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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.

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des deutschen Witzes.
"als so viele Mitglieder unsrer Gesellschaft sind,
"die theils ihrer Geburt, theils ihren Bedie-
"nungen nach nicht weniger Hochachtung
"verdienen.
Denn Personen von noch höherm
"Stande pflegen sich mit grammatischen Klei-
"nigkeiten so bekannt nicht zu machen, als un-
"ser Hr. Kunstrichter sich gemacht hat; es wäre
"denn, daß er etwa mit einem fremden Kalbe
"gepflüget hätte, welches wir aber um verschie-
"dener Ursachen halber dießmahl nicht vermu-
"then können."

Andere wohlgesittete hoch-
deutsche Kunstrichter führen eine gantz andere
Sprache, wenn sie von der deutschen Gesellschaft
und ihrer Hochachtung gegen dieselbe reden
wollen. Jch will zum Beweise ein Paar Stel-
len aus des Hrn. Amtmann Gottfr. Behrnds
Antrittrede in der deutschen Gesellschaft anfüh-
ren:

1.) "Bin ich schon nicht vermögend, in
"ihren gläntzenden Haarschmuck Juwelen und
"Loorberzweige einzuflechten; so werde ich doch
"nicht unterlassen, ihren Füssen mit Ehrerbie-
"tung niedrigen, doch immer grünen Epheu
"unterzustreuen." 2.) "Welches aber hiemit
"nebst der gantzen Abhandlung hochgeneigt zu
"beurtheilen meinen hochgeehrtesten Herren
"anheim gebe, und schließlich zu dero reifliche-
"ren Erwegung und Verbesserung, nebst mir
"selber, mich
dienstergebenst überlasse."

Das
klingt in deutschen Ohren politer, als der auf-
richtige Gönner,
wenn man sich, nebst sich sel-
ber, (denn ich und ich selber sind zweyerley,)
zur Verbesserung dienstergebenst überläßt.

Diese
des deutſchen Witzes.
als ſo viele Mitglieder unſrer Geſellſchaft ſind,
„die theils ihrer Geburt, theils ihren Bedie-
„nungen nach nicht weniger Hochachtung
„verdienen.
Denn Perſonen von noch hoͤherm
„Stande pflegen ſich mit grammatiſchen Klei-
„nigkeiten ſo bekannt nicht zu machen, als un-
„ſer Hr. Kunſtrichter ſich gemacht hat; es waͤre
„denn, daß er etwa mit einem fremden Kalbe
„gepfluͤget haͤtte, welches wir aber um verſchie-
„dener Urſachen halber dießmahl nicht vermu-
„then koͤnnen.„

Andere wohlgeſittete hoch-
deutſche Kunſtrichter fuͤhren eine gantz andere
Sprache, wenn ſie von der deutſchen Geſellſchaft
und ihrer Hochachtung gegen dieſelbe reden
wollen. Jch will zum Beweiſe ein Paar Stel-
len aus des Hrn. Amtmann Gottfr. Behrnds
Antrittrede in der deutſchen Geſellſchaft anfuͤh-
ren:

1.) „Bin ich ſchon nicht vermoͤgend, in
„ihren glaͤntzenden Haarſchmuck Juwelen und
„Loorberzweige einzuflechten; ſo werde ich doch
„nicht unterlaſſen, ihren Fuͤſſen mit Ehrerbie-
„tung niedrigen, doch immer gruͤnen Epheu
„unterzuſtreuen.„ 2.) „Welches aber hiemit
„nebſt der gantzen Abhandlung hochgeneigt zu
„beurtheilen meinen hochgeehrteſten Herren
„anheim gebe, und ſchließlich zu dero reifliche-
„ren Erwegung und Verbeſſerung, nebſt mir
„ſelber, mich
dienſtergebenſt uͤberlaſſe.„

Das
klingt in deutſchen Ohren politer, als der auf-
richtige Goͤnner,
wenn man ſich, nebſt ſich ſel-
ber, (denn ich und ich ſelber ſind zweyerley,)
zur Verbeſſerung dienſtergebenſt uͤberlaͤßt.

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[29/0029] des deutſchen Witzes. „als ſo viele Mitglieder unſrer Geſellſchaft ſind, „die theils ihrer Geburt, theils ihren Bedie- „nungen nach nicht weniger Hochachtung „verdienen. Denn Perſonen von noch hoͤherm „Stande pflegen ſich mit grammatiſchen Klei- „nigkeiten ſo bekannt nicht zu machen, als un- „ſer Hr. Kunſtrichter ſich gemacht hat; es waͤre „denn, daß er etwa mit einem fremden Kalbe „gepfluͤget haͤtte, welches wir aber um verſchie- „dener Urſachen halber dießmahl nicht vermu- „then koͤnnen.„ Andere wohlgeſittete hoch- deutſche Kunſtrichter fuͤhren eine gantz andere Sprache, wenn ſie von der deutſchen Geſellſchaft und ihrer Hochachtung gegen dieſelbe reden wollen. Jch will zum Beweiſe ein Paar Stel- len aus des Hrn. Amtmann Gottfr. Behrnds Antrittrede in der deutſchen Geſellſchaft anfuͤh- ren: 1.) „Bin ich ſchon nicht vermoͤgend, in „ihren glaͤntzenden Haarſchmuck Juwelen und „Loorberzweige einzuflechten; ſo werde ich doch „nicht unterlaſſen, ihren Fuͤſſen mit Ehrerbie- „tung niedrigen, doch immer gruͤnen Epheu „unterzuſtreuen.„ 2.) „Welches aber hiemit „nebſt der gantzen Abhandlung hochgeneigt zu „beurtheilen meinen hochgeehrteſten Herren „anheim gebe, und ſchließlich zu dero reifliche- „ren Erwegung und Verbeſſerung, nebſt mir „ſelber, mich dienſtergebenſt uͤberlaſſe.„ Das klingt in deutſchen Ohren politer, als der auf- richtige Goͤnner, wenn man ſich, nebſt ſich ſel- ber, (denn ich und ich ſelber ſind zweyerley,) zur Verbeſſerung dienſtergebenſt uͤberlaͤßt. Dieſe

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742/29>, abgerufen am 28.04.2024.