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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.

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Neue Vorrede
starcken Beweis, von der guten Aufnahme die-
ser poetischen Anweisung an die Hand gegeben.
Wollte ich mich nun den angenehmen Empfin-
dungen eines Schriftstellers überlassen B, womit

ihn
An. 1746. die sechste und zugleich die siebende Auflage ans
Licht hervortreten werden, es wäre denn Sache, daß man
bey den künftigen Auflagen die Zahl der Abdrücke verdop-
peln, oder daß sich sonst der Geschmack der deutschen Schu-
le für dieses Buch unglücklicher Weise verlieren sollte.
Wenn aber bey denen künftigen so geschwind auf einander
folgenden Auflagen, sich jedesmahl das süsse Vergnügen
des Hrn. Prof. Gottscheds verdoppeln sollte, so stehet
zu besorgen, die Grösse desselben dürfte sein Gemüthe
endlich wie eine Last erdrücken: Hic puer, ut sit vita-
lis metuo!
Sonsten wird es schwer zu errathen oder vor-
herzusagen seyn, wie oft die Auflage dieses Buches etwa
noch möchte wiederholet werden: denn zukünftige Dinge
sind
(nach dem Ausspruche des deutschen Sirachs Crit.
Beytr.
St. XXIV. Bl. 666.) ungewiß. Und Hr. Prof.
Philippi mag sich wohl ehedem eben so sehr mit der süssen
Hoffnung geschmeichelt haben, seine Sechs Reden durch
öfters wiederholte Auflagen vermehrt zu sehen, eh und be-
vor sie das schwere Unglück gehabt, dem Hrn. Liscov be-
kannt zu werden.
B Wollte ich mich nun den angenehmen Empfindun-
gen eines Schriftstellers überlassen)
Es giebt eine ge-
wisse Rhetorische Figur, die uns lehret, wie wir ohne Ver-
letzung der Bescheidenheit groß thun, und uns selbst auf
eine so verdeckte Art loben können, daß ob es gleich jeder-
mann mercket, uns doch niemand das bekannte Eigen-
ruhm stinckt
mit Recht verwerffen kan. Hr. Prof. Gott-
sched hat uns durch sein Beyspiel gelehret, daß diese Figur
in den Vorreden der Bücher mit gutem Vortheil angewen-
det werden könne. Sie bestehet darinnen, daß man bey
Gele-

Neue Vorrede
ſtarcken Beweis, von der guten Aufnahme die-
ſer poetiſchen Anweiſung an die Hand gegeben.
Wollte ich mich nun den angenehmen Empfin-
dungen eines Schriftſtellers uͤberlaſſen B, womit

