[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.zur III. Gottsch. Dichtk. daß mein Buch nicht ohne Nutzen gewesen Hseyn müsse. So gerecht aber hierinnen meine Fol- - - Ne- Jener sagt Bl. 133. "Nicht der Beyfall macht eine Sa- "che schön; sondern die Schönheit erwirbt sich bey Ver- "ständigen den Beyfall." Und Bl. 95. sagt er: "Der "allgemeine Beyfall einer Nation kan nicht eher von der "Geschicklichkeit eines Meisters in freyen Künsten, ein "gültiges Urtheil fällen, NB. als biß man vorher den gu- "ten Geschmack derselben erwiesen hat." Er beruft sich daselbst mit Recht auf den Ausspruch des Seneca: Non tam bene cum rebus mortalium agitur, ut meliora pluri- bus placeant: Argumentum pessimi turba est. Da nun von denen, welche die Gottschedische Dichtkunst gekauf- und gelesen haben, just nicht alle, keinen ausgenommen, derselben Beyfall gegeben; und der Geschmack derjeni- gen, die ihr Beyfall gegeben haben, nicht allerdings unverdächtig ist; so ist der Abgang und der Beyfall eben kein gewisser Beweis von der Güte dieses Buchs, so daß Herr Gottsched eben grosse Ursache hätte mächtig auf den- selben zu trotzen. Die Entrevüen und Gespräche im Rei- che der Todten hatten wohl ehedem einen stärckern Abgang und Beyfall bey der deutschen Nation erhalten, als Hr. Gottsched immer für seine Dichtkunst verhoffen kann; und gleichwohl wird er nimmer zugeben, daß man den Vorzug dieses Buchs vor dem seinigen darnach bestimmen sollte. Allein da seine Haupt-Absicht bey seinem Bücherschreiben diese ist, daß er gekauft, gelesen und gelobet werde; und er sich damit begnügen will, wenn er diese Absichten er- reichen kann; wer will ihm zumuthen, daß er sich edlere Absichten vorsetzen, oder daß er noch ein Mißtrauen auf die Güte seiner Schrifften werffen sollte? Er ist nicht so alber, daß ers sich noch für eine Ehre rechnen sollte; wenn seine Bücher Ladenhüter bleiben; wie der eigensinnige Horatz davon großspricht: B. I. Sat. X. H Daß mein Buch nicht ohne Nutzen gewesen) Denn ein Buch, es mag im übrigen so schlecht seyn, als es immer will, wenn es nur einen guten Abgang hat, ist niemahls ohne Nutzen, nämlich für den Buchdrucker, und folglich auch für den Verfasser. G [Crit. Samml. VI. St.]
zur III. Gottſch. Dichtk. daß mein Buch nicht ohne Nutzen geweſen Hſeyn muͤſſe. So gerecht aber hierinnen meine Fol- ‒ ‒ Ne- Jener ſagt Bl. 133. „Nicht der Beyfall macht eine Sa- „che ſchoͤn; ſondern die Schoͤnheit erwirbt ſich bey Ver- „ſtaͤndigen den Beyfall.„ Und Bl. 95. ſagt er: „Der „allgemeine Beyfall einer Nation kan nicht eher von der „Geſchicklichkeit eines Meiſters in freyen Kuͤnſten, ein „guͤltiges Urtheil faͤllen, NB. als biß man vorher den gu- „ten Geſchmack derſelben erwieſen hat.„ Er beruft ſich daſelbſt mit Recht auf den Ausſpruch des Seneca: Non tam bene cum rebus mortalium agitur, ut meliora pluri- bus placeant: Argumentum peſſimi turba eſt. Da nun von denen, welche die Gottſchediſche Dichtkunſt gekauf- und geleſen haben, juſt nicht alle, keinen ausgenommen, derſelben Beyfall gegeben; und der Geſchmack derjeni- gen, die ihr Beyfall gegeben haben, nicht allerdings unverdaͤchtig iſt; ſo iſt der Abgang und der Beyfall eben kein gewiſſer Beweis von der Guͤte dieſes Buchs, ſo daß Herr Gottſched eben groſſe Urſache haͤtte maͤchtig