[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.des deutschen Witzes. man die Todten, die keine Empfindung haben,nicht mehr beleidigen könne, und weil sie sich nicht mehr verantworten oder vertheidigen kön- nen, so könne man ihrer ohne Gefahr leicht mei- ster werden. Wann sie auch etwann unter Le- benden noch einige wenige vor das Gericht der Critick zu ziehen erlauben, so sind es gemeinig- lich so arme Sünder, an denen man sich wegen ihres geringen Ansehens durch Unhöflichkeit nicht versündigen kan, die durch ihr Exempel niemand ver- men, daß man keinen Scribenten tadeln solle, er habe es dann mit seinem Tode verschuldet. Zwar binden sie sich an diese Regel nicht so abergläubisch, daß sie sich dann und wann nicht die Freyheit herausnehmen sollten, einem und dem andern noch lebenden Schriftverfasser, der das Unglück gehabt ihnen zu mißfallen, ihre critische Ungnade härtiglich empfinden zu lassen: Wie denn in dieser Absicht, (dem zufolge, was ich in dem vorhergehenden Abschnitte ausführlich gezeiget habe,) die Leipzigischen Critischen Bey- träge mit gutem Recht als ein Kampfplatz anzusehen sind, auf dem diese critischen Klopffechter manchen ehrlichen Rit- ter, der ihnen zu gefallen nicht hat sterben wollen, un- barmhertziger Weise herumgetrillt haben. Sie haben sich auch bey der Beobachtung des obenerwähnten Fundamen- tal-Gesetzes bisdahin so wohl befunden, daß noch erst neulich Hr. Prof. Gottsched selbst in dem XXVII. St. der Crit. Beytr. Bl 436. für dienlich erachtet hat, diese kluge und heilsame Verordnung mit folgender sinnreichen Schutzschrift zu verfechten: "Wir wollen, weil der Herausgeber des "Ergäntzungsstücks zur Trillerischen Vorrede doch einmahl "diese Beyträge für einen Kampfplatz ausgegeben hat, "auf dem man muthige Ritter erlege, nur noch eine ein- "zige Anmerckung machen, die ihn selbst angeht. Es ist "diese, daß man aus Zesens Exempel sehen kan, es habe "auch C 3
des deutſchen Witzes. man die Todten, die keine Empfindung haben,nicht mehr beleidigen koͤnne, und weil ſie ſich nicht mehr verantworten oder vertheidigen koͤn- nen, ſo koͤnne man ihrer ohne Gefahr leicht mei- ſter werden. Wann ſie auch etwann unter Le- benden noch einige wenige vor das Gericht der Critick zu ziehen erlauben, ſo ſind es gemeinig- lich ſo arme Suͤnder, an denen man ſich wegen ihres geringen Anſehens durch Unhoͤflichkeit nicht verſuͤndigen kan, die durch ihr Exempel niemand ver- men, daß man keinen Scribenten tadeln ſolle, er habe es dann mit ſeinem Tode verſchuldet. Zwar binden ſie ſich an dieſe Regel nicht ſo aberglaͤubiſch, daß ſie ſich dann und wann nicht die Freyheit herausnehmen ſollten, einem und dem andern noch lebenden Schriftverfaſſer, der das Ungluͤck gehabt ihnen zu mißfallen, ihre critiſche Ungnade haͤrtiglich empfinden zu laſſen: Wie denn in dieſer Abſicht, (dem zufolge, was ich in dem vorhergehenden Abſchnitte ausfuͤhrlich gezeiget habe,) die Leipzigiſchen Critiſchen Bey- traͤge mit gutem Recht als ein Kampfplatz anzuſehen ſind, auf dem dieſe critiſchen Klopffechter manchen ehrlichen Rit- ter, der ihnen zu gefallen nicht hat ſterben wollen, un- barmhertziger Weiſe herumgetrillt haben. Sie haben ſich auch bey der Beobachtung des obenerwaͤhnten Fundamen- tal-Geſetzes bisdahin ſo wohl befunden, daß noch erſt neulich Hr. Prof. Gottſched ſelbſt in dem XXVII. St. der Crit. Beytr. Bl 436. fuͤr dienlich erachtet hat, dieſe kluge und heilſame Verordnung mit folgender ſinnreichen Schutzſchrift zu verfechten: „Wir wollen, weil der Herausgeber des „Ergaͤntzungsſtuͤcks zur Trilleriſchen Vorrede doch einmahl „dieſe Beytraͤge fuͤr einen Kampfplatz ausgegeben hat, „auf dem man muthige Ritter erlege, nur noch eine ein- „zige Anmerckung machen, die ihn ſelbſt angeht. Es iſt „dieſe, daß man aus Zeſens Exempel ſehen kan, es habe „auch C 3
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des deutſchen Witzes.
man die Todten, die keine Empfindung haben,
nicht mehr beleidigen koͤnne, und weil ſie ſich
nicht mehr verantworten oder vertheidigen koͤn-
nen, ſo koͤnne man ihrer ohne Gefahr leicht mei-
ſter werden. Wann ſie auch etwann unter Le-
benden noch einige wenige vor das Gericht der
Critick zu ziehen erlauben, ſo ſind es gemeinig-
lich ſo arme Suͤnder, an denen man ſich wegen
ihres geringen Anſehens durch Unhoͤflichkeit nicht
verſuͤndigen kan, die durch ihr Exempel niemand
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(*) men, daß man keinen Scribenten tadeln ſolle, er habe es
dann mit ſeinem Tode verſchuldet. Zwar binden ſie ſich
an dieſe Regel nicht ſo aberglaͤubiſch, daß ſie ſich dann
und wann nicht die Freyheit herausnehmen ſollten, einem
und dem andern noch lebenden Schriftverfaſſer, der das
Ungluͤck gehabt ihnen zu mißfallen, ihre critiſche Ungnade
haͤrtiglich empfinden zu laſſen: Wie denn in dieſer Abſicht,
(dem zufolge, was ich in dem vorhergehenden Abſchnitte
ausfuͤhrlich gezeiget habe,) die Leipzigiſchen Critiſchen Bey-
traͤge mit gutem Recht als ein Kampfplatz anzuſehen ſind,
auf dem dieſe critiſchen Klopffechter manchen ehrlichen Rit-
ter, der ihnen zu gefallen nicht hat ſterben wollen, un-
barmhertziger Weiſe herumgetrillt haben. Sie haben ſich
auch bey der Beobachtung des obenerwaͤhnten Fundamen-
tal-Geſetzes bisdahin ſo wohl befunden, daß noch erſt
neulich Hr. Prof. Gottſched ſelbſt in dem XXVII. St. der
Crit. Beytr. Bl 436. fuͤr dienlich erachtet hat, dieſe kluge und
heilſame Verordnung mit folgender ſinnreichen Schutzſchrift
zu verfechten: „Wir wollen, weil der Herausgeber des
„Ergaͤntzungsſtuͤcks zur Trilleriſchen Vorrede doch einmahl
„dieſe Beytraͤge fuͤr einen Kampfplatz ausgegeben hat,
„auf dem man muthige Ritter erlege, nur noch eine ein-
„zige Anmerckung machen, die ihn ſelbſt angeht. Es iſt
„dieſe, daß man aus Zeſens Exempel ſehen kan, es habe
„auch
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