Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite


Von dem wichtigen Antheil,
den das Glück beytragen muß,

einen
Epischen Poeten
zu formiren.
Nach den Grundsätzen der
Inquiry into
the live and the Writings of
Homer.

JEdermann wird mir einräumen, daß eine
Menge zufälliger obgleich natürlicher Ursa-
chen zusammen eintreffen muß, einen sol-
chen starken und mächtigen Geist zu formieren,
wie Homers oder Virgils gewesen sind, aber
wohl die wenigsten werden überlegt haben, was
vor Zufälligkeiten dieses seyn, wie wichtig und selten
sie seyn, und von was vor eigentlichen gantz ver-
schiedenen Ursachen sie entstehen. Eine Untersu-
chung, welche uns nicht länger in der ungewis-
sen Verwunderung lassen wird, daß in etlichen tau-
send Jahren nicht mehr als zween oder drey Men-
schen in dergleichen glükliche Zufälligkeiten gera-
then sind, welche den homerischen Geist hervor-
gebracht haben!

Zum allerersten kömmt es nicht wenig auf die
Temperatur des Clima, und die Beschaffenheit
des Bodens an; eine zu fette und zu fruchtbare
Ebene macht die Einwohner weibisch, und gebiehrt
Trägheit und Schläfrigkeit: Dahingegen eine

reine
[Crit. Samml VII. St.] A 2


Von dem wichtigen Antheil,
den das Gluͤck beytragen muß,

einen
Epiſchen Poeten
zu formiren.
Nach den Grundſaͤtzen der
Inquiry into
the live and the Writings of
Homer.

JEdermann wird mir einraͤumen, daß eine
Menge zufaͤlliger obgleich natuͤrlicher Urſa-
chen zuſammen eintreffen muß, einen ſol-
chen ſtarken und maͤchtigen Geiſt zu formieren,
wie Homers oder Virgils geweſen ſind, aber
wohl die wenigſten werden uͤberlegt haben, was
vor Zufaͤlligkeiten dieſes ſeyn, wie wichtig und ſelten
ſie ſeyn, und von was vor eigentlichen gantz ver-
ſchiedenen Urſachen ſie entſtehen. Eine Unterſu-
chung, welche uns nicht laͤnger in der ungewiſ-
ſen Verwunderung laſſen wird, daß in etlichen tau-
ſend Jahren nicht mehr als zween oder drey Men-
ſchen in dergleichen gluͤkliche Zufaͤlligkeiten gera-
then ſind, welche den homeriſchen Geiſt hervor-
gebracht haben!

Zum allererſten koͤmmt es nicht wenig auf die
Temperatur des Clima, und die Beſchaffenheit
des Bodens an; eine zu fette und zu fruchtbare
Ebene macht die Einwohner weibiſch, und gebiehrt
Traͤgheit und Schlaͤfrigkeit: Dahingegen eine

reine
[Crit. Sam̃l VII. St.] A 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0003" n="3"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#b">Von dem wichtigen Antheil,<lb/>
den das Glu&#x0364;ck beytragen muß,</hi><lb/>
einen<lb/><hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Epi&#x017F;chen Poeten</hi></hi><lb/><hi rendition="#b">zu formiren.<lb/>
Nach den Grund&#x017F;a&#x0364;tzen der</hi> <hi rendition="#aq">Inquiry into<lb/>
the live and the Writings of<lb/>
Homer.</hi></head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">J</hi>Edermann wird mir einra&#x0364;umen, daß eine<lb/>
Menge zufa&#x0364;lliger obgleich natu&#x0364;rlicher Ur&#x017F;a-<lb/>
chen zu&#x017F;ammen eintreffen muß, einen &#x017F;ol-<lb/>
chen &#x017F;tarken und ma&#x0364;chtigen Gei&#x017F;t zu formieren,<lb/>
wie Homers oder Virgils gewe&#x017F;en &#x017F;ind, aber<lb/>
wohl die wenig&#x017F;ten werden u&#x0364;berlegt haben, was<lb/>
vor Zufa&#x0364;lligkeiten die&#x017F;es &#x017F;eyn, wie wichtig und &#x017F;elten<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;eyn, und von was vor eigentlichen gantz ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Ur&#x017F;achen &#x017F;ie ent&#x017F;tehen. Eine Unter&#x017F;u-<lb/>
chung, welche uns nicht la&#x0364;nger in der ungewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Verwunderung la&#x017F;&#x017F;en wird, daß in etlichen tau-<lb/>
&#x017F;end Jahren nicht mehr als zween oder drey Men-<lb/>
&#x017F;chen in dergleichen glu&#x0364;kliche Zufa&#x0364;lligkeiten gera-<lb/>
then &#x017F;ind, welche den homeri&#x017F;chen Gei&#x017F;t hervor-<lb/>
gebracht haben!</p><lb/>
        <p>Zum allerer&#x017F;ten ko&#x0364;mmt es nicht wenig auf die<lb/>
Temperatur des Clima, und die Be&#x017F;chaffenheit<lb/>
des Bodens an; eine zu fette und zu fruchtbare<lb/>
Ebene macht die Einwohner weibi&#x017F;ch, und gebiehrt<lb/>
Tra&#x0364;gheit und Schla&#x0364;frigkeit: Dahingegen eine<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">[Crit. Sam&#x0303;l <hi rendition="#aq">VII.</hi> St.] A 2</fw><fw place="bottom" type="catch">reine</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0003] Von dem wichtigen Antheil, den das Gluͤck beytragen muß, einen Epiſchen Poeten zu formiren. Nach den Grundſaͤtzen der Inquiry into the live and the Writings of Homer. JEdermann wird mir einraͤumen, daß eine Menge zufaͤlliger obgleich natuͤrlicher Urſa- chen zuſammen eintreffen muß, einen ſol- chen ſtarken und maͤchtigen Geiſt zu formieren, wie Homers oder Virgils geweſen ſind, aber wohl die wenigſten werden uͤberlegt haben, was vor Zufaͤlligkeiten dieſes ſeyn, wie wichtig und ſelten ſie ſeyn, und von was vor eigentlichen gantz ver- ſchiedenen Urſachen ſie entſtehen. Eine Unterſu- chung, welche uns nicht laͤnger in der ungewiſ- ſen Verwunderung laſſen wird, daß in etlichen tau- ſend Jahren nicht mehr als zween oder drey Men- ſchen in dergleichen gluͤkliche Zufaͤlligkeiten gera- then ſind, welche den homeriſchen Geiſt hervor- gebracht haben! Zum allererſten koͤmmt es nicht wenig auf die Temperatur des Clima, und die Beſchaffenheit des Bodens an; eine zu fette und zu fruchtbare Ebene macht die Einwohner weibiſch, und gebiehrt Traͤgheit und Schlaͤfrigkeit: Dahingegen eine reine [Crit. Sam̃l VII. St.] A 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/3
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/3>, abgerufen am 21.11.2024.