auf den- ſelben zu trotzen. Die Entrevüen und Geſpraͤche im Rei- che der Todten hatten wohl ehedem einen ſtaͤrckern Abgang und Beyfall bey der deutſchen Nation erhalten, als Hr. Gottſched immer fuͤr ſeine Dichtkunſt verhoffen kann; und gleichwohl wird er nimmer zugeben, daß man den Vorzug dieſes Buchs vor dem ſeinigen darnach beſtimmen ſollte. Allein da ſeine Haupt-Abſicht bey ſeinem Buͤcherſchreiben dieſe iſt, daß er gekauft, geleſen und gelobet werde; und er ſich damit begnuͤgen will, wenn er dieſe Abſichten er- reichen kann; wer will ihm zumuthen, daß er ſich edlere Abſichten vorſetzen, oder daß er noch ein Mißtrauen auf die Guͤte ſeiner Schrifften werffen ſollte? Er iſt nicht ſo alber, daß ers ſich noch fuͤr eine Ehre rechnen ſollte; wenn ſeine Buͤcher Ladenhuͤter bleiben; wie der eigenſinnige Horatz davon großſpricht: B. I. Sat. X. H Daß mein Buch nicht ohne Nutzen geweſen) Denn ein Buch, es mag im uͤbrigen ſo ſchlecht ſeyn, als es immer will, wenn es nur einen guten Abgang hat, iſt niemahls ohne Nutzen, naͤmlich fuͤr den Buchdrucker, und folglich auch fuͤr den Verfaſſer. G [Crit. Sam̃l. VI. St.]
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Fol-
G
‒ ‒ Ne-
H Daß mein Buch nicht ohne Nutzen geweſen)
Denn ein Buch, es mag im uͤbrigen ſo ſchlecht ſeyn, als
es immer will, wenn es nur einen guten Abgang hat, iſt
niemahls ohne Nutzen, naͤmlich fuͤr den Buchdrucker, und
folglich auch fuͤr den Verfaſſer.
G Jener ſagt Bl. 133. „Nicht der Beyfall macht eine Sa-
„che ſchoͤn; ſondern die Schoͤnheit erwirbt ſich bey Ver-
„ſtaͤndigen den Beyfall.„ Und Bl. 95. ſagt er: „Der
„allgemeine Beyfall einer Nation kan nicht eher von der
„Geſchicklichkeit eines Meiſters in freyen Kuͤnſten, ein
„guͤltiges Urtheil faͤllen, NB. als biß man vorher den gu-
„ten Geſchmack derſelben erwieſen hat.„ Er beruft ſich
daſelbſt mit Recht auf den Ausſpruch des Seneca: Non
tam bene cum rebus mortalium agitur, ut meliora pluri-
bus placeant: Argumentum peſſimi turba eſt. Da nun
von denen, welche die Gottſchediſche Dichtkunſt gekauf-
und geleſen haben, juſt nicht alle, keinen ausgenommen,
derſelben Beyfall gegeben; und der Geſchmack derjeni-
gen, die ihr Beyfall gegeben haben, nicht allerdings
unverdaͤchtig iſt; ſo iſt der Abgang und der Beyfall eben
kein gewiſſer Beweis von der Guͤte dieſes Buchs, ſo daß
Herr Gottſched eben groſſe Urſache haͤtte maͤchtig auf den-
ſelben zu trotzen. Die Entrevüen und Geſpraͤche im Rei-
che der Todten hatten wohl ehedem einen ſtaͤrckern Abgang
und Beyfall bey der deutſchen Nation erhalten, als Hr.
Gottſched immer fuͤr ſeine Dichtkunſt verhoffen kann; und
gleichwohl wird er nimmer zugeben, daß man den Vorzug
dieſes Buchs vor dem ſeinigen darnach beſtimmen ſollte.
Allein da ſeine Haupt-Abſicht bey ſeinem Buͤcherſchreiben
dieſe iſt, daß er gekauft, geleſen und gelobet werde; und
er ſich damit begnuͤgen will, wenn er dieſe Abſichten er-
reichen kann; wer will ihm zumuthen, daß er ſich edlere
Abſichten vorſetzen, oder daß er noch ein Mißtrauen auf
die Guͤte ſeiner Schrifften werffen ſollte? Er iſt nicht ſo
alber, daß ers ſich noch fuͤr eine Ehre rechnen ſollte; wenn
ſeine Buͤcher Ladenhuͤter bleiben; wie der eigenſinnige
Horatz davon großſpricht: B. I. Sat. X.
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