ihn
An. 1746. die ſechste und zugleich die ſiebende Auflage ans
Licht hervortreten werden, es waͤre denn Sache, daß man
bey den kuͤnftigen Auflagen die Zahl der Abdruͤcke verdop-
peln, oder daß ſich ſonſt der Geſchmack der deutſchen Schu-
le fuͤr dieſes Buch ungluͤcklicher Weiſe verlieren ſollte.
Wenn aber bey denen kuͤnftigen ſo geſchwind auf einander
folgenden Auflagen, ſich jedesmahl das ſuͤſſe Vergnuͤgen
des Hrn. Prof. Gottſcheds verdoppeln ſollte, ſo ſtehet
zu beſorgen, die Groͤſſe deſſelben duͤrfte ſein Gemuͤthe
endlich wie eine Laſt erdruͤcken: Hic puer, ut ſit vita-
lis metuo!
Sonſten wird es ſchwer zu errathen oder vor-
herzuſagen ſeyn, wie oft die Auflage dieſes Buches etwa
noch moͤchte wiederholet werden: denn zukuͤnftige Dinge
ſind
(nach dem Ausſpruche des deutſchen Sirachs Crit.
Beytr.
St. XXIV. Bl. 666.) ungewiß. Und Hr. Prof.
Philippi mag ſich wohl ehedem eben ſo ſehr mit der ſuͤſſen
Hoffnung geſchmeichelt haben, ſeine Sechs Reden durch
oͤfters wiederholte Auflagen vermehrt zu ſehen, eh und be-
vor ſie das ſchwere Ungluͤck gehabt, dem Hrn. Liſcov be-
kannt zu werden.
B Wollte ich mich nun den angenehmen Empfindun-
gen eines Schriftſtellers uͤberlaſſen)
Es giebt eine ge-
wiſſe Rhetoriſche Figur, die uns lehret, wie wir ohne Ver-
letzung der Beſcheidenheit groß thun, und uns ſelbſt auf
eine ſo verdeckte Art loben koͤnnen, daß ob es gleich jeder-
mann mercket, uns doch niemand das bekannte Eigen-
ruhm ſtinckt
mit Recht verwerffen kan. Hr. Prof. Gott-
ſched hat uns durch ſein Beyſpiel gelehret, daß dieſe Figur
in den Vorreden der Buͤcher mit gutem Vortheil angewen-
det werden koͤnne. Sie beſtehet darinnen, daß man bey
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[94/0094] Neue Vorrede ſtarcken Beweis, von der guten Aufnahme die- ſer poetiſchen Anweiſung an die Hand gegeben. Wollte ich mich nun den angenehmen Empfin- dungen eines Schriftſtellers uͤberlaſſen B, womit ihn A B Wollte ich mich nun den angenehmen Empfindun- gen eines Schriftſtellers uͤberlaſſen) Es giebt eine ge- wiſſe Rhetoriſche Figur, die uns lehret, wie wir ohne Ver- letzung der Beſcheidenheit groß thun, und uns ſelbſt auf eine ſo verdeckte Art loben koͤnnen, daß ob es gleich jeder- mann mercket, uns doch niemand das bekannte Eigen- ruhm ſtinckt mit Recht verwerffen kan. Hr. Prof. Gott- ſched hat uns durch ſein Beyſpiel gelehret, daß dieſe Figur in den Vorreden der Buͤcher mit gutem Vortheil angewen- det werden koͤnne. Sie beſtehet darinnen, daß man bey Gele- A An. 1746. die ſechste und zugleich die ſiebende Auflage ans Licht hervortreten werden, es waͤre denn Sache, daß man bey den kuͤnftigen Auflagen die Zahl der Abdruͤcke verdop- peln, oder daß ſich ſonſt der Geſchmack der deutſchen Schu- le fuͤr dieſes Buch ungluͤcklicher Weiſe verlieren ſollte. Wenn aber bey denen kuͤnftigen ſo geſchwind auf einander folgenden Auflagen, ſich jedesmahl das ſuͤſſe Vergnuͤgen des Hrn. Prof. Gottſcheds verdoppeln ſollte, ſo ſtehet zu beſorgen, die Groͤſſe deſſelben duͤrfte ſein Gemuͤthe endlich wie eine Laſt erdruͤcken: Hic puer, ut ſit vita- lis metuo! Sonſten wird es ſchwer zu errathen oder vor- herzuſagen ſeyn, wie oft die Auflage dieſes Buches etwa noch moͤchte wiederholet werden: denn zukuͤnftige Dinge ſind (nach dem Ausſpruche des deutſchen Sirachs Crit. Beytr. St. XXIV. Bl. 666.) ungewiß. Und Hr. Prof. Philippi mag ſich wohl ehedem eben ſo ſehr mit der ſuͤſſen Hoffnung geſchmeichelt haben, ſeine Sechs Reden durch oͤfters wiederholte Auflagen vermehrt zu ſehen, eh und be- vor ſie das ſchwere Ungluͤck gehabt, dem Hrn. Liſcov be- kannt zu werden.

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742/94>, abgerufen am 23.11.2024.