[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.unter dem schwäbisch. Stamme. dadurch am ällermeisten vermehret, und wir müs-sen die Nachlässigkeit unsrer Voreltern, welche sie hat untergehen lassen, um so viel schmertzlicher bedauern. Wenn wir zwar nicht eben so viele Nachlässigkeit hätten, so könnten wir vermuth- lich noch heutiges Tages diesen erlittenen Verlust ziemlichermassen ersetzen; gestalten nicht unbekannt ist, daß in der Königlichen Bibliotheck zu Paris Num. 7266. ein pergamener Codex ist, worinnen eine grosse Anzahl Poesien aus dem hohenstaufi- schen Weltalter zusammengeschrieben sind. Wir wissen auch die Nahmen der vornehmen Verfasser, von denen einige Stücke darinnen enthalten sind; darunter sind etliche die mittelst eintzelner Zeilen, die von Goldast aus ihnen angezogen worden, ein starckes Verlangen nach dem gantzen erweket ha- ben; nämlich Klinsore von Ungerlant; Walter von der Vogelweide; Werner von Tufen; Chun- rad von Wurzburg; Herzog Henrich von Pres- sela; Reimar von Zweeter. Alle die Dichter, derer Schriften in dem angeregten Codex be- griffen sind, haben unter den Kaisern aus dem schwäbischen Hause gelebet. Der Untergang des Stammes von Hohenstaufen ist der Poesie gantz verderblich gewesen. Man muß nicht wohl zu unterscheiden wissen, wenn man die Poeten des- selben Alters mit den Meistersängern der spätern Zeiten in eine Classe setzet; wie Wagenseil und andre gethan haben. Sie sind einander an Ge- schicklichkeit, an Kunst, an der Sprache, allzu ungleich, wiewohl sie einander darinnen gleichen mögen, daß diese und jene ihre Erzehlungen vor einer C 2
unter dem ſchwaͤbiſch. Stamme. dadurch am aͤllermeiſten vermehret, und wir muͤſ-ſen die Nachlaͤſſigkeit unſrer Voreltern, welche ſie hat untergehen laſſen, um ſo viel ſchmertzlicher bedauern. Wenn wir zwar nicht eben ſo viele Nachlaͤſſigkeit haͤtten, ſo koͤnnten wir vermuth- lich noch heutiges Tages dieſen erlittenen Verluſt ziemlichermaſſen erſetzen; geſtalten nicht unbekannt iſt, daß in der Koͤniglichen Bibliotheck zu Paris Num. 7266. ein pergamener Codex iſt, worinnen eine groſſe Anzahl Poeſien aus dem hohenſtaufi- ſchen Weltalter zuſammengeſchrieben ſind. Wir wiſſen auch die Nahmen der vornehmen Verfaſſer, von denen einige Stuͤcke darinnen enthalten ſind; darunter ſind etliche die mittelſt eintzelner Zeilen, die von Goldaſt aus ihnen angezogen worden, ein ſtarckes Verlangen nach dem gantzen erweket ha- ben; naͤmlich Klinsore von Ungerlant; Walter von der Vogelweide; Werner von Túfen; Chun- rad von Wúrzburg; Herzog Henrich von Preſ- ſela; Reimar von Zweeter. Alle die Dichter, derer Schriften in dem angeregten Codex be- griffen ſind, haben unter den Kaiſern aus dem ſchwaͤbiſchen Hauſe gelebet. Der Untergang des Stammes von Hohenſtaufen iſt der Poeſie gantz verderblich geweſen. Man muß nicht wohl zu unterſcheiden wiſſen, wenn man die Poeten deſ- ſelben Alters mit den Meiſterſaͤngern der ſpaͤtern Zeiten in eine Claſſe ſetzet; wie Wagenſeil und andre gethan haben. Sie ſind einander an Ge- ſchicklichkeit, an Kunſt, an der Sprache, allzu ungleich, wiewohl ſie einander darinnen gleichen moͤgen, daß dieſe und jene ihre Erzehlungen vor einer C 2
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unter dem ſchwaͤbiſch. Stamme.
dadurch am aͤllermeiſten vermehret, und wir muͤſ-
ſen die Nachlaͤſſigkeit unſrer Voreltern, welche
ſie hat untergehen laſſen, um ſo viel ſchmertzlicher
bedauern. Wenn wir zwar nicht eben ſo viele
Nachlaͤſſigkeit haͤtten, ſo koͤnnten wir vermuth-
lich noch heutiges Tages dieſen erlittenen Verluſt
ziemlichermaſſen erſetzen; geſtalten nicht unbekannt
iſt, daß in der Koͤniglichen Bibliotheck zu Paris
Num. 7266. ein pergamener Codex iſt, worinnen
eine groſſe Anzahl Poeſien aus dem hohenſtaufi-
ſchen Weltalter zuſammengeſchrieben ſind. Wir
wiſſen auch die Nahmen der vornehmen Verfaſſer,
von denen einige Stuͤcke darinnen enthalten ſind;
darunter ſind etliche die mittelſt eintzelner Zeilen,
die von Goldaſt aus ihnen angezogen worden, ein
ſtarckes Verlangen nach dem gantzen erweket ha-
ben; naͤmlich Klinsore von Ungerlant; Walter
von der Vogelweide; Werner von Túfen; Chun-
rad von Wúrzburg; Herzog Henrich von Preſ-
ſela; Reimar von Zweeter. Alle die Dichter,
derer Schriften in dem angeregten Codex be-
griffen ſind, haben unter den Kaiſern aus dem
ſchwaͤbiſchen Hauſe gelebet. Der Untergang des
Stammes von Hohenſtaufen iſt der Poeſie gantz
verderblich geweſen. Man muß nicht wohl zu
unterſcheiden wiſſen, wenn man die Poeten deſ-
ſelben Alters mit den Meiſterſaͤngern der ſpaͤtern
Zeiten in eine Claſſe ſetzet; wie Wagenſeil und
andre gethan haben. Sie ſind einander an Ge-
ſchicklichkeit, an Kunſt, an der Sprache, allzu
ungleich, wiewohl ſie einander darinnen gleichen
moͤgen, daß dieſe und jene ihre Erzehlungen vor
einer
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