Jm Neukirch ſehen
wir nichts dergleichen. Man daͤchte er haͤtte
dieſe Stelle verdrehen wollen, damit ſie poſſier-
lich herauskaͤme. Seine Worte lauten auf
franzoͤſiſch: ‒ ‒ ‒ Mes malheurs, repon-
dit Telemaque à la Deeſſe, ſont trop longs
& trop pleins de lamentations, pour meri-
ter votre curioſité. Non non, reprit-elle,
avec flatterie, je meurs d’envie de les enten-
dre. Elie le preſſa encore longtems avant
que de pouvoir le faire parler, tant il avoit
le cœur ſerré: Mais enfin il ſe laiſſa perſua-
der; ET A CE QU’ON DIT ET QU’ON
CROIT, IL PARLA DE LA SORTE.
Und
Hr. Mauvillon anfuͤhret, auf die genauere critiſche Unter-
ſuchung verweiſen, die in der neuen Critiſchen Dichtkunſt
Hrn. Prof. Breitingers im 2ten Theile, in dem Abſchnitt
von der Ueberſetzung Bl. 182. u. f. zu finden iſt. Und wer
ein Muſter von dem Neukirchiſchen gereinigten Feuer und
Geſchmack gepruͤft ſehen will, der ziehe gedachten Verfaſ-
ſers Werck von den Gleichniſſen, und daſelbſt den lezten
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